'Bergleuchten' - Kapitel 16 - 24

  • Gab es dort damals keinen Kuppeleiparagrafen wie in Deutschland? Da hätte Teresia und ihr Mann schon viel eher Schwierigkeiten mit dem Gesetz kriegen können.

    Wenn es den gab, hat sich keiner drum geschert. Es gab ja auch Prostitution in den Tunneldörfern, was eigentlich auch verboten war. Wurde aber lange geduldet. Erst 1879 und 1880 kam es in Göschenenzum Rundumschlag gegen die «unsittlichen» Wirtshäuser. Dabei fiel der Bordellverdacht ebenso auf die Wirtschaft des Francesco Ceresa, in welcher der Italiener Antonio Peduzzi wirtete, wie auf das Café dell' Unione, das von Frau Büchel geführt wurde. Wegen Verdachts auf Prostitution in diesen beiden Häusern wurden sechs Frauen zwischen 14 und 28 Jahren vernommen. Diese Frauen stammten mit Ausnahme Klara Furgers aus Altdorf alle aus benachbarten Kantonen

    Auch interessant:

    Zitat

    Während wir in den Verhörprotokollen und Berichten einiges über «Machenschaften» und Anstellungsverhältnisse der Kellnerinnen erfahren, sind darin die Männer, die mit den Frauen «fleischlichen Umgang» gehabt haben sollen, nur beiläufig erwähnt. Sie wurden selber nicht verhört und sind in den Dokumenten lediglich durch die Fragen und in den protokollierten Aussagen der Frauen gegenwärtig, als «Beischläfer» oder als «Bekannter». Auch wurde die Wirtin Büchel, deren Mann ein Ortsansässiger war, in den Verhören umsichtiger behandelt als der Italiener Antonio Peduzzi.

    Quelle: Binnenkade - "Sprengstoff"

  • In dem Abschnitt passiert ja so Einiges.


    Irgendwas muß in der Vergangenheit mit einer Magd gewesen sein, wenn ich die Reaktion von Helenes Mutter (S. 206) richtig deute.


    Aus der Erzählung von Piero erfährt man seine Herkunftsgeschichte. Sein Bruder ist ja ein übler Geselle - in vielerlei Hinsicht. Er hat Lucia geheiratet, um seinem Bruder weh zu tun. Und er hat sie dann mißhandelt - vermutlich aus ebendemselben Grund. Und dann wird auch noch Piero bestraft, weil er eingreift. Da fehlt mir jedes Verständnis.


    Ein Gleiches gilt später, wie mit Johanna und ihrem Kind umgesprungen wird. Deren Eltern haben nicht mal den Begriff „Rabeneltern“ verdient, denn ich meine mich entsinnen gelesen zu haben, daß Raben sehr gute Eltern seien. Und die "Sitte", die werdende Mutter bei der Geburt nach dem Vater zu fragen - welcher verworrene und kranke Geist kommt auf so eine abstruse Idee?


    Helenes Eltern sind etwas besser, aber wie viel, möchte ich weder durchdenken noch näher ausführen.


    Helene und Piero kommen sich näher, Ruedi (ich nehme an, daß er es war) verpetzt sie, und Piero wird rausgeworfen. Helene widersetzt sich bis zu einem gewissen Grade ihren Eltern, die scheinen es (vorerst?) hinzunehmen - aber wie soll das auf Dauer gehen? Nach Johannas Erfahrung hätte ich gedacht, daß Helene vorsichtiger ist - aber die Biologie fordert halt ihr Recht ein. ;-) Jetzt kann man nur hoffen, daß das keine Folgen hat - sonst was dann?


    Beim Tunnelbau kommt es, wie es eines Tages wohl kommen mußte: die Arbeiter streiken. Erstaunlich, daß das so lange bis dahin gedauert hat.


    Falls noch nicht erwähnt: Seite 215, 1. Zeile: ob man „Gös-chener“ so trennt ist mir doch eher unwahrscheinlich.

    Ein gleiches gilt auf Seite 233, 7. Zeile von oben: „Schofs-eckel“.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Ein Gleiches gilt später, wie mit Johanna und ihrem Kind umgesprungen wird. Deren Eltern haben nicht mal den Begriff „Rabeneltern“ verdient, denn ich meine mich entsinnen gelesen zu haben, daß Raben sehr gute Eltern seien. Und die "Sitte", die werdende Mutter bei der Geburt nach dem Vater zu fragen - welcher verworrene und kranke Geist kommt auf so eine abstruse Idee?

