T.C.Boyle - Blue Skies

  • Über den Autor:

    T. Coraghessan Boyle, 1948 in Peekskill, N.Y., geboren, ist der Autor von zahlreichen Romanen und Erzählungen, die in vielen Sprachen übersetzt wurden. Bis 2012 lehrte er Creative Writing an der University of Southern California in Los Angeles.


    Kurzbeschreibung:

    Der Countdown zur Apokalypse läuft: Kalifornien geht in Flammen auf, Überschwemmungen bedrohen Florida. „Der Planet stirbt, siehst du das nicht?", wirft Cooper seiner Mutter vor, die ihre Küche gehorsam auf frittierte Heuschrecken umstellt. Heftige Diskussionen gibt es auch mit Schwester Cat. Sie hat sich als Haustier einen Tigerpython namens Willie angeschafft, die sie sich wie ein glitzerndes Juwel um die Schultern hängt. Die Frage nach dem Verhältnis zur Umwelt geht wie ein Riss durch die Familie, bis eines Nachts Willie aus dem Terrarium verschwindet. Mit „Blue Skies“ hat T.C. Boyle den ultimativen Roman über den Alltag in unseren Zeiten geschrieben. Unheimlich, witzig und prophetisch.


    Meine Gedanken zu dem Roman:

    Der neue Roman von T.C.Boyle lässt sich wie gewohnt sehr gut lesen. Gelungene Lektüre zu den aktuellen Themen. Die Leser, die seine Romane gern lesen, werden auch diesmal nicht enttäuscht sein. Wie man den Autor kennt, ist er kein Freund von Wohlfühlgeschichten, seine Besonderheit ist, die schwierigen Themen anzusprechen, wobei er keine Wertung den Geschehnissen gibt, sondern dem Leser überlässt zu entscheiden, was er bei der Geschichte fühlen möchte.


    In dem Roman "Blue Skies" gibt es einen zentralen Satz, um den sich die ganze Handlung dreht. Einer der Protagonisten sagt: "Die Natur hat sich gegen uns gewendet". Und genau darum geht es in diesem neuen Roman. Es geht um die Klimakatastrophe, es geht um den Klimawandel, und um die Menschen, die dagegen nichts unternehmen können.


    Der Roman spielt sich auf zwei Orten ab: während in Kalifornien größte Dürre und unerträgliche Hitze herrscht, und es bald Wüstenwetter herrschen würde, wird Florida überflutet und kann sich von den unendlichen Regen nicht schützen. Dazu kommen große Stürme und Hurrikans. Die Natur spielt verrückt. Und die Menschen sind machtlos. Die Insekten sterben aus, oder überfallen die Menschen in unglaublichen und unkontrollierten Maßen. Auf diesem Hintergrund beschreibt Boyle das Leben einer Familie, deren Mitglieder sich langweiligen, sich fanatisch einem Thema verschreiben, suchen Geltung in den Social-Media, feiern endlose Partys, trinken Alkohol, um sich zu betäuben und um die Sinnlosigkeit zu überstehen. Eine Katastrophe jagt die nächste, nicht nur Natur spielt verrückt, auch diese Familie erlebt ein völliges Chaos, wo ein Trauerfall nach dem anderen geschieht.


    Wie immer präsentiert der Autor seine Figuren distanziert. Auch in diesem Roman überlässt er dem Leser zu entscheiden, was er dabei fühlt und denkt. Erschreckend fand ich, dass das Szenario, auch wenn es überzogen dargestellt worden ist, durchaus sehr nahe der Realität ist. Ich konnte durchaus so eine Familie, mit all den Ereignissen, in der Realität vorstellen.


    Der Roman ist eine gelungene Gesellschaftssatire, die ich leider nicht komisch fand, denn zu ernst sind die Fragen und Themen, die hier betrachtet werden. "Blue Skies" ist zu pessimistisch, um dabei lachen zu können. Mit diesem Roman hat T.C. Boyle auch diesmal einen Treffer gelandet. Mir hat die Geschichte sehr gut gefallen und ich würde die unbedingt, nicht nur an Fans von Boyle, empfehlen. Von mir gibt es 8 Punkte.

