Historische Romane - Bevorzugt ihr Realität oder Wunschvorstellung?

  • Zitat

    Original von hanako
    Auch hier gilt die Maxime: Gedruckt wird, was die Leute kaufen wollen. und das sind leider meistens nur aufgewärmte alte Vorurteile. :fetch :fetch :fetch


    Und das ist eine Behauptung, die an Objektivität, Wissenschaftlichkeit und Nachprüfbarkeit nichts zu wünschen übrig läßt.


    :rolleyes


    Na, Hauptsache, wir haben endlich die SCHULDIGEN. DIE Leute.



    :wave


    magali (mit einem Gral voll Kaffee vor sich)

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Ich liebe historische Romane - mein absolut bevorzugtes Genre.


    Grundsätzlich sollte der geschichtliche Hintergrund den belegten Fakten entsprechen, ansonsten wäre das in meinen Augen Verdummung einer breiten Masse. Nicht alle Leser haben entsprechendes Vorwissen und die meisten machen sich nicht die Mühe eigene Recherchen anzustellen, so dass für mich der Grundsatz "Lesen bildet" berücksichtigt werden sollte.


    Schriftstellerische Freiheiten sind natürlich auch ein absolutes Muss, denn sonst würde man ja ein Sachbuch lesen. Ich habe alles von Rebecca Gablé verschlungen - genau die richtige Mischung an Fakt und Fiktion, zudem großartig zu lesen und darin zu leben. Die Siedler von Catan jedoch habe ich nie fertig lesen können - wobei ich das Spiel aber auch nicht kenne.


    Was ich eben liebe ist, wenn man einem großen Herrscher beispielsweise Gefolge unterstellt, das es nie gab und diese dann an historisch belegten Schauplätzen mitwirken. Was ich gar nicht leiden mag, ist wenn man historische Persönlichkeiten Dinge tun und erleben läßt, die hanebüchen sind und gar nicht in die Geschichte passen.


    Zudem ist mir eine authentische Beschreibung der Lebensweise der jeweiligen Zeit wichtig und davon bitte nicht im Überfluß wie bei "Herrin der Burg" von Ulrike Schweikert (zuviel Gewalt und Vergewaltigung). Dass es durchaus üblich war, dass hohe Herren ihre Mägde zu sexuellen Handlungen zwangen, ist bekannt oder man hat es beim dritten Mal lesen auch verstanden. Ich muss das nicht auf jeder fünften Seite haben.


    Gerne mag ich auch, wenn historische Persönlichkeiten mehr Randfigur denn Protagonist sind, da ist die Gefahr der Tatsachenverdrehung nicht so groß.


    Mein absolutes Highlight in diesem Jahr war bis jetzt "Die Goldschmiedin" von Sina Beerwald.

  • Nun ja, von Walter von der Vogelweide gibt es exakt ein historisches Dokument darüber, dass er tatsächlich gelebt hat. Den historischen Roman, den Viola Alvarez zu dem Thema geschrieben hat, kann man trotzdem guten Gewissens empfehlen (und ja- die Episode zu dem Dokument kommt auch vor).

  • Zitat

    Original von Maharet
    Es steht wohl ausser Frage das Millionen den Tod auf dem Scheiterhaufen gefunden haben, und das ist meiner Meinung nach NUR auf die Machtspielchen der Kirche zurückzuführen.


    Entschuldige, Maharet, was ich jetzt schreibe, ist nicht als "Keule" gemeint, sondern eine simple wissenschaftliche Erkenntnis: Die Behauptung dass vor allem (oder wie gelegentlich behauptet wird: ausschließlich) durch die Machenschaften "der Kirche" Millionen Frauen als Hexen verbrannt worden wären, geht auf den Kulturkampf der Nazis gegen den Vatikan zurück, besonders auf Heinrich Himmler und seine Hexenkartothek: http://de.wikipedia.org/wiki/Hexenkartothek


