Klappentext:
Auf einer Anhöhe abseits einer kleinen Stadt am Meer liegt das High House. Dort leben Grandy und seine Enkeltochter Sally sowie Caro und ihr Halbbruder Pauly. Das Haus verfügt über ein Gezeitenbecken und eine Mühle, einen Gemüsegarten und eine Scheune voller Vorräte – die Vier sind vorerst sicher vor dem steigenden Wasser, das die Stadt zu zerstören droht. Aber wie lange noch?
Caro und ihr jüngerer Halbbruder Pauly kommen im High House an, nachdem ihr Vater und ihre Stiefmutter, zwei Umweltforscher*innen, sie aufgefordert haben, London zu verlassen, um im höher gelegenen Haus Zuflucht zu suchen. In ihrem neuen Zuhause, einem umgebauten Sommerhaus, das von Grandy und seiner Enkelin Sally betreut wird, lernen die Vier, miteinander zu leben. Doch das Leben ist anstrengend, besonders im Winter, die Vorräte sind begrenzt. Wie lange bietet das Haus noch die erhoffte Sicherheit?
Ein atemberaubender, emotional präziser Roman über Elternschaft, Aufopferung, Liebe und das Überleben unter der Bedrohung der Auslöschung, der unter die Haut geht und zeigt, was auf dem Spiel steht.
Zur Autorin und zur Übersetzerin (Quelle: Verlag):
Jessie Greengrass, geboren 1982, studierte Philosophie in Cambridge und London, wo sie heute noch lebt. Ihre Erzählungssammlung »An Account of the Decline of the Great Auk, According to One Who Saw It« wurde mit renommierten britischen Literaturpreisen ausgezeichnet. Mit ihrem ersten Roman steht sie auf den Shortlists mehrerer Preise und gilt als eine der vielversprechendsten englischen Autorinnen..
Andrea O’Brien, geboren 1967, übersetzt seit fast 20 Jahren zeitgenössische Literatur aus dem Englischen. Für ihre Übersetzungen wurde sie mehrfach ausgezeichnet, zuletzt mit dem Übersetzerstipendium des Freistaat Bayern und dem Literaturstipendium der Stadt München.
Mein Lese-Eindruck:
Was für ein beklemmendes Buch!
Die Autorin erzählt von einer Dystopie, die eigentlich keine mehr ist. Das, was sie als Endzeitszenario schildert, gibt es bereits, und das macht die Lektüre so beklemmend: Dürren, Stürme, Starkregen, das Ansteigen des Meeresspiegels, Insektensterben, Migrationsbewegungen, Überschwemmungen und Waldbrände. Man denke nur an die momentanen heftigen Waldbrände in Kanada, deren Rauch das Leben in New York erschwert.
Die Autorin geht nur einen winzigen Schritt weiter: die klimatischen Verhältnisse werden zur Katastrophe, und eine Art Sintflut bricht über England herein. Eine Klimaforscherin, die jahrelang mit ihrem Mann für den Klimaschutz gekämpft hat, erkennt die Erfolglosigkeit ihres Engagements und baut für die beiden Kinder der Familie eine Art Arche Noah: ein hochgelegenes Haus, das ehemalige Sommerhaus der Familie, wird ausgestattet mit allem, was das Überleben der Kinder auf Jahre hinaus sichern soll: vom Saatgut angefangen über Lego-Spielzeug für den kleinen Paul, Kleidung, Papier, Medikamente etc. bis hin zur autarken Strom- und Trinkwasserversorgung.
Die Mutter sorgt auch dafür, dass ein pensionierter Hausmeister aus dem Nachbardorf und seine Enkelin in das Haus miteinziehen. Sie bringen handwerkliches und landwirtschaftliches Wissen mit und sichern damit ihr gemeinsames Überleben.
Dieses Überleben ist alles andere als ein Ferienaufenthalt, sondern wird zunehmend geprägt von der täglichen Mühsal der Nahrungsbeschaffung und der Angst vor der Zukunft.
Der Roman entwickelt keine Spannung, sondern lässt abwechselnd die drei jungen Menschen zu Wort kommen, die in verschiedenen Zeitebenen erzählen. Diese Mehrdimensionalität des Erzählens schafft ein breit gefächertes und eindrucksvolles Bild. In dieses Bild fügt die Autorin auch ethische Fragen ein: es geht um das Verhalten gegenüber Flüchtlingen, um das Recht des Stärkeren, und es geht auch um das Verhalten gegenüber einem Todkranken. Diese Fragen und andere werden sehr verhalten nur kurz gestreift, teilweise nur in Andeutungen formuliert– hier wäre ein längeres Verweilen gelegentlich sinnvoll gewesen.
Insgesamt: ein beeindruckender Roman über eine Arche, die das Überleben sichert – aber wie lange? Und wofür?
09/10 Pkt.
ASIN/ISBN: B0BJMLCJW4 |