Judith Schalansky - "Von Krähen, Schmetterlingen und Brennnesseln"

  • Judith Schalansky "Von Krähen, Schmetterlingen und Brennnesseln"


    Bereits eine Woche liegt die Lesung aus der Reihe Naturkunden zurück und deren Vorstellung hätte an kaum einem schönerem Ort als dem Literaturhaus zu Kiel stattfinden können, das sich im malerischen Alten Botanischen Garten befindet und sich an diesem Tag in den schönsten Frühlingsfarben zeigt.

    Auch wenn die Veranstaltung unter dem Titel "Von Krähen, Schmetterlingen und Brennnesseln" steht, geht es an diesem Abend um weit mehr.

    Entgegen der üblich verdächtigen Lesungsbesucher findet sich im Literaturhaus ein übersichtliches Publikum ein, das sich über ein literarisches Maß hinaus für Natur begeistert, was in ersten Gesprächen vor der Lesung deutlich wird.

    Eine Dame, die neben mir sitzt, hat sich am Büchertisch bereits mit drei Büchern eingedeckt, u.a. mit dem Band über Schnecken und erzählt mir mit leuchtenden Augen, wie sie Schnecken beobachtete, die über eine verendete Artgenossin herfielen und zugleich von einer einzigartigen Faszination ergriffen wurde, als sie sah, wie Schnecken mit ihrem Schleim einen toten Fasan bedeckten. Das Ehepaar hinter uns schüttelt sich und vielleicht ist es besser, dass in in diesem Moment Judith Schalansky als Herausgeberin der Reihe Naturkunden zu erzählen beginnt.

    Eigentlich ist Judith Schalansky in Kiel nur auf der Durchreise nach Norwegen, denn dort wird ihr wenige Tage später als neunte von 100 Autoren die Ehre zuteil, einen nicht veröffentlichten und geheimen Text in einem Wald mit 1000 Setzlingen Fichten zu hinterlegen, der im Jahr 2114 auf dem Papier dieser Fichten gedruckt werden soll. Natürlich verrät Judith Schalansky an diesem Abend nichts über ihren Text, doch erzählt sie von ihren Zweifeln, wovon sie der Nachwelt berichten soll und stellt die Frage in den Raum, ob ein derartiges Kunstprojekt nur in Norwegen möglich sei, da man im hohen Norden ein besonderes Verhältnis zum Wald pflege.


    Nach diesem kurzen Abstecher nach Norwegen plaudert die Herausgeberin von den Ursprüngen der Reihe Naturkunden, von Nature Writing und noch immer der Suche nach einer passenden Übersetzung für dieses Genre. Mittlerweile umfassen die Naturkunden über 50 Bände, die sich nicht wissenschaftlich, sondern völlig unterschiedlich einem naturkundlichen Thema nähern. Allen gemein ist die Symbiose aus Text und Buchgestaltung, kein Band ähnelt einem anderen.

    Einige Bände bringt Judith Schalansky an diesem Abend mit, berichtet, was es mit dem pinkfarbenen Vorsatz im Band über Esel auf sich hat und warum es niemals ein Buch über Katzen geben wird. Unterhaltsam gestaltet sich die Vorstellung der Naturkunden zudem, da Judith Schalansky anekdotisch und amüsant in den Dialog mit dem Publikum tritt und als sie von einem Autor erzählt, der sie drängt ein Buch über Eschen herauszubringen, stellt sie dem Publikum die Frage: "Würden Sie etwa ein Buch über Eschen lesen?", deren Antwort aus den ersten Reihen mit einem: "Jaaa!" raunt und die Herausgeberin in großes Erstaunen versetzt.

    Freimütig erwähnt sie, dass der Band über Schleim sich am schlechtesten verkauft hätte. Schade denke ich später, als ich vor dem Büchertisch stehe und es kein Exemplar zu kaufen gibt, hatte ich in Gedanken dieses Buch, natürlich signiert, schon verschenkt.

    Neben den Naturkunden geht es an diesem Abend auch um die Menschen hinter den Büchern, aus welchem beruflichen Umfeld sie stammen und sich den Themen nähern und letztlich wie schwer es ist, über ein Tier oder eine Pflanze zu schreiben. So erstaunt es die Herausgeberin jedesmal wieder, wenn Autoren wie zum Beispiel Robin Wall Kimmerer, die den Band über Moose verfasste, zugleich eine 24-bändige Enzyklopädie über diese Pflanzen herausbrachte.

    Ein weiterer Aspekt, der Judith Schalansky schon länger beschäftigt, ist die Veränderung der Natur und besonders das Verschwinden von Pflanzen und Tieren; nur was wir kennengelernt haben, können wir bezeichnen und mit dem Verschwinden von Natur verschwänden auch Wörter, von denen es eine Menge im Band über Vögel zu entdecken gäbe.

    Mit einer abschließenden Lesung klingt dieser wunderbar unterhaltsame und kluge Abend nocht nicht ganz aus; die Herausgeberin steht in lockerer Runde bereit, Bücher zu signieren und im Gespräch weitere Fragen zu beantworten.

    Als ich den Heimweg durch den frühlingshaften Alten Botanischen Garten antrete, an blühenden Rhododendren und Hasenpfötchen, an duftenden Bauernrosen und Waldreben vorbeigehe, kann ich Judith Schalanskys Eingangsworten, die sich keinen passenderen Ort für diese Lesung hätte vorstellen können, nur zustimmen.

  • Das hört sich nach einem superschönen Abend an. Einer von der Sorte, bei der es sich lohnt, mal Auflüge jenseits seines Tellerrandes zu unternehmen.

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)