    Die Nazis wollten jede Religionsausübung ihrer Herschaft unterstellen. Das ging mit großen Teilen der evangelischen und protestantischen Kirchen, weil die von Bistum zu Bistum souverän sind, aber nicht mit der katholischen, weil die als Weltkirche durch den Vatikan eigene staatliche Souveränität hat.
    Protestanten und Evangelische, die sich nicht den Nazis unterwerfen mussten, schlossen sich im Dritten Reich ua zur "bekennenden Kirche" (Niemöller, Bonnhoeffer) zusammen. Aber sie befanden sich damit oft in Opposition zur eigenen Kirche. Katholiken waren vom damaligen Papst ausdrücklich dazu aufgerufen, sich nicht den Nazis anzuschließen. Die Parteimitgliedschaft konnte mit Exkommunikation geahndet werden. Es gab auch einige Bischöfe (zB von Galen in Münster, Frings in Köln, von Preysing in Berlin), die erheblichen Widerstand und Hilfe für Verfolgte geleistet haben. Die "rat lines", über die am Ende der Naziherrschaft ziemlich viele vor allem katholische Nazis nach Übersee geschafft wurden, gehen auf die "Stille Hilfe" rechtskonservativer und nationalister Kreise zurück, zu der natürlich auch einige katholische Bischöfe gehörten. Daher auch die Kontakte in den Vatikan, die vor allem über die Ustascha-Kroaten liefen. Aber das ist eine ganz andere Geschichte. Wie die evangelischen und protestantischen Kirchen war auch die katholische kein fester Block, in dem nur eine Meinung gepredigt wurde.


    Wie das Verhältnis zwischen Hexenverfolgung und Inquisition war, ist noch eine andere Sache. Dazu hat Nightfall den Link zur Hauptressource der deutschsprachigen Hexenforschung beigetragen. Willst du wirklich solide wissenschaftliche Forschung als unglaubwürdig wegwischen, nur weil die Ergebnisse nicht zu deinem Feindbild als Kirchengegnerin passen? :wow


  • Ich hab das absichtlich Maxime genannt und nicht "wissenschaftliche Erkenntnis". Ich hab schon mal in einem Lektorat eines Publikumsverlages gearbeitet und weiss, wies da oft zugeht und nach welchen Kriterien darüber entschieden wird, was gedruckt wird und was nicht. Die entscheidende Frage ist, ob sich die Herstellung lohnt.Dazu schaut man halt auf Verkaufszahlen bei vergleichbaren Produkten.


    Das da jemand "Schuld" sein soll, behauptest du. :rolleyes


    Wildere ich in deinem Revier? :chen

  • Ach, so es war eine rein persönliche Überzeugung von 'den Leuten'.
    Na, wenn Du Dich ausschimpfen mußt, hier ist ja Platz.



    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Da gebe ich Dir ganz recht. Sachbücher sind nicht immer objektive Informanten. Aber ich lese trotzdem furchtbar gerne populärwissenschaftliche Bücher. Und ab und zu gibt es doch welche, wo man dann plötzlich etwas besser versteht. Für mich war "Big Bang" so ein Erlebnis.

  • @ hanako


    ich weiß, dass es viele Bücher über den zweiten Wk und die Judenverfolgung und so gibt, hast du deine Infos aus irgendwelchen interessanten Romanen oder selbst angesammelt?? falls ersteres zutrifft, hättest du da ein paar gute Vorschläge zu diesem Thema für mich??
    Interessiere mich total für die Rassentheorie im dritten Reich und lese gerade "Die Kanninchen von Ravensbrück" von Freya Klier, is wirklich interessant, aber leider etwas zu trocken. :keks
    Wenn also jemand gute Bücher dazu kennt: immer her damit, ich wäre euch sehr dankbar :knuddel1

  • Freaky


    eine Idee wäre, dass Du selber einen Thread eröffnest <Suche Bücher zum Thema: Rassentheorie der Nazis> (oder so ähnlich... :gruebel)
    Ich bin mir sicher, dass auf diesem Wege schon ein paar Vorschläge für Dich zusammen kommen.


    Aufmunternde Grüsse Joan :wave

    Avatar: James Joyce in Bronze... mit Buch, Zigarette und Gehstock.
    Diese Plastik steht auf seinem Grab. (Friedhof Fluntern, Zürich)
    "An Joyces Grab verweht die Menschensprache." (Yvan Goll)

  • Zitat

    Original von Daniela


    Grundsätzlich sollte der geschichtliche Hintergrund den belegten Fakten entsprechen, ansonsten wäre das in meinen Augen Verdummung einer breiten Masse. Nicht alle Leser haben entsprechendes Vorwissen und die meisten machen sich nicht die Mühe eigene Recherchen anzustellen, so dass für mich der Grundsatz "Lesen bildet" berücksichtigt werden sollte.


