ASIN/ISBN: B0BMM6Y8JQ |
Verlagsinformation:_
Das Tor zum Süden.
Göschenen, 1872: Helene begleitet ihren Vater oft auf seinen Fahrten über den gefährlichen Gotthardpass. Als ein Tunnel durch den Berg gebaut werden soll, fürchten die Fuhrhalter um ihre Existenz, die Bergarbeiter aus Italien sind Anfeindungen ausgesetzt. Auch wenn ihre Eltern dem Mineur Piero ein Zimmer auf ihrem Hof anbieten, weiß Helene, dass sie eine Verbindung zu dem temperamentvollen Italiener niemals billigen würden – und doch geht er ihr nicht mehr aus dem Kopf. Als es im Tunnel immer häufiger zu schweren Unfällen kommt, muss sie schon bald um Pieros Leben bangen ...
Die epische Geschichte eines kühnen Bauvorhabens und einer Liebe, die nicht sein durfte.
Mein Hör-Eindruck:
Der Bau des Gotthardtunnels war im ausgehenden 19. Jahrhundert eine aufsehenerregende Meisterleistung der Ingenieurskunst. Der Tunnel war konzipiert als doppelgleisiger Eisenbahntunnel, damals der längste Eisenbahntunnel der Welt, und nach wie vor verbindet er Göschenen in der Schweiz mit dem norditalienischen Airolo.
Karin Seemayer widmet sich diesem eigentlich eher spröden Thema und reichert es mit verschiedenen anderen Themenkomplexen an, sodass eine lebendige Geschichte entsteht. In erster Linie ist das eine Liebesgeschichte, die nach allerhand dramatischen Hindernissen und Ereignissen das erwartete Happy-End findet.
Daneben erfährt der Leser Interessantes über die Sozialstruktur des Dorfes Göschenen und dessen Veränderung durch die gewaltige Baumaßnahme und den damit verbundenen Zuzug von Arbeitern, die wegen ihrer Fremdheit misstrauisch beäugt wurden. Der Tunnelbau sorgt für innerdörfliche Verwerfungen v. a. bei der Gruppe der Fuhrwerker, die um ihr Überleben fürchten. Nicht jeder wagt den Sprung in die neue Zeit des Industrie-Zeitalters, und nicht jeder kann die veränderte Situation als Chance begreifen. Hier gelingen der Autorin sehr anschauliche Bilder, wenn sie z. B. die gefährliche Fahrt über den Gotthard-Pass mit seinen Haarnadelkehren und halsbrecherischen Brücken beschreibt und damit die Notwendigkeit eines Tunnelbaus verdeutlicht. Auch die Beschreibungen von Natur und Wetter sind eindringlich und lassen im Kopf des Lesers deutliche Bilder entstehen. Sie zeigen auch, dass die Autorin weiß, wovon sie spricht und diese Gegend ganz offensichtlich bereist hat.
Insgesamt besticht der Roman durch eine akribisch-genaue Recherche, sei es zur Einrichtung der Baustelle, den teils unmenschlichen Arbeitsbedingungen, zum Einsatz des neuen Sprengstoffs Dynamit und so fort. Die Autorin hat aber nicht den Ehrgeiz, ihr gesammeltes Wissen auszubreiten, sondern sie wählt aus. Damit hält sie den Roman in einer guten Balance und vermeidet eine Überfrachtung mit Sach-Informationen.
Überhaupt zeigt die Art und Weise, wie Sachinformationen vermittelt werden, großes erzählerisches Geschick. Hier gibt es keine Belehrungen des Lesers seitens einer Figur, keine hölzernen und damit unrealistischen Dialoge oder ähnliches. Stattdessen wird historisches und technisches Wissen immer über die Handlung transportiert und geschmeidig mit der Handlung verwoben.
Ich habe den Roman als Hörbuch gehört, eingelesen von Sophie Hutter. Sophie Hutters Vorlesen macht das Zuhören zu einem Vergnügen. Bei diesem Roman kommt ihr zugute, dass sie Schweizerin ist. Daher liest sie die Dialoge mit dem besonderen Schweizer Zungenschlag, und so wirken die Dialoge sehr lebendig und authentisch, und die Figuren gewinnen zusätzliche Plastizität. Sehr gelungen!
09/10 Pkt.