Ernst Schubert - Essen und Trinken im Mittelalter
ASIN/ISBN: 3896785788 |
Das Buch:
Über unglaubliche Gelage und tagelange verschwenderische Feste gibt es Berichte auch aus dem Mittelalter.
Fürstenhochzeiten, Reichstage, diplomatische Bankette. Allein die Tatsache, daß davon schriftliche Zeugnisse vorliegen, unterstreicht die Seltenheit solcher Ereignisse. Es waren sehr rare Begebenheiten, von denen noch Generationen später gesprochen und fabuliert wurde und die Gerichte dabei immer vielzähliger, die Speisen immer üppiger und kostbarer wurden. Auch übertrieben die Chronisten gerne, um ihre eigene Bedeutung und die des Festes hervorzuheben.
Es hat sie tatsächlich gegeben, die "grossen Fressen" der Mächtigen und Reichen, aber eben nur äußerst selten.
Wie die Ernährungssotuation der einfachen Menschen im Alltag des Mittelalters aussah, hat Ernst Schubert mit seinem Team mit seiner legendären Gründlichkeit erforscht.
Dabei ist die schwierige Quellenlage zu bemerken, was die einfachen Leute taten, interessierte die Chronisten in der Regel wenig.
Schubert suchte in Klosterannalen, Bestelllisten städtischer Verweser und Armenvorsteher, bis hin zu Lieferungen an Burgen, Gutshöfe, städtische Gilden und Zünfte.
Der tägliche Brei, die Alltagsnahrung von Arm und Reich, bestand aus geschroteter Gerste und Roggen- oder Hirsekörnern, die, je nach Geldbeutel, mit Wasser oder Milch zu einem Brei verkocht wurden.
Wohl kaum ein Hochgenuss, enthielt aber Eiweiß, Kohlenhydrate und Spurenelemente und erfüllte durchaus die Anforderungen moderner Ernährungsphysiologen.
Ebenso wertvoll war das tägliche Gemüse, Erbsen, Wicken, Bohnen, Rüben, Kohl, alles ballaststoffteich und proteinhaltig.
Der Käse stammte bei den einfachen Leuten überwiegend von Ziege und Schaf, nur wohlhabende Zeitgenossen hielten Rinder.
Dazu kam jahreszeitlich bedingt das Obst.
Eine Freiburger Studie über die Lebensmittelversorgung von städtischen Maurern, Fuhrleuten und von Klosterschülern im 14. Jahrhundert, kam zu dem Ergebnis, die Anforderungen an eine ausgewogene Ernährung waren in der Regel erfüllt.
Fische und Fleisch waren zumeist den Sonn- und Feiertagen vorbehalten und kamen in geringen Mengen auf den Tisch, speziell zum Beginn des Winters, wenn die Bauern einen Teil ihres Viehs schlachteten, um es nicht durchfüttern zu müssen.
Für Salz und Gewürze wurden Kriege geführt und man erhob hohe Zölle. Gewürze waren ein wertvolles Handelsgut und die ärmeren Leute versuchten sie durch Zugabe von Kräutern und Pilzen zu ersetzen.
Exotische Gewürze wie Pfeffer, Muskat oder Safran, waren Prestigeobjekte und für die Tische der Reichen bestimmt.
Salz war auch kostbar als wichtigstes verfügbares Konservierungsmittel, vor allem für Heringe von den Küsten als Zukost für die Winterzeit. Aber auch Klöster und Städte, sogar Dörfer und große Höfe in Bayern oder Westfalen, hatten dafür speziell auch Fischteiche angelegt für heimische Fische. Mittelalterliche Städtenamen wie Salzburg, Salzwedel oder Salzgitter, zeugen noch von der Bedeutung des "Weissen Goldes" für die Ernährung.
Aus der Marktchronik der Stadt Straßburg um 1300 ein kleiner Preisvergleich:
1 Schlachtochse = 11 Schillinge in Silber
1 Pfund Muskatnuss = 80 Schillinge in Silber
Wasser zu trinken war bei der ländlichen Bevölkerung durchaus üblich, in Gemeinwesen wie Burgen, Gutshöfen, Dörfern oder Städten aber ein Problem, da es keinerlei Kanalisation gab und sich die Brunnen nicht selten nahe bei Latrinen oder neben Friedhöfen befanden, die bis in die Neuzeit noch um die Kirchen herum lagen.
Hauptgetränk war daher das Dünnbier, wenigstens abgekocht, wenn auch von Reinheit keine Rede war. Zur Haltbarmachung wurde Baumrinde, Wacholder und sogar Gips hineingemengt.
Den Klosterbrauereien ist es zu verdanken, daß die Kunst des Bierbrauens erhalten blieb und nach zumindest groben Regeln erfolgte.
Das Bier wurde am Morgen, zum Mittag und am Abend getrunken, enthielt allerdings auch nur die Hälfte des Alkohols heutiger Sorten.
Wein war dem vorbehalten, der ihn bezahlen konnte und das waren nur wenige. Zwar wurde in allen Teilen des Reiches Wein angebaut, bis zu Nordsee, aber die Qualität war teilweise so empörend, daß etwa der Rat der Stadt Danzig 1324 den Weinausschank im Rathaus verbot. Der dort kredenzte Tropfen hatte nämlich die wertvollen städtischen Zinnkannen zerfressen!
Von den edlen Weinen des Rheingaus oder gar aus Bordeaux, hatten selbst die meisten Adligen und Kaufherren höchstens ein Fäßchen im Keller, den eifersüchtig bewachten "Rotspon".
Beurteilung:
Hochvergnüglich erzählen Schubert und Kollegen von den Tischen des Mittelalters, immer quellengestützt und abgesichert, enorm kenntnisreich und allgemein verständlich, im besten Sinne nach Art der französischen Annales - Schule recherchiert.
Natürlich werden auch die üppigen Bankette geschildert, nebst den edlen Gerichten.
Wie z.B. die Menuefolge des Menagier de Paris für das Festmahl im Jahre 1391 für König Karl VI., mit 147 Gängen. (sic!)
Zur Übersichtlichkeit und Systematik hätte ich mir noch eine Gliederung nach Zeiten gewünscht, so springt die ganze Sache mir zuviel hin und her.
Das Quellenverzeichnis wurde gekürzt, was für die Mittelalter - Interessierten immer etwas schade ist.
Aber dieses Buch ist nicht für dir Fachwelt gedacht und hier geht der erhebliche Lesegenuss eindeutig vor aller Überprüfbarkeit. Zudem steht der Ruf des leider verstorbenen Ernst Schubert in der Fachwelt ohne Zweifel da, man kann ihm vertrauen.
Ein wunderbares, gut erzähltes und vergnügliches Buch bekommt meine klare Leseempfehlung.