    ASIN/ISBN: 3446276890

    Nicht wer Zeit hat, liest Bücher, sondern wer Lust hat, Bücher zu lesen,

    der liest, ob er viel Zeit hat oder wenig. :lesend
    Ernst R. Hauschka

    Liebe Grüße von Estha :blume

  • Meinem Leseeindruck nach fing der Roman etwas lahm an, entwickelte sich aber schließlich zu einem ganz guten Familienroman.

    Ich mochte die Figuren, obwohl manche von ihnen etwas chaotisch sind, vor allen Cat. Manchmal auch Cooper.

    Es gab ein paar drastische Szenen, die nicht unbedingt für sensible Gemüter sind. Das nur als Warnung.

    Nicht der beste Roman von T.C.Boyle, nicht der schlechteste!

  • entwickelte sich aber schließlich zu einem ganz guten

    Ich war mal ein großer Fan von Herrn Boyle, aber die letzten Romane - "Sprich mit mir", "Die Terranauten", "Das Licht" - haben mich wahrlich nicht vom Hocker gehauen. Ich bin - ganz im Gegenteil - ziemlich stabil sitzen geblieben. Er ist fraglos ein exzellenter Erzähler, technisch betrachtet, aber seine Figuren werden immer mehr zum Beiwerk moralüberladener Geschichten, die kaum nennenswerten Humor transportieren und all den Witz und Biss - was Boyle früher ausgezeichnet hat - sehr vermissen lassen. Es wird immer routinierter, und es macht immer weniger Spaß. Gut, könnte man sagen, es soll ja auch keinen Spaß machen, Geschichten über den Klimawandel, Tierexperimente, Drogen oder narzisstische Geoexemperimente zu lesen, aber das sehe ich anders.


    Das war mal ein ganz, ganz Großer, und "Wasssermusik" oder "Willkommen in Welville" oder seine früheren Kurzgeschichtensammlungen ("Wenn der Fluss voll Whisky wär", "Fleischeslust", "Greasy Lake" usw.) waren Meilensteine amerikanischer Belletristik. Aber inzwischen stagniert Boyle, um es nett zu sagen, und ich muss wirklich überlegen, ob ich mir diesen Roman noch gebe. Der Bauch sagt zwar ja, aber der Kopf ist ziemlich entschieden dagegen.

  • Ich war mal ein großer Fan von Herrn Boyle, aber die letzten Romane - "Sprich mit mir", "Die Terranauten", "Das Licht" - haben mich wahrlich nicht vom Hocker gehauen.

    Haben mir alle drei gut gefallen!


    Mir ist total durchgegangen, dass es ein neues gibt... Gerade in der Buchhandlung bestellt.


    Danke für die Buchvorstellung und aufs Aufmerksam machen, Estha  :-]

    Ailton nicht dick, Ailton schießt Tor. Wenn Ailton Tor, dann dick egal.



    Grüße, Das Rienchen ;-)

  • Wer hier einen "großen" Roman zur Klimakrise, bzw - Wende, den eine Krise impliziert ein Ereignis, welches vorübergehend auftritt und aus dem es noch einen Ausweg gibt-, erwartet, der sollte dieses Buch nicht lesen.


    Oder auch dann erst recht.


    Denn wie so oft beweist der Autor in "Blue Skies", welch großartiger Erzähler und Beobachter er ist. Er schlüpft abwechselnd in die Leben dreier Protagonisten - Familienmitglieder- und lässt uns durch deren Augen an ihrem Alltag teilnehmen. Am ganz normalen Leben im immer trockener und heißer werdenden Kalifornien und am immer tiefer in den tropischen Fluten versinkenden Florida. Die drei sind gebildet, wissen, dass das alles irgendwie nicht mehr aufzuhalten ist, und gehen in unterschiedlicher Weise damit um. Ottilie, Mutter der beiden anderen, erwachsenen Protagonisten, dem nerdigen Insektenforscher Cooper und Cat, der schönen, in Florida lebenden "Insta Influencerin", versucht sich an autarker Lebensweise, züchtet Grillen als Fleischersatz, hält Bienen, achtet auf Wasserverbrauch usw. Aber lässt sich der Planet dadurch wirklich retten? Wie geht jeder einzelne mit uns mit dem Wissen um, dass es unterm Strich egal ist, welche Nahrungsmittel ich zu mir nehme, ob ich Auto oder Fahrrad nehme, wenn der Klimawandel doch längst da ist. Der eine wird zynisch und starrsinnig, der andere verdrängt es so lange, bis das geliebte Strandhaus unter dem Allerwertesten einfach wegfällt, weil es gibt immer noch genug Rum Cocktails, um das alles zu ertragen und der andere macht irgendwie aus Überzeugung einfach weiter.


