'Ein einfaches Leben' - Seiten 453 - Ende

  • Sunjas Resumee am Ende des Buches ist ja eher verzeihend. Oder ein sich Abfinden mit dem Leben?

    Für Sol nützt das ganze Studium in Amerika nichts, da er bei der ersten Gelegenheit zwar die Kastanien für die japanische Bank aus dem Feuer holen darf, aber dann, als es zu einem Todesfall kommt, dafür verantwortlich gemacht wird und entlassen wird.

    Seine Kontakte waren zwar Mittel zum Zweck und auch willkommen, aber man distanziert sich indem man ihn dann los wird. Hauptsache der Deal ist geglückt. Eine sehr fiese Art mit Menschen umzugehen. Überhaupt sind mir die Japaner mit diesem Buch nicht sympathischer geworden. Da hilft die ganze falsche Höflichkeit nichts die sie als Schutzschild vor sich her tragen.

  • Überhaupt sind mir die Japaner mit diesem Buch nicht sympathischer geworden. Da hilft die ganze falsche Höflichkeit nichts die sie als Schutzschild vor sich her tragen.

    Ich verstehe den Gedankengang, aber ist nicht genau diese Aussage etwas, das im Buch am Beispiel der Koreaner angeprangert wird? Es geht um Individuen, wenn eine Menschengruppe vereinheitlicht wird und anhand der negativen Beispiele bewertet wird, kommt die Behandlung raus, die wir miterleben konnten im Buch.


    Gerade habe ich das Buch beendet, es muss noch sacken. Starkes Ende.

  • Ich verstehe den Gedankengang, aber ist nicht genau diese Aussage etwas, das im Buch am Beispiel der Koreaner angeprangert wird? Es geht um Individuen, wenn eine Menschengruppe vereinheitlicht wird und anhand der negativen Beispiele bewertet wird, kommt die Behandlung raus, die wir miterleben konnten im Buch.

    Da hast Du natürlich völlig recht. Das Buch reicht bis in die späten achziger ? und da denkt man eigentlich, es müsste sich zumindest auf der Gleichstellungsebene, sprich, wer in Japan geboren ist, hat auch die Staatsangehörigkeit, geändert haben.

    Das ist ja sonst in den anderen Ländern zumeist der Fall.

  • Im letzten Abschnitt ist nochmal richtig viel passiert. Durch die verschiedenen Generationen kommen ganz neue Konflikte, Möglichkeiten und Perspektiven, Und das wird von Lee ausgenutzt. Sunja und Kyunghee mit ihrer Sichtweise auf eine koreanische Familie im Gegensatz zu Phoebes Schilderung ihrer Kindheit und der westlichen Werte einer Frau mit Selbstbestimmung und Überwindung des klassischen Rollenbilder. Solomon mit seinem amerikanischen Collegeabschluss, der Ehrgeiz und der Willens, in Japan in einer westlichen Bank zu Arbeiten - und dann die Einsicht, ich bin Koreaner, ich werde nicht in der Gesellschaft akzeptiert, aber im Kleinen wie mein Vater, da möchte ich mich einrichten - was Mazuso dann am Ende auch akzeptiert und einsieht. Noa, der Isak weiterhin Respekt zollte, wie wir aus den Schilderungen des Friedhofsgärtners erfahren. Entsuko und Hanna, zwei Japanerinnen, die in der japanischen Gesellschaft nicht willkommen sind, bringen ihre Perspektiven ein.


    Min Jin Lee hat ein tolles, nicht immer einfach zu lesendes Buch geschaffen, am Ende wird vieles meiner Meinung nach menschlich und nachvollziehbar verwoben, und es ist für mich ein starker Appel daran, Gesellschaften nicht auszuschließen, und immer auf die Einzelschicksale zu schauen. Ich freue mich auf die weiteren Diskussionen mit euch, das Buch bringt genug Stoff mit.

  • Ein sehr berührendes und auch etwas versöhnliches Ende.

    Ich bin wieder einmal froh, dass ich das Buch mit euch gelesen habe. Ich wäre wahrscheinlich sonst nicht unbedingt darauf aufmerksam geworden.

