'Bergleuchten' - Kapitel 16 - 24

  • Das lag sicher auch daran, dass die Fluktuation ziemlich hoch war. Wenn es den Leuten zu viel wurde, sind sie gegangen. Es kamen immer genügend Arbeiter nach. Man schätzt, dass ca. 5000 - 6000 Arbeiter insgesamt am Tunnelbau beteiligt waren.

    Was dann deshalb auch kein Anlass war, die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Wenn einer krank wurde oder starb, oder nicht mehr wollte und konnte, standen vermutlich 10 neue da um zu übernehmen.

  • Was dann deshalb auch kein Anlass war, die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Wenn einer krank wurde oder starb, oder nicht mehr wollte und konnte, standen vermutlich 10 neue da um zu übernehmen.

    Genau so.


  • ... oder in der Berliner Gewerbeausstellung Ende des 19. Jahrhunderts, wo "Wilde" ausgestellt wurden zusammen mit einem Eingeborenendorf. Und, wenn ich mich richtig erinnere, von Ärzten der Charitè vermessen wurden.

    Ähnlich schreckliche Dinge passierten leider überall. Wenn ich nur daran denke, dass Schädel aus Ostafrika während der Kolonialzeit nach Deutschland gebracht wurde um sie zu vermessen. Lange wurde darum gestritten, nun wurden sie den Ländern angeboten.

  • Ich konnte mich jetzt ein paar Tage nicht melden - die Arbeit hält mich zu sehr auf Trab. **seufz** Aber umso schöner ist es dann in die Gotthard-Bergwelt eintauchen zu können. :-] Und hier zeigt es sich Mal wieder, was ich an Leserunden so liebe! Und vor allem KarinS ' Begleitung ist das i-Tüpfelchen bei dieser besonderen Lektüre. :love:


    Das Buch begeistert mich immer mehr. Das Kopfkino läuft auf Hochtouren und ich befinde mich mitten drin in einem spannenden, schönen und auch informativen Plot. Genau SO etwas macht das Lesen zum schönsten Hobby überhaupt! :-]


    Johannas Schicksal hat mich auch sehr erschüttert. Ich hatte von dieser Vorgehensweise noch nicht gehört und ich muss mich Mal erkundigen, ob das so bei uns auch so gehandhabt wurde. Da die Kantone von den Denkweisen und Mentalitäten her sehr unterschiedlich sind, denke ich eher, dass das nicht überall im Land so war. Ich hoffe es jedenfalls sehr...

    Aber, wenn man mal überlegt, WANN es das Frauenwahlrecht in der Schweiz gab, dann wundert es einen nicht mehr.....

    Auf Landesebene war das "schon" 1971. :zwinker In den Landsgemeinden (östliche Kantone) hat es ja noch länger gedauert, bis die Frauen mitwählen durften. Allerdings heisst es, die Frauen hätten den Männern Daheim eingebläut, was sie zu wählen haben. :groehl


    Noch jemand, der weiter gelesen hat - ich bin auch übers Ziel hinausgeschossen mit meinem Hörbuch, weil die Geschichte so süffig ist!

    "Süffig" ist tatsächlich das perfekte Wort. :) Ich hatte ja auf dem Arbeitsweg immer weiter gelesen und ab und an auch gehört, so dass ich auch schon weiter bin. Jedenfalls ist es mir immer schwer gefallen, an "meiner" Haltestelle auszusteigen, weil ich viel lieber weiter gelesen hätte.

    Ich dachte, sie wäre streng calvinistisch gewesen, aber die waren auch nicht nachsichtiger als die Katholiken.

    Wenn ich es richtig in Erinnerung habe, ist die römisch-katholische Kirche am stärksten vertreten - auch hier wieder je nach Kanton. Ich bin zum Beispiel auch sehr streng katholisch aufgewachsen - und mit "streng" meine ich das so. Ich erinnere mich daran, dass in der Kirche die Frauen und Männer getrennt saßen und es gab noch keine Handkommunion. Meine Mama kommt aus dem französisch-sprachigen Teil der Schweiz, der immer schon etwas "weiter" war, also auch offener. Mein Papa stammt aus dem erzkatholischen Oberwallis - meine Mama war dann auch die erste Frau, die im Heimatdorf meines Vaters ohne Kopftuch in die Kirche gegangen ist. :-]

    Wenn ich so eure Gedanken lese und mich erinnere, wie es war, als ich noch Kind war - ist ja jetzt auch noch nicht soooo lange her :zwinker - zeigt sich schon ein sehr "hinterwäldlerisches" Bild meiner Heimat. :konfusZum Glück gibt es auch gute Seiten. :grin

