Sanne Jellings - Helenes Stimme

  • Kurzbeschreibung (Quelle: Verlagsseite)

    Eningen bei Reutlingen, Sommer 1864: Die 16-jährige Waise Helene Lange wird für ihr Pensionatsjahr zu einer Pfarrersfamilie am Fuß der Schwäbischen Alb geschickt. Pfarrer Eifert gibt sich weltoffen, im Pfarrhaus diskutieren gebildete Gäste regelmäßig über Politik, Literatur und Philosophie. Ein Gesetz im Hause der Eiferts jedoch empört Helene: Frauen haben in diesen Runden zu schweigen.

    Helene freundet sich mit der empfindsamen Pfarrerstochter Marie an. Dass einer Frau ein Dasein jenseits von Familie und Haushalt offenstehen könnte, ist für diese unvorstellbar, doch durch die Gespräche mit Helene wächst auch in ihr die Sehnsucht nach einem selbstbestimmteren Leben. An den Wochenenden unternehmen Marie und Helene viel mit Maries älterem Bruder Max und dessen Tübinger Studienfreund Ludwig, der Marie ermutigt, sich zu bilden. Ludwig und Marie kommen sich rasch näher – bis es zu einem doppelten Verrat kommt, der die Leben der vier für immer verändert …


    Autorin (Quelle: Verlagsseite)

    Sanne Jellings wurde in Süddeutschland geboren und hat während des Studiums ihre Liebe zu Isak Dinesen alias Karen Blixen-Finecke entdeckt. Mit Anfang zwanzig besuchte sie erstmals deren Geburtshaus Rungstedlund am Oresund. Seitdem ist der alte Hof mit dem großen Park für sie ein ganz besonderer Ort. Sanne Jellings arbeitet als Lektorin und Übersetzerin und lebt mit ihrer Familie in Hamburg.


    Allgemeines

    Erschienen im Kindler Verlag am 14.02.2023 als HC mit 208 Seiten

    Gliederung: Kapitel ohne Nummerierung, jeweils mit „Marie“ oder „Helene“ überschrieben, zusätzlich mit Orts- und Zeitangabe – Nachwort - Danksagung

    Erzählung in der dritten Person, wechselnd aus den Perspektiven der beiden Protagonistinnen

    Handlungsorte und -zeit: Eningen, 1864/1865 – Schussenried 1926/1927


    Inhalt und Beurteilung

    Der Roman über die Frauenrechtlerin Helene Lange (1848 – 1930) beschäftigt sich nur im Rückblick mit deren Tätigkeiten und Verdiensten im Kampf für eine bessere Frauenbildung, Aufhänger für diesen Rückblick ist die Benennung der Mädchen-Oberrealschule in Hamburg nach Helene Lange.

    Der Fokus liegt hier auf den Erlebnissen und Eindrücken, die die sechzehnjährige Waise Helene Lange während ihres Pensionatsjahres 1864/1865 im Haus des Eninger Pastors Carl Maximilian Eifert gewinnt und die den Ausschlag für ihre Entwicklung zur Frauenrechtlerin geben.

    Helene freundet sich mit Marie, der Tochter des Hauses an und stellt mit Befremden fest, dass Marie in der Familie eine gänzlich andere Rolle einnimmt als ihr Bruder Max. Während dieser studiert und oft mit seinen Studienfreunden zu Besuch kommt, ist Marie dafür da, die Gäste zu bewirten und der Mutter im Haushalt zu helfen. Bei den politischen und philosophischen Diskussionen, die in dem bildungsbürgerlichen Haushalt geführt werden, haben die Frauen zu schweigen. Helene, die von ihren liberaler erzogen wurde und von ihren Eltern als Mädchen die gleiche Wertschätzung erfuhr wie ein Junge, begehrt auf. Angesichts des tristen, selbstverleugnenden Lebens von Marie und anderen Frauen des Dorfes, die finanziell abhängig sind und sich für das Wohl ihrer Ehemänner und Kinder aufreiben, reift ihr Entschluss, sich dafür einzusetzen, dass Mädchen eine höhere Ausbildung erhalten und durch einen Beruf finanziell unabhängig werden.

    Der Roman ist in zwei Perspektiven (Helene und Marie) sowie zwei Zeitebenen gegliedert, die im Handlungsverlauf wechseln. Die selbstbewusste Helene steht der mutlosen, im engen Korsett gesellschaftlicher Konventionen gefangenen Marie diametral gegenüber, ähnlich ist die Gegenüberstellung der Situation von Mädchen und Frauen in der Mitte des 19. Jahrhunderts und sechzig Jahre später, als Frauen Abitur machen und studieren dürfen.

    Die historischen Rahmenbedingungen sind gründlich recherchiert, wobei die Einzelheiten des Aufenthalts von Helene in Maries Elternhaus und die Freundschaft der beiden Mädchen mangels Quellen zu Maries Leben fiktiv ausgestaltet sind. Dabei gelingt es der Autorin hervorragend, diese beiden Mädchenpersönlichkeiten zum Leben zu erwecken und auch den anderen Familienmitgliedern und Bekannten individuelle Züge zu verleihen.

    Die Schilderung des weiblichen Daseins in einem schwäbischen Dorf ist beklemmend und erschütternd. Vor allem die weiblichen Leser werden Helene Lange und den anderen Frauenrechtlerinnen, die für Gleichberechtigung der Frauen kämpften, nach dieser Lektüre umso dankbarer sein!


    Fazit

    Ein beeindruckender Roman über die junge Helene Lange und die Erlebnisse, die ihren Weg zur engagierten Kämpferin für Frauenbildung bereiteten – beklemmend, fesselnd und großartig!

    10 Punkte

    ASIN/ISBN: 3463000415

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