Historische Romane - Bevorzugt ihr Realität oder Wunschvorstellung?

  • Ein Fan der HR bin ich auch nicht unbedingt, aber ich denke man sollte schon differenzieren und nicht dermaßen pauschal auf alles Einprügeln was die Bezeichnung "historisch" trägt, so wie es der Sportskamerad/die Sportskameradin Hanako gerade macht.


    Tut mir jetzt wirklich leid, aber so richtig ernst nehmen kann ich deinen Beitrag leider nicht hanako . :wave

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Ich versteh sehr wohl, was Hanako meint; vieles davon unterschreibe ich.
    Andererseits weiss ich natürlich nicht, welche Romane er/ sie speziell anspricht, aber meine HR, speziell die im Mittelalter spielenden, enthalten eine geballte Ladung Religion. Dürfte sich bei Hauptbersonen wie Sir Cromwell, Bruder Athelstan und Bruder Cadfael wohl auch schwer vermeiden lassen *g*


    Stimmt, Gestank allein verspricht keine Authentizität (und ich hoffe, dass dieser Satz NIE aus dem Kontext des threads gerissen wird! :chen). Aber altmodisch klingende Namen, knisternde Gewänder und munter flackernde Kaminfeuer (oder wahlweise munter lodernde Hexen) allein eben auch nicht.


    Die Mischung macht's, und wenn die Atmosphäre nicht stimmt, mag ich das Buch nicht. Atmosphäre kommt für mich hauptsächlich durch Realitätsnähe (ich beziehe mich hier nur auf historische Romane!), da kenne ich keine Gnade.

    Receive what cheer you may- the night is long that never reaches the day (Willy Shakespeare)

  • Kann man denn wirklich authentisch schreiben? Wohl kaum! Denn niemand weiß wirklich wie die beschriebenen Zeiten wirklich waren. Alles stützt sich auf irgendwelche Überlieferungen und Berichte. Aber sind diese denn authentisch? Der grösste Teil der historischen Darstellungen gründet sich daher wohl eher auf Vermutungen.

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  • Zitat

    Kann man denn wirklich authentisch schreiben? Wohl kaum! Denn niemand weiß wirklich wie die beschriebenen Zeiten wirklich waren. Alles stützt sich auf irgendwelche Überlieferungen und Berichte. Aber sind diese denn authentisch? Der grösste Teil der historischen Darstellungen gründet sich daher wohl eher auf Vermutungen.


    Dem möchte ich widersprechen.


    Natürlich gibt es noch viele schwarze Bereiche in der Geschichtswissenschaft, die nur wenig bis gar nicht durch Quellen abgedeckt sind, wo man über bestimmte Hilfswissenschaften spekuliert; zum Beispiel ist die Epoche der Ur- und Frühgeschichte nicht mit schriftlichen Quellen, was den europäischen Raum betrifft, gesegnet und dennoch kann man einiges vermuten, wenn nicht sogar wissenschaftlich belegen. Durch Grabbeigaben z.B. kam auf die gesellschaftliche Struktur schließen bzw. auf den Stand einer Persönlichkeit, auch lässt sich so der Lebensstandard erahnen, gibt es doch in der Frühgeschichte viele Volksgruppen, die ihre Toten mit ihrem gesamten Hab und Gut bestatten.


    Ein anderes Beispiel ist das ach so finstere Mittelalter. Im Gegensatz zu manch anderen, sogar später liegenden Epochen gibt es aus dieser Zeit sehr viele Quellen. Stadtchorniken, Verordnungen, Gerichtsakten, private Aufzeichnungen wie Briefe und Tagebücher. Schon aus dem 7./8. Jahrhundert gibt es Quellen, die z.B. die Chirstianisierungsbestrebungen von Kirchen auf Irland nachweisen. Aus Aufzeichnungen von Mönchen kann man z.B. auch auf die Entwicklung der Landwirtschaft schließen und auf die Entwicklung der Medizin durch Kräuteranbau. Ein sehr interessanter Aspekt sind auch die Aufzeichnungen von Salzburger Mönchen zum Thema Himmelsbewegungen, die eindeutig belegen, dass die frühmittelalterlichen Gelehrten von einem heliozentrischen Weltbild überzeugt waren.