    Schriftstellerische Freiheiten sind natürlich auch ein absolutes Muss, denn sonst würde man ja ein Sachbuch lesen.


    Dem kann ich mich nur anschließen!
    Ich lese gerne historische Romane, aber zur Zeit doch eher Bellestristik.
    Brauche auch einfach mal was zum träumen.


    Besonders gut gefiel mir an historischen Romanen:
    Die Silberschmiedin von Ines
    Chromwells Traum von Charlotte Link
    & die Bücher von Astrid Fritz

  • Ich bevorzuge auf jeden Fall lieber die Realität.
    Nur weiß ich sehr oft nicht, ob was und wie viel in einem historischen Roman fiktiv ist und was real.
    Das merk ich dann entweder, wenn ich mich während oder nach dem Lesen im Internet umschaue oder wenn ich mit meinem Opa rede und er sagt "Schön, was du alles erzählst. Das stimmt aber gar nicht. Das war nämlich so:..."
    Und das ist manchmal ganz schön peinlich, wenn man seine Meinung steif und fest vertritt (steht ja schliesslich so in einem Buch) und am Ende stimmt das Alles gar nicht...


    Natürlich soll es kein Sach- oder Geschichtsbuch sein, die Figuren können sehr gerne fiktiv sein, von mir aus auch einige Orte und Geschehen, aber der Rahmen sollte auf jeden Fall mit der Realität übereinstimmen.


    :chen


    LG

    :eiskristall ~ Man sollte nicht nach den Sternen greifen, wenn man Blumen pflücken kann ~ :flowers


    Stephen King - Love

  • .....manchmal möchte ich auch einfach nur unterhalten werden. :wave

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Zitat

    Original von Kicky
    Ich bevorzuge auf jeden Fall lieber die Realität.
    Nur weiß ich sehr oft nicht, ob was und wie viel in einem historischen Roman fiktiv ist und was real.
    Das merk ich dann entweder, wenn ich mich während oder nach dem Lesen im Internet umschaue oder wenn ich mit meinem Opa rede und er sagt "Schön, was du alles erzählst. Das stimmt aber gar nicht. Das war nämlich so:..."
    Und das ist manchmal ganz schön peinlich, wenn man seine Meinung steif und fest vertritt (steht ja schliesslich so in einem Buch) und am Ende stimmt das Alles gar nicht...


    Nur das die subjektive Wahrheit deines Großvaters nicht mit der subjektiven Wahrheit meines Großvaters übereinstimmen muß.


    Beispiel- das mit der Wahrheit meines Großvaters und hoffentlich auch des deinen nichts zu tun hat:


    Tatbestand: Städter S fährt aufs Land im Jahre 1947 mit einem goldenen Leuchter aus dem 18. Jahrhundert und geht zum Bauern bekommt dafür Wurst und Schlachtabfälle.


    Erzählung Opa S im Jahre 2000:


    Nach dem Krieg mussten wir stundenlang auf Land hinauslaufen, wenn ein Militärkonvoi auf der Straße langkam versteckten wir uns in den Büschen, weil uns sonst unsere Sachen, die wir mithatten konfisziert worden wären. Manchmal, wenn wir Riesenglück hatten konnten wir ein Stück mit dem Zug fahren, aber 40- 50 Kilometer laufen waren normal und dann haben wir für das Familienerbstück, den goldenen Leucher, der zu dem der da hinten noch auf dem Buffet steht passte, nur ein paar Würste bekommen. Bei den Bauern stapelten sich die Orientteppiche auf dem Boden und gegessen haben die nur mit Silberbesteck.