    Die Schweizer sind da wohl besonders vorbildlich gewesen, was das betrifft. Ich habe sowas noch in keinem Buch gelesen.

    Da finde ich die Sitte bei den Maoris, oder waren es die Aborigines? schöner, wenn da eine Frau schwanger war, war es ihr Kind und das des Dorfes, unwichtig, wer der Vater war. Und die sogenannte Zivilisation erdreistet sich, sie als Wilde zu bezeichnen.

  • Und die sogenannte Zivilisation erdreistet sich, sie als Wilde zu bezeichnen.

    Welche Gesellschaft die "zivilisierte" und welche die "wilde" ist, wäre sowieso noch zu diskutieren. In den meisten Fällen, die ich kenne, würde die sich "zivilisiert" nennende im Vergleich zu den von ihr "wild" genannten ziemlich schlecht wegkommen.


    Ich habe mich in meinen Formulierungen sehr zurückgehalten, meine wirklichen Gedanken dazu sind nicht zitierfähig...

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • In dem Abschnitt passiert ja so Einiges.


    Irgendwas muß in der Vergangenheit mit einer Magd gewesen sein, wenn ich die Reaktion von Helenes Mutter (S. 206) richtig deute.


    Ein Gleiches gilt später, wie mit Johanna und ihrem Kind umgesprungen wird. Deren Eltern haben nicht mal den Begriff „Rabeneltern“ verdient, denn ich meine mich entsinnen gelesen zu haben, daß Raben sehr gute Eltern seien. Und die "Sitte", die werdende Mutter bei der Geburt nach dem Vater zu fragen - welcher verworrene und kranke Geist kommt auf so eine abstruse Idee?

    Du deutest richtig.


    Auf den Umgang mit werdenden Müttern von unehelichen Kindern bin ich erst während des Schreibens gestossen. In einer Quelle stand, dass in Uri (!) , ich weiß nicht, wie es in der restlichen Schweiz war, uneheliche Geburten hart sanktioniert wurden. Dann habe ich das Dokument gefunden, dass ich weiter oben verlinkt habe und habe nur noch den Kopf geschüttelt.

  • Welche Gesellschaft die "zivilisierte" und welche die "wilde" ist, wäre sowieso noch zu diskutieren. In den meisten Fällen, die ich kenne, würde die sich "zivilisiert" nennende im Vergleich zu den von ihr "wild" genannten ziemlich schlecht wegkommen.


    Ich habe mich in meinen Formulierungen sehr zurückgehalten, meine wirklichen Gedanken dazu sind nicht zitierfähig...

    Aber ja, das passt doch. Ich habe mich auch vorsichtig ausgedrückt. Da bekomme ich sonst zu viel.

  • Welche Gesellschaft die "zivilisierte" und welche die "wilde" ist, wäre sowieso noch zu diskutieren. In den meisten Fällen, die ich kenne, würde die sich "zivilisiert" nennende im Vergleich zu den von ihr "wild" genannten ziemlich schlecht wegkommen.

    Ich darf Euch beruhigen - kein Historiker verwendet diese Begriffe! Und denkt auch nicht mehr in diesen Kategorien des Imperialismus.

    Schlimm genug, wenn das noch in einigen braun-schwarzen Köpfen spukt...


    Wer sich für Näheres interessiert, dem kann ich dieses spektakuläre Buch nur empfehlen:


    ASIN/ISBN: 3608985085

  • Die Schweizer sind da wohl besonders vorbildlich gewesen, was das betrifft. Ich habe sowas noch in keinem Buch gelesen.

    Da finde ich die Sitte bei den Maoris, oder waren es die Aborigines? schöner, wenn da eine Frau schwanger war, war es ihr Kind und das des Dorfes, unwichtig, wer der Vater war. Und die sogenannte Zivilisation erdreistet sich, sie als Wilde zu bezeichnen.

    Das sind die Aborigines.

  • Danke für den Tipp, habs mir notiert.

  • Ich darf Euch beruhigen - kein Historiker verwendet diese Begriffe! Und denkt auch nicht mehr in diesen Kategorien des Imperialismus.

    Schlimm genug, wenn das noch in einigen braun-schwarzen Köpfen spukt...