    Natürlich ist vieles nur spekulierbar und die meisten Quellen einer Quellenkritik zu unterziehen. Wer hat sie aus welhem Grund zu welchem Zweck verfasst? Und natürlich sind Quellen auch davon abhängig welche Person diese verfasst hat. Wenn man sich z.B. die Aufzeichnungen eines englischen Chronisten über die "Hexe und das schanhafte Weib" Jeanne d'Arc (Nur als Beispiel) anschaut, dann kann man sehr schnell darauf schließen, dass er von ihr nicht begeistert war.
    Authenzität ist so immer ein Thema, aber von grundauf zu sagen, sämtliche Berichte und Quellen sind dies nicht, ist nicht richtig.


    Ich gebe mal für Interessierte der frühmittelalterlichen Geschichte einen Link (Klick!) und für Interessierte der Hexenforschung diesem Link (Klick!)


    Edit: Beim nochmaligen von Voltaires Antwort fällt mir auf, dass ich sie missverstanden habe, wie ich denke *hust*... Egal, ich lasse den Beitrag mal stehen, vor allem die Links.

    „Die Literatur greift immer dem Leben vor.
    Sie ahmt das Leben nicht nach, sondern formt es nach ihrer Absicht.”

    Oscar Wilde, irischer Schriftsteller und Aphoristiker

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  • Faktenwissen ist das eine.
    Aber ich habe oft ein Problem mit der fehlenden Authentizität in historischen Romanen, weil in jeder Zeile und in jeder Rede das Denken des 21. Jahrhunderts mitschwingt.
    Der Autor kann sich nicht freimachen von der Art zu denken und von den Entwicklungen. Und seine Art zu denken, legt er gerne den Romanfiguren in den Mund.
    Es wird uns sehr schwerfallen und gedanklich in eine Zeit vor der Aufklärung und vor der Romantik reinzudenken mit den fremden gesellschaftlichen Konventionen und der Art zu denken, fühlen und zu glauben.


    Und die meisten historischen Romane, die ich gelesen habe, scheitern genau daran. Grandios Ken Follett zum Beispiel. Seine Figuren sind quasi Menschen des 21. Jahrhundert mit der Zeitmaschine ins Mittelalter versetzt, aber mit einer Denke, als wären Aufklärung und Frauenbewegung und alles andere längst passiert.

    :lesend
    If you can read, you can empathize, luxuriate, take a chance, have a laugh, hit the road, witness history, become enlightened, turn the page, and do it all again
    Oprah Winfrey

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  • ich LIEBE historische Romane! aber natürlich nur, wenn nicht die Historie sondern die eigentliche Geschichte im Vordergrund steht :-)
    Der Roman sollte die historischen Besonderheiten des Erzähl- Jahrhunderts
    beinhalten, sich aber nicht ausschließlich mit dieser Thematik befassen und auch noch genügend Raum für die Geschichte lassen.
    Ich mag besonders Rainer M. Schröder oder auch Harald Parringer, die haben die richtige Mischung schon gefunden und schreiben wunderbare Bücher!! Aber auch Celia Rees ist richtig gut, eigentlich sogar noch besser, weil ihre Romane nicht nur "beiläufig" historisches Wissen vermitteln, sondern sich aktiv damit auseinandersetzten und besonders die Probleme und manchaml auch die Engstirnigkeit (z.B. Hexenjagd im Mittelalter- eigentlich haben sie ja nur etwas merkwürdige, "andere", ungeliebte Menschen verfolgt und am Ende Verbrannt) vermittelt.


