Zeitzuflucht - Georgi Gospodinov
Übersetzt von Alexander Sitzmann
Originaltitel : Vremeubezhishte (Janet 45, Plovdiv, Bulgarien, 2020)
Herausgeber : Aufbau (2022)
Sprache : Deutsch
Gebundene Ausgabe : 342 Seiten
ISBN-10 : 3351038895
ISBN-13 : 978-3351038892
Inhalt:
In Georgi Gospodinovs Roman trifft der Erzähler auf Gaustín, einen Flaneur, der durch die Zeit reist. In Zürich eröffnet Gaustín eine »Klinik für die Vergangenheit«, eine Einrichtung, die Alzheimer-Kranken eine inspirierende Behandlung anbietet: Jedes Stockwerk ist einem bestimmten Jahrzehnt nachempfunden. Patienten können dort Trost finden in ihren verblassenden Erinnerungen. Aber auf einmal interessieren sich auch immer mehr gesunde Menschen dafür, in die Klinik aufgenommen zu werden, in der Hoffnung, den Schrecken der Gegenwart zu entkommen. Und schließlich sind es sogar ganze Länder, die Gaustíns Idee von den Vergangenheitsräumen folgen werden, und in frühere Zeiten zurückkehren wollen... Ein glänzender, hochpolitischer Roman, durchzogen von dunklem Witz, der uns eine neue Art eröffnet, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zusammenzudenken.
Der Autor:
Georgi Gospodinov wurde 1968 in Jambol, Bulgarien, geboren. Einem großen internationalen Publikum wurde er mit seinem ersten Roman bekannt, dem »Natürlichen Roman« sowie dem Roman »Physik der Schwermut«, die in mehr als zwanig Sprachen übersetzt wurden. Gospodinov wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u. a. zweifach mit dem bulgarischen Buchpreis und dem Jan Michalski-Preis. Für seinen Roman »Zeitzuflucht« erhielt er 2023 den International Booker Prize. Er lebt und arbeitet in Sofia.
Mein Leseeindruck:
Das Buch hat mich schon lange interessiert, da es in verschiedenen Literaturmagazinen sehr positiv besprochen wurde. Ausschlaggebend für den Kauf war dann die Verleihung des Internationalen Booker-Preises, denn die Booker-Prize-Gewinnerbücher liegen meist auf meiner Wellenlänge. So ganz überzeugen konnte mich das Buch aber doch nicht.
Die Idee mit den "Zufluchtszimmern" und was dann daraus entstand, finde ich aber nach wie vor genial. Die Idee, für Alzheimer- bzw. Demenzkranke Zimmer in deren Zeit einzurichten, in denen sie sich zuhause fühlen können, ist so einleuchtend, dass ich mich frage, ob es das nicht schon irgendwo gibt. Dass auch gesunde Menschen dies in Form von "Zeithotels" nutzen wollen, erscheint mir ebenso logisch. Wenn mich die Gegenwart beutelt, würde ich auch manchmal gerne zurückreisen in eine Zeit, in der ich noch mehr Zukunft vor mir habe und weniger über sie weiß als jetzt. Und auch wenn das nur ein Hotel ist - her damit.
Witzig fand ich, wie der Autor beschrieb, welche Länder sich im Zeitreferendum für welches Jahrzehnt entschieden haben. Das ist großartig beobachtet. Der Autor beschreibt die Zeit des Wahlkampfes und des Referendums ausführlich, während er sich in Bulgarien aufhält. Leider tun sich hier bei mir größere Wissenslücken auf, von bulgarischer Geschichte weiß ich so gut wie gar nichts. Hier musste ich dann doch viele Sachen googeln, z. B. den Aprilaufstand oder das Massaker von Batak.
Gar nicht mehr lustig geht es dann weiter, denn nach der anfänglichen Euphorie über das Referendum beschreibt der Autor, was aus zu viel Reenactment werden kann. Und dass die verklärte Vergangenheit auch Seiten hat, die einem gar nicht gefallen, wenn man erst mal wieder drinsteckt.
Wie gesagt, die Grundidee und die Auswirkungen darauf finde ich super interessant. Allerdings haben mich mit der Zeit die Einschübe des Autoren gestört und später auch gelangweilt, in denen er sich mit dem ominösen Dr Gaustin unterhält. Ein roter Faden hätte dem Buch auch gut getan. Manchmal wusste ich überhaupt nicht, was der Autor mit dem einen oder anderen Kapitel beabsichtigt. Es ist kein Buch, das ich noch einmal komplett lesen würde.
ASIN/ISBN: 3351038895 |