Rainer Cordts - Leanders Passion

  • Leanders Passion
    erschienen: Mai 2004
    Heyne Verlag
    432 Seiten
    ISBN: 3-453-87956-2



    Rückentext:
    Größer als das Leben und unbarmherziger als der Tod.


    Deutschland, Mitte des 18. Jahrhunderts: Seit seiner Kindheit ist Leander Lautenschläger mit einer außerordentlichen Gabe gesegnet: Er ist ein Musikgenie. Doch als sein Vater in einem Anfall von Eifersucht die Mutter erschlägt, flieht der Zwölfjährige in eine Welt ohne Töne und ohne Stimmen. Von nun an irrt der Taubstumme als Wanderbursche durch die Lande, getrieben von einer einzigen Idee: Das absolute Meisterwerk zu komponieren. Eines Tages entdeckt er, dass einzig die Frauen ihm wieder Zugang zu Welt der Töne verschaffen können. Er muss sie lieben und ihre Lust ins Unermessliche steigern.


    Klappentext:
    Ludwigsburg 1756. Während am Hofe des Großherzogs Carl Eugen von Württemberg alles der Eröffnung des prunkvollen Opernhauses entgegenfiebert, werden in den nahe gelegenen Wäldern die Leichen zweier Frauen aufgefunden. Von dem Täter fehlt jede Spur.
    Zur gleichen Zeit gelangt der taubstumme Leander Lautenschläger in die Stadt. Der eigenbrötlerische, musikalisch hoch begabte Wanderbursche ist entschlossen, ein Meisterwerk zu komponieren. Seine Inspiration sind Frauen. In ihrer Nähe eröffnen sich Leander für kurze Zeit Klangwelten, die seinem toten Gehör ansonsten verschlossen bleiben. Als er Hertha begegnet, glaubt Leander sich am Ziel. Denn Hertha allein entfesselt sein Genie und seine Leidenschaft. Sie allein kann ihn erlösen. Doch als wenig später der vermeintliche Frauenmörder gefasst wird, melden sich die Geister der Vergangenheit zurück, und Leander muss sich entscheiden, ob er seiner Passion folgen soll - auch wenn es ihm sein Leben kostet.


    Der Autor:
    Rainer Cordts, 1954 geboren, studierte Geschichte und Französisch in Bonn. Er war lange Zeit als Journalist und im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit tätig, bevor er sich entschloss, Schriftsteller zu werden. "Leanders Passion" ist sein erster Roman. Rainer Cordts lebt mit sener Familie in Langen bei Frankfurt am Main.


    Meine Meinung:
    Die Geschichte fängt mit einem Knall an, gleich im ersten Kapitel wird der Tod eines Raben sehr blutig beschrieben, außerdem erfährt man davon, dass jemand eine Frau in einem Erdloch gefangen hält und sie ängstigt, bis sie schreit, denn durch ihre Schreie klingen in ihm Töne an. Sofort ist klar, dass "er" Leander ist, ein tauber und stummer Wandersbursche, der aus den Kleidern seiner Opfer Fußlappen (Statt Schuhen) macht. Dieses Detail verrät ihn später noch.


    Leander trifft auf seiner Reise den Komponisten Paul Tiefenbacher und seine Frau Hertha. Tiefenbacher wurde als Hofkomponist nach Würtemberg gerufen. Über Umwege schlägt sich auch Leander dorthin durch. Und so entwickelt sich die Geschichte weiter, bis sie wiederum mit einem Knall endet.


    Immer wieder wird in Rückblenden die Kindheit und frühe Jugend Leanders erzählt, so dass das Bild von ihm "rund" wird. Die Person "Leander" hat gute und schlechte Seiten, ich wusste nie so recht, ob er mir leid tut oder ob ich ihn abstoßend finde. Er ist sehr sensibel, leidet geradezu unter seiner Leidenschaft. Beim Bau der Oper, wo er als Zimmermann mithilft, entlädt sich seine Qual in der Liebe zum Holz.


    Auf jeden Fall war die Geschichte sehr spannend geschrieben, ich habe anhand des Rückentextes allerdings mehr Erotik erwartet und weniger Spannung. Erst der Text auf der inneren Klappe versprach mehr. Erschreckend z.B. war die Schilderung mehrerer Hinrichtungen, aber so fesselnd geschrieben, dass ich nicht absetzen konnte.