    Also unbedingt mal Hexenkind & auch Hexenschwestern oder Piraten lesen, es lohnt sich wirlich!!! :lesend

  • Zitat

    (z.B. Hexenjagd im Mittelalter-


    Entschuldige, aber bei diesem kausalen Zusammenhang gehen meine "historischen Alarmglocken" an. Die Hexenverfolgung ist kein Relikt des Mittelalters, sondern hatte seine "Blütezeit" in der frühen Neuzeit.
    Natürlich, es gab schon einige Vorboten im frühkarolingischen Mittelalter, wie die Gesetzgebung Karl des Großen im Jahr 785, welches sich gegen die germanischen Bräuche richtete, wie Schadenszauber, aber das Wort Hexe im Bezug auf eine Person, die durch Teufelsbuhlschaft und Hexenflug sich "strafbar" gemacht hatte, kam erst im 13./14.Jahrhundert auf. Einen genauen Bericht bietet da die Stadtchronik von Luzern - Da ist zum ersten Mal von dem Wort "Hexe" zwischen 1402 und 1419 die Rede.


    Die Inquisition ist ein Produkt des 13.Jahrhunderts und hatte bis zum 15.Jahrhundert nur wenig mit dem Thema "Hexerei" und "Zauberei" zu tun; das eigentliche Verbrechen war die Häresie, der "Abfall vom Glaube" bzw. eine Denkensrichtung, die sich gegen die "Orthodoxie einer Kirche" richtet. Versteht mich nicht falsch, die Menschen hatten schon ein Bewusstsein für "zauberey" und entwickelten natürlichen Aberglauben, aber eine kirchliche Verfolgung und somit auch eine "Jagd" fand im Mittelalter nicht statt.


    Und eigentlich müsstest du wissen, dass auch "Hexenkind" nicht im Mittelalter spielt, sondern im 16.Jahrhundert. Wie ich darauf komme? Nun, die Geschichte spielt auf dem "neuen Kontinent", den späteren USA. 1492 entdeckte Columbus Amerika, wie man so schön falsch lernt. (Er erreichte gerade einmal Cuba...) Und die erste Besiedlung, also systematische Besiedlung fand im 16.Jahrhundert statt. Und das war in der Zeit der frühen Neuzeit und unter Garantie nicht im Mittelalter.

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  • Nightfall


    Du scheinst Dich ja sehr intensiv mit Thema "Hexenverfolgung" auseinander zu setzen, und Du sprichst Luzern an.
    Es gibt einen Roman von Eveline Hasler, der von Hinrichtungen sogenannter Hexenkinder erzählt. Schauplatz u.a. auch Luzern, Mitte 17. Jahrhundert. Da geht es um die Verurteilung und Hinrichtung des Mädchens Kathrin Schmidlin.
    HIER ein Link zu einer Seite des Luzerner Staatsarchivs.


    DIE VOGELMACHERIN.
    DIE GESCHICHTE VON HEXENKINDERN
    Eveline Hasler



    Kurzbeschreibung
    Ein elfjähriges Mädchen, ein eigenwilliges, phantasievolles Kind, das elternlos in einem abgelegenen Tal aufwächst, behauptet, es könne Vögel machen. 1652 wird es unter der Anklage der Hexerei aufgegriffen und nach einem qualvollen Prozeß in Luzern hingerichtet. Bestraft wird das Vergehen, sich gottgleiche Schöpferkräfte angemaßt zu haben.
    Doch hat die Obrigkeit mit Bedacht das elternlose Kind als Opfer ausgewählt: das schwächste Glied einer Gemeinschaft aufrührerischer Bauern, die zur Raison gebracht werden sollen. Sieben Jahre später in Oberschwaben ein anderer Fall: Ein neunjähriger Junge und seine elfjährige Schwester werden der »Buhlschaft mit dem Teufel« verdächtigt und verurteilt. Zu jung für eine Hinrichtung, werden sie vier lange Jahre im Kloster Buchau »aufbewahrt«, bis das Urteil an ihnen vollstreckt wird.

