John von Düffel, Das Wenige und das Wesentliche. Ein Stundenbuch

  • Klappentext:


    Ein Neujahrsmorgen im ligurischen Hinterland. Ein klösterliches Zimmer. Eine Landschaft, die zugleich karg ist und grün. In dieser stillen Umgebung, an diesem Tag des Anfangs und des Endes stellt sich die älteste Frage von allen noch einmal neu: Wie lebe ich richtig? Es beginnt ein Gedankengang durch die Stunden des Tages von vor Sonnenaufgang bis nach Sonnenuntergang, von den Anfängen der Lebensbetrachtung bis in die Gegenwart und darüber hinaus. Dieses Buch ist eine Einladung, die Suche nach der richtigen Richtung mitzugehen: im Nachdenken über Sinn und Sein, über die Lebensregeln des Wenigen und Wesentlichen sowie die klassischen Imperative der Schönheit, des Maßes und der Selbsterkenntnis.


    Mein Lese-Eindruck:


    Der Autor befindet sich in einer eher kargen Unterkunft in den ligurischen Bergen und unternimmt dort am Neujahrstag eine Wanderung auf einen Berg. Er ist allein mit sich und der Natur, und das gleichmäßige Gehen lässt seine Gedanken entstehen und hält sie zugleich im Fluss. Jede Stunde unterbricht er daher seine Wanderung und notiert seine Überlegungen. Zumindest sieht so der berichtete äußere Rahmen dieses Buches aus.


    Der Titel dieses Buches ist ungewöhnlich: STUNDENBUCH. Eigentlich entstammt dieser Begriff der katholischen Liturgie und bezeichnet die Andachtsbücher, in denen der Gläubige für jede Stunde des Tages ein passendes Gebet fand. In diesem Stundenbuch geht es aber nicht um Gott oder religiöse Fragen, sondern – passend zum Neujahrstag und passend zu seiner Wanderung – immer um die Frage, wie der Mensch seine Lebensrichtung erkennen kann: also ein eher philosophisches Buch, das der Autor anreichert mit kurzen Berichten aus seinem Leben.


    Noch eines ist ungewöhnlich: der Text ist gesetzt wie ein Epos, kurze Zeilen, Absätze, Satzzeichen fehlen meistens. Diese Art der Schreibung hat mich zunächst gestört, weil sie den Lesefluss verlangsamt und immer wieder zum Zurücklesen auffordert, damit man die syntaktische Struktur erkennen und damit den Inhalt verstehen kann. Und genau das ist wohl die Absicht dieser Setzung: Jeder Satz, jeder Gedanke zählt, und das Folgende entwickelt sich aus dem Vorhergehenden, passend zur äußeren Situation der Wanderung. Jeder Satz und damit jeder Gedanken erhält sein Gewicht und fordert die Aufmerksamkeit seines Lesers ein. Als ich das verstanden hatte, war ich versöhnt.


    Alle Gedanken kreisen letztlich um ein Thema: die Suche nach dem Wesentlichen im Leben. Was ist wesentlich? Wie finde ich das Wesentliche für mein Leben? Wie lebe ich richtig? Wo komme ich her? Wo gehe ich hin? Dabei geht es nicht um Konsumschelte, und Düffels Ziel ist auch nicht der Verzicht auf Konsum, sondern die Frage: was brauche ich für ein Leben, das für mich richtig ist? Diese Frage kann nur individuell beantwortet werden. Düffel generalisiert daher nicht, er gibt keine Ratschläge, sondern er lädt eher zum Nachdenken ein.


    Diesem „Asketen der Zukunft“ stellt Düffel den Asketen der Vergangenheit gegenüber. Dieser Asket hatte das Ideal eines "bedürfnislosen Leibes“ (S. 128), er verachtete alles Leibliche und Irdische als sündig und strebte die spirituelle Vereinigung mit Gott schon zu seinen Lebzeiten an. Dem stellt Düffel seinen Asketen der Zukunft gegenüber: „Er bejaht das Leben und das Leibliche / Doch nicht im Gegensatz zum Geistigen“(S. 130), er bejaht die Verbundenheit von Seele und Körper. Sein Ziel ist daher, dass sein Handeln seinem Denken entspricht und sein Wollen dem, was er braucht.


    Fazit: ein kluges nachdenkliches Buch mit vielen Gedankenanstößen, das ich mit Sicherheit wieder zur Hand nehmen werde.


    ASIN/ISBN: 3832182209