Wie der Westernheld kam ich eines Tages aus dem Nirgendwo. Doch über mich dreht niemand einen Film, keine Lieder singen meine Geschichte, in Romanen hinterlasse ich nur die Abdrücke meiner Finger. Mein Name ist Nobody.
Ich bin unsichtbar. Ich gehöre zu denen, die die Straßen füllen, das Bild beleben, die Menge ausmachen, in deren Mitte dir eine Einzige auffällt. Die bin ich nicht, diese Einzige. Ich bin eine von vielen. Ich bin die, die dir den Platz im Bus oder der U-Bahn wegnimmt, die dich mit ihrem Gepäck anrempelt. Und nur dann falle ich dir auf, für einen Augenblick. Ich trinke zuviel, ich esse das Falsche, ich bin zu laut und bin nicht zu hören.
Aus der Abgeschiedenheit der Provinz zog ich in die Einsamkeit der Stadt. Ich bin in der Menge, die den Frauenschwof zu dem macht, was er ist. Ich fülle die Vernissage, die Lesung, die Party. Du siehst mich und nimmst mich gleichzeitig nicht wahr. Du schaust dich suchend um, deine Augen gleiten über mich, aber sie schweifen rastlos weiter, während mein Blick in atemloser Hast dem deinen nacheilt und dich doch nicht erreicht.
Ich entspreche keinem der üblichen Schönheitsideale. Ich bin nicht mehr jung, meine grauen Haare werden täglich mehr. Ich kleide mich mit mehr Rücksicht auf meine Bequemlichkeit als auf meinen Wunsch wahrgenommen zu werden. Mein Lächeln ist harmlos; unbeschwert, dass meine Zähne schief stehen. Ich bin nicht die, auf die du gewartet hast. Ich bin nicht die, die du suchst. Du siehst mich nicht, wenn du die bist, die ich suche.
Mich gibt es tausendfach. Wie alle bin ich einzig. Und aus uns vielen Farbtupfern macht dein Auge, das schon soviel gesehen hat, ein großes Grau. Dein Blick gleitet über mich, an mir vorbei auf seiner Suche. Das ist kein Vorwurf. Auch meine Augen würden nicht lange auf mir verweilen, und wenn, dann nur, weil sie, müde geworden, nach innen blicken, meinen Geist begleiten, der im Geschauten einen Ruhepunkt sucht.
Ich kenne das. Ich kenne dich. Du schaust so lange ins Nichts, bis ich, entzückt, endlich Aufmerksamkeit geweckt zu haben, eine Geste mache, die dich aus der Träumerei erneut zur Jagd ruft. Ich bin nicht die Beute. Ich bin der Wald.