    Über den Autor

    Eveline Hasler studierte Psychologie und Geschichte und war später als Lehrerin tätig. Sie lebt heute als freie Schriftstellerin im Tessin, Schweiz. Neben Büchern für Kinder schreibt die renommierte Autorin auch Romane für Erwachsene, die ebenso wie ihre Kinderbücher vielfach mit Preisen ausgezeichnet wurden. 1994 erhielt sie für ihr literarisches Gesamtwerk den Droste-Preis.

    Avatar: James Joyce in Bronze... mit Buch, Zigarette und Gehstock.
    Diese Plastik steht auf seinem Grab. (Friedhof Fluntern, Zürich)
    "An Joyces Grab verweht die Menschensprache." (Yvan Goll)

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  • Dieser Thread gefaellt mir sehr, ich habe mit Erleichterung gelesen, dass vielen Lesern hier der verantwortliche Umgang mit der Historie im Roman wichtig ist.
    Es wird - selbst wenn der Autor selbst Historiker ist - unvermeidlich sein, dass ihm kleinere Fehler unterlaufen. Gerade Alltagsgeschichte ist ja in vielen Epochen lueckenhaft bzw. widerspruechlich dokumentiert und schwer recherchierbar. Ich persoenlich kann recht gut damit leben, wenn eine Romanfigur z.B. eine Frucht verzehrt, die erst fuenfzig Jahre spaeter in die Gegend gelangte. Viel schlechter leb' ich damit, wenn die Substanz einer Epoche, ihre geistigen Stroemungen, ihr Lebensgefuehl, m.E. vom Autor ausser Acht gelassen oder extrem unzureichend erfasst wurden.
    Natuerlich sagt ein historischer Roman in aller Regel mehr ueber die Epoche des Verfassers als ueber die gewaehlte aus - dieses Mischen der Epochen macht fuer mich auch den grossen Reiz aus (Feuchtwanger ist da das schoenste Beispiel, finde ich). Ich moechte aber das Buch eines Autors lesen, der aus seiner eigenen Epoche auf eine fremde blickt, nicht sich in die Eckdaten der fremden setzt und seine eigene einfuellt.


    Einige haben gesagt, die Geschichte sei ihnen wichtiger. Das kann ich fraglos nachvollziehen, aber - meiner Ansicht nach formen sich die Geschichten aus der Geschichte ja eben DURCH die intensive Beschaeftigung mit dem gewaehlten Zeitausschnitt, sie beginnen dadurch zu leben, bekommen scharfe Konturen und werden unverwechselbar.


    Die staerksten Geschichten sind sicherlich die, die so sehr vom Menschen handeln, dass sie in jeder Epoche der Menschheitsgeschichte ihre Gegenstuecke haben - die aber auf so einzige Weise in der speziellen Epoche verankert sind, dass eben dies den Vergleich mit einer anderen - gar der eigenen - Epoche so unwiderstehlich macht.


    Alles Liebe von Charlie

  • Also, ich geb jetzt auch mal meinen Senf dazu. :grin


    Ich bin ein absoluter Fan von Rebecca Gablé, ich habe bis auf "Die Siedler von Catan" alle von ihr gelesen. Was ich bei Ihren Büchern so toll finde, ist, dass sie im Anhang noch einmal genau aufschreibt, was sie an historischen Fakten geändert hat und was definitiv stimmt. Außerdem hat sie eine wunderbare Art jemanden in die Geschichte mit hinein zuziehen.
    Auch Tilman Röhrig finde ich gut.


    Es gibt aber auch leider historische Roman, die zwar Fakten enthalten, aber leider nicht fesselnd geschrieben sind z.B. Des Königs-Kinder von Carlo Ross.