    Erzählung Opa B im Jahre 2000:


    Nach dem Krieg war Bewirtschaftung, jedes Korn mussten wir der Besatzungsmacht vorzählen und wenn man was nicht nachweisen konnte kam man gleich ins Lager, aber ständig kamen die Städter mit irgendwelchem Plunder, der in Zeiten reicher Menschen was wert sein mag, aber wenn Hunger umgeht kann man Teppiche und Gold nicht beissen. Aus Mitleid hat man denen dann auch mal was gegeben. Ganz hart war das mit der Geschichte von dem vergoldeten Leucher da hinten. Da hat uns ein Städter erwischt beim Schwarzschlachten, da hat ihm mein Vater das halbe Schwein geben müssen, wenn der gequatscht hätte, hätten die den glatt erschossen und er hat ihm zum Ausgleich gerade nur dieses Teil abgenommen- da hatten wir dann große Probleme, der Vater wollte mit dem Fleisch doch das Getreide für die Aussaat bezahlen.

  • Da hast du sicher recht, beowulf. Kein Mensch sieht die Welt genauso wie ein anderer Zeitgenosse. Aber wir sind trotzdem Kinder der jeweiligen Zeit, in der wir leben. Irgendwo habe ich einmal gelesen, dass der mittelalterliche Mensch so gut wie nie dem Stand, in den er hineingeboren wurde, entkommen konnte. Zumindest trifft das auf die große Masse zu und wer z. B. einmal Steinträger war, wird es wohl sein ganzes, nicht allzu lange währendes Leben geblieben sein.
    Die Menschen haben sich viele Fragen gar nicht gestellt, weil ihnen ihr jeweiliger Stand und sicher auch die Kirche das Leben vorgegeben hat.
    Erst die Neuzeit um 1500 brachte es mit sich, dass sich die Menschen ihrer Individualität bewußt wurden, bis es dann mit der Aufklärung richtig losging.


    Und genau das erwarte ich mir von einem guten historischen Roman, dass der Autor versucht, den Zeitgeist zu treffen.
    Tilman Röhrig hat das in seinem Roman über Riemenschneider gut gelöst. Man merkt direkt, wie er sich über das Leben des Bildschnitzers dort zurückhält, wo er nichts genaues weiß, um nicht allzu viel erfinden zu müssen. Dafür räumt er dem zeitlichen Hintergrund mit Bauernkrieg und Reformation viel Platz ein. Zumindest habe ich das so empfunden. Ich habe aber auch über dieses Buch nicht nur gute Kritiken gelesen. Und so soll es auch sein, dass wir alle unsere eigene Meinung haben. Vor 500 Jahren hätte uns kein Mensch danach gefragt.
    Liebe Grüße, Sylli7.

  • Zitat

    Original von FreakyReader
    @ hanako


    ich weiß, dass es viele Bücher über den zweiten Wk und die Judenverfolgung und so gibt, hast du deine Infos aus irgendwelchen interessanten Romanen oder selbst angesammelt??


    Geschichte studieren. Da gehört auch mal ein Seminar übers dritte Reich dazu.


    Zitat

    falls ersteres zutrifft, hättest du da ein paar gute Vorschläge zu diesem Thema für mich??


    Irène Nemirowsky, das ist Literatur von einer betroffenen ukrainisch-franz. Jüdin (su).

  • Zitat

    Original von minna
    Am besten sind sie, wenn sie realistisch sind. Jedoch ist das manchmal ein bisschen heftig und dann brauch ich zur Abwechslung was unrealistisches :grin


    Hoffentlich glaubst du nicht, dass ein HR nur dann realistisch ist, wenn er besonders grausame Zustände beschreibt, besonders im MA, dass da vergewaltigt und gemordet worden sei, bis die Wände wackeln ... :wow


    Das kann dir die Geschichtswissenschaft aber nicht bestätigen. Eher muss man davon ausgehen, dass es im 17/18c und im 19/20c besonders schlimm zugegangen ist auf dieser Welt was Menschlichkeit angeht. :-(


    Wenn man genauer hinschaut, kommts einem oft vor als würde man sich den Fortschritt nur einbilden.

  • Ich kann in der Geschichte überhaupt keinen Abschnitt entdecken, wo es nicht grausam zugegangen ist.
    Allein die Tatsache, dass der einzelne, vor allem besitzlose Mensch, so gut wie keine Rechte hatte und den Launen und Willkür der Obrigkeit hilflos ausgeliefert war, erschüttert mich immer wieder.
    Ich hab des öfteren versucht, Bücher über die Inquisition zu lesen, mußte aber stellenweise gar zu grausige Schilderungen überblättern.
    Gut, dass ich nicht Geschichte studiert habe, da hätte ich heute noch keinen Abschluß.