Yvonne Winkler – Ärztin einer neuen Ära

  • Kurzbeschreibung (Quelle: Amazon)

    Vordenkerin, Medizinerin, Wegbereiterin

    Berlin, 1898: Nach dem Abitur kann es Hermine Edenhuizen kaum erwarten zu studieren. Sie möchte Ärztin werden und in die Fußstapfen ihres jüngst verstorbenen Vaters treten. Frauen dürfen aber noch nicht studieren, weswegen Hermine für jede Vorlesung eine Sondergenehmigung braucht. Sie gibt nicht auf und tut alles für ihren Traum! Deshalb will sie auch niemals heiraten, ein Ehemann könnte ihr nämlich das Arbeiten verbieten.

    Da lernt sie den Arzt Otto Heusler kennen. Er behandelt sie respektvoll, diskutiert medizinische Fälle mit ihr. Doch Otto ist bereits verheiratet! Hat ihre Liebe eine Chance?


    Autorin (Quelle: Amazon)

    Yvonne Winkler wurde 1967 geboren. Im Gegensatz zu Hermine Heusler-Edenhuizen musste sie nicht darum kämpfen, Medizin zu studieren und in der Radiologie zu arbeiten. Stattdessen musste sie viele Widerstände überwinden, um den weißen Kittel an den Nagel hängen zu können, ihrer inneren Stimme zu folgen und das Schreiben zum Beruf zu machen. Seit 1998 arbeitet sie als freie Autorin unter verschiedenen Pseudonymen und lebt mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern in Hamburg.


    Allgemeines

    Erschienen am 24.02.2022 im Piper Verlag als TB mit 448 Seiten

    Gliederung: Roman in fünf Teilen, jeweils mit nummerierten Kapiteln – Epilog – Nachwort

    Erzählung in der dritten Person aus der Perspektive der Protagonistin

    Handlungsorte und -zeit: verschiedene Orte in Deutschland, 1896 bis 1931


    Inhalt und Beurteilung

    Der biographische Roman schildert das Leben der ersten niedergelassenen deutschen Gynäkologin Hermine Edenhuizen (1872 – 1955) von ihrer Jugend bis zu ihrer Eheschließung im Jahr 1912, einschließlich eines Epilogs (1931).

    Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts sind Mädchen den Jungen gegenüber im Hinblick auf Bildungsmöglichkeiten noch sehr benachteiligt, doch Hermine hat Glück: Sie bekommt einen Platz in einem der von Helene Lange ins Leben gerufenen Gymnasialkurse für Mädchen und kann 1898 ihr Abitur ablegen.

    Schwieriger gestaltet sich die Umsetzung ihres Plans, Medizin zu studieren und Ärztin zu werden. Sie lehnt es zunächst ab, nach Zürich zu gehen, wo jungen Frauen bereits die Türen der Universität offenstehen. In Berlin müssen Frauen jedoch jeden einzelnen Professor um Erlaubnis fragen, bevor sie an einer Vorlesung teilnehmen dürfen und selbst in den Veranstaltungen der liberaleren Dozenten machen die männlichen Studenten den wenigen Kommilitoninnen das Leben zur Hölle. Deshalb verlässt Hermine Berlin, um in Zürich, Halle und Bonn zu studieren, 1903 wird sie als erste Frau an der medizinischen Fakultät in Bonn promoviert. Sie arbeitet erfolgreich als Ärztin und genießt bei Kollegen und Patientinnen hohes Ansehen, bis sie sich in einen verheirateten Arzt verliebt und ihr Leben in unruhiges Fahrwasser gerät.


    Der gut recherchierte Roman macht den Leser nicht nur mit der willensstarken, beharrlichen Persönlichkeit von Deutschlands erster niedergelassener Frauenärztin bekannt, sondern veranschaulicht auch deutlich den Spießrutenlauf, dem sich um die Wende des 19. zum 20. Jahrhundert Frauen gegenübersehen, die vom Leben mehr erwarten, als Ehefrau und Mutter zu sein.

    Dürfen Frauen wegen wirtschaftlicher Not in „niederen“ Tätigkeiten beschäftigt sein, gibt es großen Widerstand gegen das Frauenstudium – viele Menschen (beiderlei Geschlechts!) halten Frauen damit für intellektuell überfordert. Verheiratete Frauen brauchen für eine berufliche Tätigkeit die Erlaubnis des Ehemannes und auch ihr Lohn geht in dessen Besitz über! Nur über einen Ehevertrag lässt sich diese Ungerechtigkeit umgehen.

    Neben der gesellschaftlich-rechtlichen Situation dieser Epoche werden auch medizinische Missstände angesprochen, Hermine Edenhuizen und ihre zunehmend zahlreicher werdenden Kolleginnen setzen sich für eine Verbesserung der Lage armer Patientinnen ein, die sie oft kostenlos behandeln. So fordern sie die Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen.

    Es ist bedauerlich, dass der Roman quasi mit Hermines Eheschließung im Alter von 40 Jahren endet und nur im Epilog kurz auf ihre Tätigkeiten zwischen 1912 und 1931 eingegangen wird. Als Ehefrau lebt sie in einer für die Zeit außergewöhnlichen Partnerschaft auf Augenhöhe und ist weiterhin als engagierte Gynäkologin tätig – diese Phase ihres Wirkens kommt im vorliegenden Werk zu kurz.


    Fazit

    Eine lesenswerte Romanbiographie einer beeindruckenden Persönlichkeit, die gern hätte umfangreicher sein dürfen!

    8 Punkte

    ASIN/ISBN: 3492063098