    Ich bin auch jemand, der bei historischen Romanen ein paar belegbare Hintergründe mit erfahren möchten - darum lese ich sie. Es wäre wirklich hilfreich, wenn irgendwo vermerkt sein würde, "Fiktion" (oder ähnliches).
    Das heißt ja nicht, dass Bücher, die keine belegbaren Hintergründe beinhalten schlecht sind. Ich fand z.B. "Die Päpstin" auch klasse und habe das Buch regelrecht verschlungen!


    Ich hätte ja einen Vorschlag, vielleicht könnten ja Antiope und Historikus ja einen guten historischen Roman schreiben - ich wär Eurer erster Kunde :-)


    Ansonsten kann ich mich Charlie anschließen - ich sehe das genauso :wave

  • Auf idiotischen "Ägyptologie"- Büchern, die Stein und Bein schwören, die Pyramiden seien ausserirdisch... oder so.
    Und auf scheinbar brennend interessanten Krimis, wo dann am Ende doch nur der Oberbulle mit der Kronzeugin in die Falle hüpft.


    UND auf Pratchett- Büchern. "Vorsicht, Suchtgefahr", oder so ähnlich! :lache

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  • Zitat

    Du scheinst Dich ja sehr intensiv mit Thema "Hexenverfolgung" auseinander zu setzen, und Du sprichst Luzern an. Es gibt einen Roman von Eveline Hasler, der von Hinrichtungen sogenannter Hexenkinder erzählt. Schauplatz u.a. auch Luzern, Mitte 17. Jahrhundert. Da geht es um die Verurteilung und Hinrichtung des Mädchens Kathrin Schmidlin. HIER ein Link zu einer Seite des Luzerner Staatsarchivs.


    Weißt du, wie schwierig es ist nach dieser Buchempfehlung nicht bei Amazon auf "In den Einkaufswagen" zu klicken? -_-


    Die Hexenforschung gehört zu meinen favorisierten historischen Themen (Neben der Franz. Revolution) und von daher ist es eigentlich logisch, dass bei einem die Alarmglocken angehen, wenn "Hexenjagd" (Dieser Begriff ist für mich eigentlich nicht akzeptabel..) und "Mittelalter" in einem Zusammenhang gesehen werden. Ich kann auch gerne noch erklären, warum der Begriff "Hexenjagd" für mich nicht in Frage kommt. Er stammt aus der feministischen Geschichtsforschung, die die Hexenverfolgung als Verfolgung gegen das weibliche Geschlecht und dessen Aufbegehren sieht. Und desweiteren geht dieser Forschungsbereich nach wie vor von 1,5 Millionen "Todesopfer" aus. Als dritter Aspekt sei erwähnt, dass sie allein die katholische Kirche für die Inquisition und deren "Ausleben" verantwortlich machen.


    Zum einen kann man in der frohen Neuzeit nicht von einem "Aufbegehren" der weiblichen Welt sprechen. Einzelbeispiele und Ausnahmen gibt es natürlich, aber daraus ein europäisches Phänomen zu machen, halte ich für unpassend. Desweiteren ist die Mortalitätsrate von 1,5 Millionen FRAUEN übertrieben; man geht europaweit von 100 000 Opfern aus, darunter Frauen UND Kinder UND Männer. Ich möchte diese Zahl nicht kleinreden, aber zum einen verschleiern die "1,5 Millionen Opfer" die Realität und zum anderen wird davon ausgegangen, dass die Hexenverfolgung ein reines "Frauenproblem" war.


    Zum Thema "Kirche als Alleinschuldiger": Zwar ist das "Malleus Malleficarum", der berühmte "Hexenhammer", von zwei Dominikanern Heinrich Institoris und Jakob Sprenger geschrieben worden (1487), ABER die meisten Hexenprozesse fanden nicht auf kirchlicher, sondern auf weltlicher Basis statt und dementsprechend auch deren Rechtsprechung. Zeiten von vielen Hexenprozessen waren die Jahre 1590 (Jahr der großen Pest-Pandemie), 1630 (Während des 30-jährigen Krieges) und 1660 (Folgen des 30-jährigen Krieges = Ökonomische Krise). Was das heißt? Ich formuliere es jetzt sehr salopp: Wenn das Essen knapp, die Ressourcen ansonsten wenig vorhanden waren, kaum Besitz frei war und große Armut herrschte, wurden die Leute ein bisschen futterneidig. So könnte man es formulieren...