    Ich habe auch nicht von Historikern geschrieben. Ich lese viel über den sog. "Wilden Westen", Sachbücher wie Romane. Da wurden die Indianer oft bzw. meist als die "Wilden" bezeichnet oder auch als "dreckige Wilde". Dumm nur, wenn man einen Indianer neben einen solcherart schimpfenden Weißen gestellt hätte: mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit wäre Ersterer sehr sauber und gewaschen gewesen (außer er wäre direkt von der Jagd oder einem Kriegszug zurück...), Letzterer vermutlich ziemlich dreckig und verschwitzt.


    Wer sich für Näheres interessiert, dem kann ich dieses spektakuläre Buch nur empfehlen:

    Danke für den Hinweis, die Inhaltsangabe liest sich sehr interessant. Ob ich allerdings, nachdem ich etwas über den Autor gelesen habe, mit dem Inhalt übereinstimmen werde, steht auf einem anderen Blatt.



    Die Arbeiter im Tunnel brauchten das Geld, um sich und ihre Familien zu ernähren. Daher haben sie lange stillgehalten, doch dann kam der eine Tropfen, der alles zum Überlaufen brachte.

    Ist schon klar, nur wundert mich, daß es bis zu diesem "letzten Tropfen" so lange gedauert hat angesichts der geschilderten Arbeitsbedingungen.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Danke für den Tipp, habs mir notiert.

    Ein faszinierendes Buch. Die Beiden räumen gründlich auf mit Narrativen, die bis heute überlebt haben. Ich fand es spannend zu lesen, dass auch frühe Kulturen als Alternative zu unseren jetzigen Staatsformen gesehen werden können. Auch die oben zitierten "Wilden" mussten Gemeinschaften organisieren, Teilhabe an Entscheidungen durchdenken etc.

    Wie gesagt: faszinierend.

  • Darf ich da mal nachfragen - das sind dann eher ältere Romane, oder? Produkte ihrer Zeit?

    Nicht unbedingt. Falls Du auf Karl May anspielst: nein, von dem habe ich in meiner Jugend Winnetou 1-3 gelesen und seither nichts mehr.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Ich habe auch nicht von Historikern geschrieben. Ich lese viel über den sog. "Wilden Westen", Sachbücher wie Romane. Da wurden die Indianer oft bzw. meist als die "Wilden" bezeichnet oder auch als "dreckige Wilde". Dumm nur, wenn man einen Indianer neben einen solcherart schimpfenden Weißen gestellt hätte: mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit wäre Ersterer sehr sauber und gewaschen gewesen (außer er wäre direkt von der Jagd oder einem Kriegszug zurück...), Letzterer vermutlich ziemlich dreckig und verschwitzt.

    Ja, von Historikern habe ich auch nicht gesprochen, aber wenn man überlegt, dass Hagenbeck in seiner Show, Menschen ausgestellt hat wie Vieh, ach, ich höre einfach auf damit.


    Deshalb lese ich weder Bücher über "Indianer" noch schaue ich mir sogenannte Western. Da kommt mir die Galle hoch.

  • dass Hagenbeck in seiner Show, Menschen ausgestellt hat wie Vieh,

    ... oder in der Berliner Gewerbeausstellung Ende des 19. Jahrhunderts, wo "Wilde" ausgestellt wurden zusammen mit einem Eingeborenendorf. Und, wenn ich mich richtig erinnere, von Ärzten der Charitè vermessen wurden. Wirklich wie Zirkustiere.

    Einer dieser "Wilden" blieb freiwillig in Berlin, lernte die Sprache, arbeitete und wurde schließlich Lokführer - war neulich im Tagesmotto bei google zu sehen.

    von Historikern habe ich auch nicht gesprochen,

    Ich weiß. Ich wollte eigentlich nur sagen, dass solche Begriffe der Vergangenheit angehören.

    Puh, Internet ist manchmal kompliziert.

  • Beim Tunnelbau kommt es, wie es eines Tages wohl kommen mußte: die Arbeiter streiken. Erstaunlich, daß das so lange bis dahin gedauert hat.

    Das lag sicher auch daran, dass die Fluktuation ziemlich hoch war. Wenn es den Leuten zu viel wurde, sind sie gegangen. Es kamen immer genügend Arbeiter nach. Man schätzt, dass ca. 5000 - 6000 Arbeiter insgesamt am Tunnelbau beteiligt waren.