  • Das Buch begeistert mich immer mehr. Das Kopfkino läuft auf Hochtouren und ich befinde mich mitten drin in einem spannenden, schönen und auch informativen Plot. Genau SO etwas macht das Lesen zum schönsten Hobby überhaupt! :-]

    :love:



    Zitat

    Johannas Schicksal hat mich auch sehr erschüttert. Ich hatte von dieser Vorgehensweise noch nicht gehört und ich muss mich Mal erkundigen, ob das so bei uns auch so gehandhabt wurde. Da die Kantone von den Denkweisen und Mentalitäten her sehr unterschiedlich sind, denke ich eher, dass das nicht überall im Land so war. Ich hoffe es jedenfalls sehr...

    Wenn ich die Quellen richtig lese, gab es das auch in Uri gegen Ende der 1870er nicht mehr. Da gab es irgendeine Reformation der Gesetze.

  • - und mit "streng" meine ich das so. Ich erinnere mich daran, dass in der Kirche die Frauen und Männer getrennt saßen und es gab noch keine Handkommunion.

    Nun, ich würde meine Herkunft und Kindheit nicht unbedingt als "streng katholisch" bezeichnen (obwohl, hm ...???), aber das kenne ich auch noch so. Und es war nicht unbedingt üblich, daß wir als Familie komplett auf der "Männerseite" in der Bank saßen (und nicht nach Geschlechtern getrennt). Männer mußten die Kopfbedeckung abnehmen, Frauen "durften" sie auf behalten. Allerdings hatten nicht alle Frauen, soweit ich mich erinnere (ist ja schon ein paar Jahrzehnte her) eine Kopfbedeckung auf. Die Handkommunion wurde ja erst deutlich nach dem Konzil eingeführt; ob es die zu der Zeit, als ich Erstkommunionkind war, schon gab, weiß ich nicht mehr (ich glaube, eher nicht).


    Übrigens war ich bisher der Meinung, daß die Schweiz überwiegend evangelisch sei. Wieder etwas gelernt.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Übrigens war ich bisher der Meinung, daß die Schweiz überwiegend evangelisch sei. Wieder etwas gelernt.

    Das dachte ich auch. Hatte Calvin nicht ziemlich großen Einfluss auf die Gläubigkeit und die Sitten dort?

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    Von den vielen Welten, [...] ist die Welt der Bücher die größte. (Hermann Hesse)


    :lesend U. T. Bareiss: Green Lies - Tödliche Ernte

  • Der Umgang mit Johanna und ihrem Kind ist ja wirklich grauenvoll. X( Ledigen Müttern wurde zu der Zeit wohl überall das Leben schwergemacht, aber ihr das Kind einfach so wegzunehmen finde ich unmenschlich. Arme Johanna! Ich habe mir auch überlegt, ob ihre Eltern das nicht hätten verhindern können, aber das wissen wir nicht. Man muss ihnen zugute halten, dass es so einen Fall in Göschen noch nicht gab und sie selbst vielleicht genauso wie Johanna von den Ereignissen überrollt wurden.


    Umso weniger verstehe ich es, dass sich Helene und Piero in genau die gleiche Gefahr begeben. Bei allem Verständnis für junge Liebe, Leidenschaft und Biologie - Johannas Schicksal und das ihres Kindes müsste ihnen gezeigt haben, was passieren kann! Da sollte dann doch ein Fünkchen Verstand dabei sein, ich hätte beide für verantwortungsvoller gehalten! Auch die Eltern verstehe ich nicht. Zuerst schmeißen sie Piero (logischerweise) raus, aber dann tolerieren sie die Liebesbeziehung stillschweigend. Natürlich hätten sie Helene nicht einsperren sollen/können, aber zumindest ein ernsthaftes Gespräch über die Zukunft wäre doch angebracht gewesen!


    Dass Helene nicht wusste, was da passieren kann, kann ich mir nicht vorstellen. Nicht vergessen: sie ist als Dorfkind mit vielen Tieren in der Natur aufgewachsen, nicht als höhere Stadttochter, die man vom „wahren“ Leben fernhalten kann.

    Verhütet wurde meistens durch Koitus Interruptus, und wie zuverlässig das ist, wissen wir ja. Ich gehe für mich davon aus, das Piero das auch gemacht hat, wollte es aber nicht beschreiben. Hätte ich vielleicht tun sollen?