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  • So, jetzt misch ich mich doch auch mal ein. Ich bevorzuge bei historischen Romanen auch gerne die knüppelharte Wahrheit, auch wenn es manchmal wie bei "Die Hexe von Freiburg" oder "Die Puppenspieler" echt krass ist....




    Zitat

    Ich bin ein absoluter Fan von Rebecca Gablé, ich habe bis auf "Die Siedler von Catan" alle von ihr gelesen. Was ich bei Ihren Büchern so toll finde, ist, dass sie im Anhang noch einmal genau aufschreibt, was sie an historischen Fakten geändert hat und was definitiv stimmt. Außerdem hat sie eine wunderbare Art jemanden in die Geschichte mit hinein zuziehen.



    Stimmt genau, das unterschreibe ich. Allerdings sind die richtigen Experten sich bei RG ja auch nicht einig ob das jetzt wirklich alles authentisch ist....
    ist mir aber auch ganz egal, er ist toll zu lesen und nicht unnötig beschönigt.




    Zitat

    Wenn das Essen knapp, die Ressourcen ansonsten wenig vorhanden waren, kaum Besitz frei war und große Armut herrschte, wurden die Leute ein bisschen futterneidig. So könnte man es formulieren...



    natürlich. Man darf nur auch nicht vergessen das sowohl die kirchliche als auch die weltliche Macht von der Unbildung und dem Aberglauben der Leute gelebt haben. Die hattens doch viel leichter ihre "Lehren" durchzusetzen weil die Leute einfach nicht selbst nachgedacht haben. Und die sich das dann doch getraut haben die wurden dann auf dem Scheiterhaufen "entsorgt"....
    es ist ja auch viel einfacher die rothaarige Nachbarin für alles verantwortlich zu machen statt drüber nachzudenken was man vielleicht selbst falsch gemacht hat. Ein Phänomen das sich übrigens bis in die Jetzt Zeit hinzieht, jetzt sinds halt böse Musikbands die dann schuld sind wenn irgendwo jemand Amok läuft, weil man auch hier die Schuld lieber bei anderen sucht als bei sich selbst

  • Zitat

    Man darf nur auch nicht vergessen das sowohl die kirchliche als auch die weltliche Macht von der Unbildung und dem Aberglauben der Leute gelebt haben. Die hattens doch viel leichter ihre "Lehren" durchzusetzen weil die Leute einfach nicht selbst nachgedacht haben. Und die sich das dann doch getraut haben die wurden dann auf dem Scheiterhaufen "entsorgt"....


    Das ist so nicht richtig.


    Das würde bedeuten, dass jede verbrannte "Hexe" eine intellektuelle Persönlichkeit war, und dass ist so nicht richtig. Es gibt natürlich Beispiele für intelligente Frauen, die sich als Hebammen und Heilerinnen betätigt haben, aber das ist ein verschwindend geringer Teil. Die meisten Todesurteile wurden gegen Menschen aus dem einfachen Volk gesprochen, und diese konnten weder lesen noch schreiben noch hatten sie besonders ausgeprägte Fähigkeiten.


    Zu den "selbst nachdenken" - Die Analphabetenquote lag bei über 95%; man sollte sich mit der Gesellschaftsstruktur und der Lebenswelt dieser Menschen auseinandersetzen. Wenn wir auch heute den Aberglauben einiger älterer Menschen belächeln, so war das damals zum Lebenszyklus dazu gehörend. Die Menschen hatten Angst; vor dem Teufel, vor Hexen, vor allem, was sie nicht "unsterblich" im Sinne von "Ins Paradies eingehen" von der menschlichen Welt entließ.
    Man sollte sich solche Werturteile immer überlegen und sich zuerst mit der Lebenswelt vertraut machen. Der Glaube an Gott und an die kirchliche Vertretung war unerschütterlich; zumindest bis zur Zeit der Reformation.