    Interessantes Detail: Die Kapitelüberschriften. Sie hatten meist mit Musik zu tun. z.B.
    1. Teuflischer Tritonus
    13. Harmonielehre
    25. Chromatische Fantasie und Fuge
    41. Revolutionsetüde


    Fazit: Empfehlenswert. Eine spannende Geschichte, in der die Liebesgeschichte zu Frauen eher eine Nebenrolle einnimmt, während die Liebe zur Musik im Vordergrund steht. Daneben die historischen Details. Für mich rundum gelungen.

  • Hallo Geli73,


    vielen Dank für die schöne Rezi. Ich hatte das Buch schon ein paar Mal in der Hand, konnte mich aber nie entschließen, weil ich immer Angst hatte, daß es eine Kopie von "Das Parfum" ist. Aber thematisch reizt es mich sehr, gerade diese Verbindung zwischen Musik und Historie lockt mich.


    Ich sehe schon, es muß auf meine Wunschliste.


    Bye
    Pelican :wave

  • Ein Buch, das ich auch empfehlen kann: wunderbare bildhafte Sprache und sehr dichte Atmosphäre. Der Protagonist war mir von Herzen zuwider, hat mich aber gleichzeitig fasziniert. Wie es Psychopathen oft an sich haben. Der Autor hat meines Erachtens sehr gut recherchiert - in jeder Beziehung.

    Kinder lieben zunächst ihre Eltern blind, später fangen sie an, diese zu beurteilen, manchmal verzeihen sie ihnen sogar. Oscar Wilde

  • Absolut tolles Buch.


    Erinnerte mich an einen historischen Hannibal Lecter. :lache :lache :lache

    Die Geschichte lehrt die Menschen, daß die Geschichte die Menschen nichts lehrt.


    Mahatma Gandhi, indischer Freiheitskämpfer

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  • Hallo @ll,
    ich habe das Buch bei einer Leserunde gelesen und war begeistert. Hier poste ich mal meine Rundum-Meinung, die ich dort bei der Leserunde kundgetan habe:


    Ich muss sagen, dass ich das Buch einfach so im Buchladen bestellt habe, ohne eigentlich zu wissen, worum es geht. Ich wollte halt bei der Leserunde mitmachen und hatte noch Geld auf meinem Weihnachtsgutschein. Ich hatte nur noch von irgendjemanden aus dem Thread "Liebesroman" im Hinterkopf, was eigentlich nicht unbedingt mein Ding ist, aber: "bestellt ist bestellt" und historische Romane lese ich ja schließlich auch gerne. Dann las ich den Text hinten auf dem Buch und dachte bei "...dass einzig die Frauen ihm wieder Zugang zur Welt der Töne verschaffen können. Er muss sie lieben und ihre Lust ins Unermessliche steigern ..." : oh jeh, hoffentlich wird da nicht so viel "gerammelt" und tolle "Liebe gemacht" wie z.B. bei der Highlandsaga mit Claire und ihrem Super-Lover.


    Dann dachte ich mir, fang' mal rechtzeitig mit dem Lesen an, damit du die ersten Kapitel bis zum 15.1. auch schaffst.
    Und schon auf der ersten Seite wurde ich erst einmal geschockt. Das blutige Auge der Krähe, die dann in den Gedärmen hing, ließ mich tief durchatmen (Nun müsst ihr wissen, dass ich bei "Augen" extrem empfindlich bin, wenn ein Kind etwas im Auge hat, schicke ich es immer zu jemand anderem und Augentropfen sind mir ein Gräuel). Dann wurde mir schnell klar, dass das mit den Frauen auch nicht so war, wie ich es erwartet hatte, sondern dass Leander ein sadistischer Frauenmörder ist.


    Da kamen mir erst mal Assoziationen zu Süsskinds "Parfüm" und dachte: "Na Klasse, dasselbe in taub!"