    In diesem Buch "passiert" nicht viel. Es hebt keinen moralischen Zeigefinger, es lässt einen nicht sprachlos oder atemlos zurück und die Protagonisten liegen einem auch nicht sehr am Herzen. Und genau DAS macht es verdammt großartig. Weil das die Wahrheit ist. Weder übertrieben, noch geschönt, noch erhaben. Sie ist einfach da und wir alle sind Menschen, Familien, Brüder, Schwestern, die in und mit ihr leben müssen.


    Uneingeschränkt begeistert.

    Ailton nicht dick, Ailton schießt Tor. Wenn Ailton Tor, dann dick egal.



    Grüße, Das Rienchen ;-)

  • Banale Grande


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    Mensch, was war das alles früher besser! Früher gab es zum Beispiel noch keinen Klimawandel, und die ganzen Tierarten sind nur ausgestorben, weil wir so viele ihrer Angehörigen abgeschlachtet haben, dass die Erhaltung für die Art aus eigener Kraft unmöglich wurde. Und früher hat der New Yorker Schriftsteller Tom Coraghessan Boyle auch noch so richtig coole Romane geschrieben, Sachen wie „Willkommen in Wellville“, „Grün ist die Hoffnung“, „Wassermusik“, „Der Samurai von Savannah“ und einige andere. Inzwischen verklappt T. C., der eigentlich T. J. (Tom John) getauft wurde, nur noch Ökoromane in die Literaturlandschaft und lässt sich dafür feiern, was ja okay wäre, wären es diese Romane auch. Aber sie werden mit jeder weiteren Geschichte banaler, langweiliger und ununterscheidbarer.


    In dieser x-ten tendenzdystopischen Betrachtung des Umgangs der Menschen mit ihrer Umwelt (der zweifelsohne deutlich mehr Luft nach oben als nach unten hat) geht es um eine Familie, deren weibliches Oberhaupt Ottilie mit ihrem Mann Frank in Kalifornien lebt, wo es, wie Albert Hammond schon im Jahr 1972 singend verkündet hat, quasi niemals regnet (mit Ausnahme des Anfangs der Siebziger, weshalb die Veröffentlichung des Songs seinerzeit verschoben werden musste). Aber es ist außerdem heiß und es windet stark, woran niemand Spaß hat, von Parasiten und Brandstiftern abgesehen. Ottilies Sohn Cooper ist Biologe und mit einer Insektenforscherin liiert, die im Hinterland die Bestände inventarisiert. Bei einem solchen Inventur-Ausflug wird Cooper von einer Zecke gebissen, was nicht folgenlos bleibt. Ach, und Ottilie versucht, ihre Ernährung und die ihres Mannes auf Gliederfüßler umzustellen, was aber nicht ganz so gut gelingt, wie sie das geplant hatte.


    Außerdem hat Ottilie noch eine Tochter namens Catherine, genannt Cat, die in Florida lebt und mit dem professionellen Partygastgeber Todd liiert ist, der im Auftrag der Firma Bacardi um die Erde jettet und weltweit zu Events einlädt, bei denen große Mengen Rum inhaliert werden, nicht zuletzt von Todd. Eher aus Langeweile legt sich Cat deshalb eine Schlange zu, eine hübsche, kleine Tigerpython, die zwar als invasive Art gilt und im ausgewachsenen Zustand – sie wird über fünf Meter lang – die halben Everglades leerfrisst (einschließlich der Alligatoren), aber auch ziemlich dekorativ aussieht, und da Cat die Idee hat, Influencerin zu werden, ist das neue Branding schnell ausgedacht. Aber Cat wird außerdem schwanger.