    Meiner Meinung nach ja. Nicht als direkte Beschreibung (das würde wirklich nicht ins Buch passen;)), aber es hätte ja z. B. vor- oder nachher ein Gespräch stattfinden können, in dem Piero der besorgten Helene versichert, er würde schon „aufpassen“. Das hätte für mich wesentlich besser zu den beiden gepasst, die sich bisher durchaus als verantwortungsvoll gezeigt haben, als dieses gedankenlose Hineinstürzen.


    Ich hoffe nur, es ergeben sich für Helene keine Folgen! Hatten wir ja schon bei Johanna, noch eine unerwünschte Schwangerschaft muss ja wirklich nicht sein. :grin


    Die Liebesgeschichte stand in diesem Abschnitt zumindest stellenweise im Fokus, ich habe aber auch sehr gerne von den Vorgängen im Tunnel gelesen. Wenn ich eure Beiträge hier im Thread richtig interpretiere, hat es auch den Streik der Arbeiter, der gegen Ende des Abschnitts beginnt, tatsächlich gegeben. Da bin ich sehr gespannt, wie das weitergeht! Favre steht ja unter einem wahnsinnigen Zeitdruck, viel Zeit mit den Arbeitern wird er da nicht verplempern wollen. Ich hoffe, dass er gerade deshalb zu Zugeständnissen bereit ist!

    "Alles vergeht. Wer klug ist, weiß das von Anfang an, und er bereut nichts." Olga Tokarczuk (übersetzt von Doreen Daume), Gesang der Fledermäuse, Kampa 2021

  • SiCollier Ayasha ist nach dem Konzil geboren. Zu der Zeit gab es zumindest in Hannover Handkommunion und Paare saßen gemeinsam in den Bänken. Klar, Kinder sollten möglichst nach vorne.

    Manche Bücher müssen gekostet werden, manche verschlingt man, und nur einige wenige kaut man und verdaut sie ganz.
    (Tintenherz - Cornelia Funke)

  • Meiner Meinung nach ja. Nicht als direkte Beschreibung (das würde wirklich nicht ins Buch passen),

    Ich finde das hier im Buch wirklich gut gelöst, also nur andeuten. Auch fand ich es nicht aufgesetzt oder gezwungen nach dem Motto "es muß noch eine Sexszene ins Buch, ist gut für die Verkaufszahlen", sondern für mich ergab es sich aus dem Handlungsverlauf. Es reicht völlig, wenn man weiß, daß "es" passiert - die oft genaueren Beschreibungen in den Romanen finde ich schlicht und ergreifend unpassend.

    Mich stört es in den allermeisten Fällen, daß in heutigen Romanen so oft Sexszenen beschrieben werden. Im "richtigen" Leben gibt es da auch keine Zuschauer (normalerweise jedenfalls ;-) ), warum braucht es das dann im Buch/Film? Das ging doch früher auch ohne (mehr oder weniger explizite Beschreibungen). Ich denke als Paradebeispiel immer an den wunderschönen Film "Der Engel mit dem Saitenspiel" mit Hertha Feiler und Hans Söhnker. Auch ohne daß man die leisteste explizite Szene sieht, weiß man recht bald, daß "es" geschieht.

    ASIN/ISBN: B00U91VQVW


    Gucci Ich bin vor dem Konzil geboren, Erstkommunion war 1967. Wann die Handkommunion bei uns eingeführt wurde, weiß ich nicht mehr. Ich habe noch dunkle Erinnerungen an Erklärungen, vermutlich im Religionsunterricht. Es war (zumindest bis in die zweite Hälfte der 70er Jahre) üblich, daß die Frauen links des Mittelganges und die Männer rechts davon saßen. Ausnahmen bestätigten die Regel (sehr wenige Männer auf der linken Seite, etliche Frauen mit ihren Familien zusammen auf der rechten). Die Kinder saßen - sofern nicht bei den Eltern - ebenfalls nach Geschlechtern getrennt ganz vorne: 1. Reihe die Erstklässler, 2. Reihe die Zweitklässler und so weiter. Wie lange das mehr oder weniger konsequent durchgehalten wurde, weiß ich nicht mehr, ich bin ab Ende der 70er Jahre in eine andere Kirche gegangen, zu der keine Pfarrei gehörte, so daß es da kaum Kinder im Gottesdienst gab. Aber links die Frauen und rechts die Männer war auch da üblich. Ich habe heute noch Probleme, in einem Gottesdienst auf der linken Seite zu sitzen, obwohl diese Trennung längst nicht mehr gilt. Ob das hier, wo ich jetzt wohne, je so war, weiß ich nicht; meine Heimatstadt Aschaffenburg war katholisch, hier in Bad Hersfeld ist es (für mich) Diaspora, also überwiegend evangelisch.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Wenn ich eure Beiträge hier im Thread richtig interpretiere, hat es auch den Streik der Arbeiter, der gegen Ende des Abschnitts beginnt, tatsächlich gegeben. Da bin ich sehr gespannt, wie das weitergeht! Favre steht ja unter einem wahnsinnigen Zeitdruck, viel Zeit mit den Arbeitern wird er da nicht verplempern wollen. Ich hoffe, dass er gerade deshalb zu Zugeständnissen bereit ist!