    Doch ich las weiter und lernte Hertha und Paul kennen und auch die derbe Sprache und die realistische Schilderung des Gasthauses fand ich gelungen. Ich wollte wissen, wie es weiter geht. Und beim ersten Rückblick in Leanders Kindheit hat mich die Geschichte dann endgültig gepackt. Leander fing an, mir Leid zu tun und er wurde mir sympathisch. Ich wünschte mir, dass er doch nicht erwischt wird und alles "irgendwie gut" ausgehen soll. Und es gab immer wieder neue Erzählstränge (z.B. der Stadtkommissar, in der Sägemühle, im Schloss, Kindheitsszenen) die spannend und stimmig auf ein - wie auch immer geartetes Zusammenfügen - neugierig machten.


    Der Schreibstil hat mich auch gepackt, die Menschen, Gerüche und Töne wurden greifbar (wunderschön fand ich, wie Leander die Töne als Farben wahrnimmt, dass machte auf Eisenmanns "Sonocouleur" neugierig und was Leander damit wohl machen wird.)


    Kurzum, ich gestehe, dass ich zu neugierig wurde und das Buch schon in einem Rutsch ausgelesen habe.


    grüße von missmarple

    "Ein Archäologe ist der beste Ehemann, je älter eine Frau wird, um so mehr interessiert er sich für sie."
    Agatha Christie

  • Hallo Pelican,
    die Leserunde ist schon 'ne Weile her (Januar), aber ich fand sie gut, zumal auch der Autor selbst mit von der Partie war. War nur für mich doch etwas ungünstig, dass ich das Buch bereits zu Beginn der Leserunde aus hatte, da musste ich mich mit dem Wissen, wie's weitergeht bei manchen Spekulationen in früheren Kapiteln zurückhalten.
    Aber wie ich bereits schilderte, wenn mich ein Buch packt, bringe ich nicht die Selbstdisziplin auf, es zwischendurch zu unterbrechen. Ich bin wohl kein Leserunden-Typ.


    grüße von missmarple

    "Ein Archäologe ist der beste Ehemann, je älter eine Frau wird, um so mehr interessiert er sich für sie."
    Agatha Christie

  • Danke für Eure Rückmeldungen :-)


    Das Buch fing nicht so leicht an, daher mein 2. Versuch, aber wenn man drin ist, was doch relativ schnell geht, ist man drin.


    Witzigerweise hatte ich dieses Buch im Kopf, als ich Ines Thorns "Maler Gottes" gelesen habe. Ich habe während des Lesens immer daran gedacht, dass ich unbedingt Leander weiterlesen muss und es zu dem Zeitpunkt "passt", und genau so war es auch.


    Also: :bruell LESEN :-)

  • Zitat

    Original von geli73
    Fazit: Empfehlenswert. Eine spannende Geschichte, in der die Liebesgeschichte zu Frauen eher eine Nebenrolle einnimmt, während die Liebe zur Musik im Vordergrund steht. Daneben die historischen Details. Für mich rundum gelungen.


    Habe das Buch inzwischen gelesen und stimme dem zu. Da ich Bücher sehr mag, in denen die Protagonisten eben nicht die 08/15-Typen darstellen, gefiel mir die Figur Leander natürlich ganz besonders gut. Hinzu kommt, dass der Autor in einer fesselnden und schönen Sprache erzählt, sodass man sich von dem Buch nur sehr schwer losreißen kann.
    Für Freunde ungewöhnlicher historischer Romane absolut empfehlenswert!


    Viele Grüße
    Kalypso

  • Ich habe "Leanders Passion" schon seit Ewigkeiten in meinem SUB. Aufgrund einiger schlechter Kritiken habe ich es immer weiter nach unten verbannt. Aber jetzt, wo ich sehe, dass das Buch so große Begeisterung ausgelöst hat, muss ich es doch bald mal lesen :-)

  • Zitat

    Original von nic
    Aufgrund einiger schlechter Kritiken habe ich es immer weiter nach unten verbannt. Aber jetzt, wo ich sehe, dass das Buch so große Begeisterung ausgelöst hat, muss ich es doch bald mal lesen :-)


    Ich kann mir gut vorstellen, dass sanften Gemütern das Buch bzw. die Figuren zu abgründig sind und die Sprache zu offen ist und es von daher nicht gefällt.
    Wie gesagt, mir hat es aber sehr gefallen - ist eben wieder Geschmacksache.


    Viele Grüße
    Kalypso