    Die persönlichen Schicksale dieser Kohorte ziemlich uninteressanter Flachpfeifen sind an die Amplituden der klimatischen Ereignisse geknüpft. Während der Wasserspiegel an Floridas Küsten unaufhörlich steigt und Cat ihr Haus oft nur noch per Boot erreichen kann, bläst der Wind in Kalifornien oder es brennt oder beides geschieht gleichzeitig, weshalb beispielsweise eine Hochzeit ins windige Wasser fällt und andere Ereignisse nicht ganz so munter gefeiert werden können, wie sie geplant waren. Dass Wetter, Klima, Umwelt und so weiter menschengemacht verrücktspielen, während die Menschen weiterhin so tun, als wäre das irgendwie in den Griff zu kriegen, wiederholt Boyle unaufhörlich, mindestens einmal pro Absatz. Das kaschiert anfangs ein wenig, dass die Dramaturgie des Romans eher unspektakulär ausfällt, um es noch nett zu formulieren. Und, klar, Boyle kann auch immer noch exzellent erzählen, schafft es also sogar, sein banales Personal und den sehr flachen Handlungsbogen irgendwie zu verkaufen. Aber unterm Strich hat dieser Roman das ganz große Garnichts, belohnt die Lektüre mit nachhaltiger Ermüdung, verbunden mit dem Wunsch, Boyle würde das Missionieren jetzt wieder ins Privatleben verlegen und wenigstens gelegentlich Romane mit etwas mehr Handlung und thematischer Abwechslung erzählen. Und mit intelligenterem Personal.

  • Blue Skies - blauer Himmel, etwas, das eigentlich eine gute, positive Stimmung bei uns hervorruft. Aber bereits mit dem Cover merken wir, dass das so nicht stimmen kann, ist die blaue Farbe doch im Hintergrund, im Vordergrund ist eine im Sturm wehende Palme mit einem darüber sehr riesigem Feuer in Orange-Rot. Aus dem angenehmen, friedlichem Bild mit blauem Himmel, Palme, Sonne, wird so eine negative Stimmung, eine Katastrophe aufgebaut, mit der Sonne als sehr großes, präsentes, Feuer.


    Blue Skies ist ein Buch mit zwei Ebenen. Auf der einen Ebene, ist es ein Familienroman, der in drei Perspektiven erzählt wird. Cat und Cooper, Geschwister, die unterschiedlicher nicht sein könnten, und ihre Mutter. Cat, orientierungslos, möchte Influencerin werden, genießt das Leben an der Seite ihres gutverdienenden Mannes (wobei die gesamte Familie nicht aus armen Verhältnissen stammt!), ein Eventmanager für Bacardi. Dementsprechend fließt der Alkohol auch deutlich in diesem Buch. Cooper, Student, Pessimist, versucht die Welt zu verbessern, könnte Klimaaktivist sein. Und Ottilie, möchte die Familie zusammenhalten, möchte es vielen recht machen, sieht Probleme und möchte sie lösen - zum Beispiel durch insektenbasierte Lebensmittel und fängt selber an, Grillen zu züchten. Insbesondere diesen drei Hauptcharakteren, aber auch weiteren, merkt man an, welchen gesellschaftlichen Gruppen sie zugehören sollen, wofür sie stehen. Dabei bleiben sie aber doch eigenständig. Boyle ist schonungslos zu seinen Charakteren, zeichnet sie, um klar verschiedene Typen Mensch zu skizzieren, benutzt Klischees, ohne das es klischeehaft wirkt. Das hält er bis zum Ende durch. Dabei fügt er den Charakteren viel Leid zu, aber überspannt es nicht so weit, dass es ganz und gar unrealistisch wirkt.


    Und dieses Leid bringt uns zur zweiten Ebene - die Klimakrise ist Bestandteil dieses Buches, das Extremwetter, Überschwemmungen auf der einen Seite, Dürre auf der anderen Seite, hat Auswirkungen auf die Menschen. Und neben dem, was sich die Menschen selber antun, kommt dann noch der Druck durch die Natur. Wie auf dem Cover dargestellt.


    Mir hat Blue Skies sehr gut gefallen. Die Familiengeschichte unter äußerem Druck, das finde ich eine angenehme Verwebung. Die Charaktere waren mir zwar alle nicht sympatisch, trotzdem habe ich gerne über sie gelesen. Aber: Ich dachte, das Buch beschäftigt mich stärker, aber es hallt deutlich weniger nach. Vielleicht einfach, da ich im Urlaub bin und die Tage viele andere Eindrücke hatte? Oder war es doch die hohe Dosis an Schicksal und Katastrophe, die uns ja auch im echten Leben abstumpfen und wegschauen lässt.