    Alles, was den Tunnelbau betrifft, auch die Unfälle, die Explosionen usw. haben wirklich so statt gefunden.

  • Es war (zumindest bis in die zweite Hälfte der 70er Jahre) üblich, daß die Frauen links des Mittelganges und die Männer rechts davon saßen. Ausnahmen bestätigten die Regel (sehr wenige Männer auf der linken Seite, etliche Frauen mit ihren Familien zusammen auf der rechten).

    Bei uns war es umgekehrt: Männer links und Frauen rechts. Geändert hat sich das erst, als der Pfarrer wechselte. Ich glaube, solange ein alt eingesessener und wenig aufgeschlossener Pastor für die Pfarre zuständig war, solange bestand er auch auf dem Althergebrachten.

  • SiCollier Ayasha ist nach dem Konzil geboren. Zu der Zeit gab es zumindest in Hannover Handkommunion und Paare saßen gemeinsam in den Bänken. Klar, Kinder sollten möglichst nach vorne.

    Als ich klein war (nicht, dass ich jetzt besonders groß wäre... :lache) war das nicht überall gleich. In meinem Heimatdorf (ein kleines Bergdorf auf 1.200 müM) gab es nur die Mundkommunion und Frauen und Männer getrennt. Im Tal war es schon etwas fortschrittlicher und es gab schon Orte mit Handkommunion. Das hing wohl vor allem vom Ortspfarrer ab, wie konservativ diese eingestellt waren. Bei uns war es auch noch der Pfarrer, der am Sonntag die Erlaubnis erteilte, die Heuernte einzufahren, wenn das Wetter die Tage davor es nicht erlaubt hatte.

    Ich könnte mir vorstellen, dass das in Göschenen auch so war, da es doch auch ein Dorf in einem engeren Tal war - also länger vom Rest der Welt abgeschnitten als andere Orte. :)

  • Bei uns war es auch noch der Pfarrer, der am Sonntag die Erlaubnis erteilte, die Heuernte einzufahren, wenn das Wetter die Tage davor es nicht erlaubt hatte.

    Wow. Der hatte ja richtig "Macht".

    Hollundergrüße :wave



    :lesend


    Ninni Schulman - Den Tod belauscht man nicht

    Hanna Caspian - Im Takt der Freiheit


    (Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin,

    daß er tun kann, was er will,

    sondern daß er nicht tun muß,

    was er nicht will - Jean Rousseau)

  • OT

    Ja, was der Pfarrer gesagt hatte, war quasi Gesetz.

    Hm, das gibt es heute auch noch. Vor einigen Jahren habe ich anderweitig eine Leserunde gemacht, während der es (ich weiß nicht mehr, warum) u. a. um die Todesursache von Franz Schubert, der vermutlich an Typhus gestorben ist, ging. Der Autor meinte, daß er an XY gestorben sei (ich weiß nicht mehr, was genannt wurde), weil der Kaplan das so geschrieben habe. Daraufhin ich, daß ich in medizinischen Dingen doch eher einem Arzt vertrauen würde. Antwort: Aber der Kaplan hat gesagt, und das ist dann endgültig richtig.

    Ähm, da habe ich aufgegeben.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • OT

    OT

    Hm, das gibt es heute auch noch. Vor einigen Jahren habe ich anderweitig eine Leserunde gemacht, während der es (ich weiß nicht mehr, warum) u. a. um die Todesursache von Franz Schubert, der vermutlich an Typhus gestorben ist, ging. Der Autor meinte, daß er an XY gestorben sei (ich weiß nicht mehr, was genannt wurde), weil der Kaplan das so geschrieben habe. Daraufhin ich, daß ich in medizinischen Dingen doch eher einem Arzt vertrauen würde. Antwort: Aber der Kaplan hat gesagt, und das ist dann endgültig richtig.

    Ähm, da habe ich aufgegeben.

    :wow Da hätte auch nichts mehr dazu gesagt....