    Zitat

    es ist ja auch viel einfacher die rothaarige Nachbarin für alles verantwortlich zu machen statt drüber nachzudenken was man vielleicht selbst falsch gemacht hat.


    Das erwartest etwas von Menschen, was nicht einmal heute Tenor ist. Heute ist allerdings ein anderes Zeitalter - die meisten Menschen können lesen, schreiben, sogar rechnen, haben die Möglichkeit eine Ausbildung im schulischen und beruflichen Rahmen zu machen, sich den Partner frei zu wählen und wir leben nicht mehr nach den Jahreszeiten, sondern nach dem Kalender bzw. Mondverlauf bzw. nach der Uhrzeit.

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    Sie ahmt das Leben nicht nach, sondern formt es nach ihrer Absicht.”

    Oscar Wilde, irischer Schriftsteller und Aphoristiker

  • Zitat

    Zu den "selbst nachdenken" - Die Analphabetenquote lag bei über 95%; man sollte sich mit der Gesellschaftsstruktur und der Lebenswelt dieser Menschen auseinandersetzen. Wenn wir auch heute den Aberglauben einiger älterer Menschen belächeln, so war das damals zum Lebenszyklus dazu gehörend. Die Menschen hatten Angst; vor dem Teufel, vor Hexen, vor allem, was sie nicht "unsterblich" im Sinne von "Ins Paradies eingehen" von der menschlichen Welt entließ.


    natürlich, genau das sage ich ja. Trotzdem bin ich der Meinung das das einfache Volk absichtlich "dumm" gehalten wurde, weil grade der Klerus sich durchaus drüber im Klaren war was sonst passiert. Diese Allmacht die die Kirche damals hatte war doch zu 99% auf diesen Aberglauben und die Angst vor Satan und Hölle aufgebaut.



    Zitat

    Das würde bedeuten, dass jede verbrannte "Hexe" eine intellektuelle Persönlichkeit war, und dass ist so nicht richtig



    das habe ich auch so nicht gemeint, vor allem nicht das Alle Personen die auf den Scheiterhaufen gelandet sind irgendwie besonders klug waren - hab ich ja auch nicht geschrieben. Aber es war trotzdem eine willkommene Methode solche Freidenker oder auch Ketzer genannt über den Scheiterhaufen loszuwerden.

  • Zitat

    das habe ich auch so nicht gemeint, vor allem nicht das Alle Personen die auf den Scheiterhaufen gelandet sind irgendwie besonders klug waren - hab ich ja auch nicht geschrieben. Aber es war trotzdem eine willkommene Methode solche Freidenker oder auch Ketzer genannt über den Scheiterhaufen loszuwerden.


    Ich möchte noch einmal an die Realität erinnern: Wäre dem so gewesen, wäre Martin Luther verbrannt worden. Wäre dem so gewesen, wäre Hildegard von Bingen in keinem Geschichtsbuch der Welt als Heilkundlerin aufgetaucht und vor allem, wäre Galileo Galilei einfach auf dem Scheiterhaufen gelandet, ohne ihn zu nötigen abzuschwören.


    Es ist ein bisschen einfach zu sagen "Okay, der denkt ein bisschen anderes. Weg mit ihm!", weil damit überhaupt ein Todesurteil gefällt werden kann, braucht es ein Geständnis. In 70% aller Hexenprozesse (Es gab bis zu 400 Hexenprozesse gleichzeitig; man denke an die Zahl der Opfer von 100 000.) gab es keine Veurteilung, weil selbst die Folter kein "Schuldbekenntnis" brachte.

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