Dincer Gücyeters Roman - hier die Hörbuchfassung - verdient es, hier noch einmal besonders vorgestellt zu werden:
Die 14 Folgen sind noch bis zum10. Mai bei SWR2 Fortsetzung folgt zu hören.
"Eine Familiengeschichte über drei Generationen hinweg.
Der Lyriker Dinçer Güçyeter, der in Nordrhein-Westfalen als Sohn türkischer Einwanderer geboren wurde und 2022 den Peter-Huchel-Preis für seine Gedichte erhielt, erzählt in seinem autobiografischen Roman vom Schicksal der Frauen seiner Familie, von archaischer Verwurzelung in anatolischem Leben und von der Herausforderung, als Gastarbeiterin und als deren Nachkomme in Deutschland ein neues Leben zu beginnen.
In poetischen, oft mythischen, kräftigen Bildern und in Monologen, Dialogen, Träumen, Gebeten und Chören finden seine Heldinnen und Helden ihre Stimmen."
Drei Aspekte berühren mich an dieser sehr speziellen Famileingeschichte besonders.
Einmal bekommen die Frauen der Familie Raum und Gelegenheit, ihre Sicht der Dinge zu erzählen. Es ist kaum zu ermessen, wie verloren sich die ganz junge Frau in dem fremden Land gefühlt hat, wie hart und grausam das Leben war, das sie in der Heimat Anatolien geführt hat.
Besonders ist auch die Form, die der Autor gewählt hat. Die Mischung aus Prosatexten, Gedichten, Träumen, Gebeten berührt die HörerIn ganz intensiv und war für mich sehr aufwühlend.
Gerade die Hörbuchfassung bringt das lebendig zum Ausdruck.
Dazu tragen Sema Poyraz und Hasan Tasgin als Sprecher ganz besonders bei.
Gelungen finde ich auch die Beschreibung, wie sehr der Junge Dincer, ganz geprägt von seinem Elternhaus, die ihm fremde deutsche Welt, beginnend mit dem Kindergarten, kennenlernt, erkundet und für sich erobert. Letztlich gelingt es ihm, die Geschichten beider Seiten zu etwas ganz Neuem zu formen.
Etwas Neuem, das auch seiner neuen Heimat gut tun könnte.
Auffallend finde ich auch, wie wenig die Männer, die doch das Leben ihrer Frauen und Kinder so bestimmen und dominieren, zu Wort kommen. Eigentlich gar nicht.
Es ist keine harmonische Heile-Welt Geschichte. Probleme in Deutschland und der Türkei werden deutlich und bildreich benannt. Seien es die Ehrvorstellungen der heuchlerischen patriarchalischen Gesellschaft oder die Anschläge auf von türkischen Familien bewohnte Häuser.
Mir hat sie geholfen, über mein Zusammenleben mit fremden Menschen nachzudenken und alles zu tun, mit ihnen in ein echtes Gespräch zu kommen.