    Alles in allem fand ich es sehr lesenswert. Ich habe eine Menge gelernt. Das Leben koreanischstämmiger Japaner war mir vollkommen unbekannt. Sehr gut gefallen hat mir auch, dass die Geschichte sich über mehrere Generationen entfaltet.

    Nachhaltig geschockt hat mich, dass die Lage der geschilderten Personen nahezu ausweglos ist. Die Diskriminierung, die Sunja und ihre Familie erfährt, ist nicht nur eine gesellschaftliche, sondern eine vom Staat gewollte und geförderte, wie man an der Tatsache sehen kann, dass es für Koreaner fast unmöglich ist, einen japanischen Pass zu bekommen. Es gibt kaum Perspektiven, um dort Fuß zu fassen. Den Koreanern werden die Arbeiten zugeschoben, die kein Japaner machen möchte. Dafür werden sie schlecht bezahlt und fallen in Armut. Oder sie übernehmen einen illegalen Bereich wie die Pachinko-Branche, haben zwar Geld, sind aber weiterhin dreckige Koreaner. Oder sie wollen sich vollkommen anpassen wie Noa, geben sich dabei aber fast selbst auf und müssen ständig Angst vor ihrer Enttarnung haben. Ein ganz normales, sprich einfaches Leben, ist gar nicht möglich, zumindest nicht ohne Diskriminierung. Ein zurück gab es ja auch nicht aufgrund des Krieges und der Armut. Dazu kommen noch die vielen gesellschaftlichen Aspekte.


    Ich muss jetzt mal unterbrechen, schreibe nachher noch mehr dazu.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Ich habe im ganzen Roman imnmer wieder was positives gefunden, vor allem in den starken Frauen, die aus ihren oftmals schier aussichtslosen Situationen das Beste machen und nie aufgegeben haben. Aber dieses Ende ist für mich in keinster Weise versöhnlich, dass Solomon, trotz einer super Ausbildung, keine andere Möglichkeit sieht, als in das zwielichtige Pachinko-Geschäft seines Vaters einzusteigen, kommt für mich einer Niederlage gleich, die Koreaner können über Generation ackern und rackern, wie sie wollen, sie werden niemals als vollständige Teile der japanischen Gesellschaft anerkannt, das finde ich so schrecklich.

  • Aber dieses Ende ist für mich in keinster Weise versöhnlich, dass Solomon, trotz einer super Ausbildung, keine andere Möglichkeit sieht, als in das zwielichtige Pachinko-Geschäft seines Vaters einzusteigen, kommt für mich einer Niederlage gleich, die Koreaner können über Generation ackern und rackern, wie sie wollen, sie werden niemals als vollständige Teile der japanischen Gesellschaft anerkannt, das finde ich so schrecklich.

    Das ist wirklich schrecklich. Ich finde, auch wir bekommen zum Glück mal wieder den Spiegel vorgehalten Wie steht es denn bei uns mit echter Integration?

    Vor kurzem habe ich ein Interview mit Anna Kim gelesen oder gesehen, die darüber berichtet hat, dass sie selten als Österreicherin wahrgenommen wird, immer als Asiatin, obwohl sie in Österreich geboren und aufgewachsen ist. Das ist natürlich kein Vergleich mit dem, was wir gelesen haben, aber ich kenne viele Mitbürger*innen mit Migrationshintergrund, die oft auf ihr Aussehen reduziert werden und denen ein gewisser Bildungsgrad nicht zugetraut wird.

    Ich erinnere mich auch an ein Interview mit Abbas Khider, in dem er erzählt hat, dass er in Bahnhöfen immer von der Polizei gefilzt wurde, bis er nur noch im Anzug und mit einer überregionalen Tageszeitung unter dem Arm erschien. Erst dann wurde er in Ruhe gelassen.

    Wenn bei uns die entsprechenden Parteien noch stärker im Bundestag vertreten wären, dann wäre Ausländerfeindlichkeit auch staatlich unterstützt.

    Ich beobachte den Rechtsruck in Europa mit Sorge und hoffe, dass es zu solchen Ausmaßen, wie im Buch beschrieben, nicht kommt.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin