Martin Krüger, Wintersterben

  • Klappentext:


    In den Walliser Alpen wird eine grausam zugerichtete Leiche gefunden. Da sich der Tote als ehemaliger deutscher BKA-Beamter erweist, schaltet sich Interpol ein und schickt ihre beste Ermittlerin: Valeria Ravelli. In der eisigen Abgeschiedenheit der Berge stößt sie bei ihren Nachforschungen auf eine Mauer aus Schweigen. Ein mächtiges Areal der Wälder rund um das Dorf Steinberg ist abgeschottet und dient als privates Winterquartier für eine Gruppe schwerreicher Geschäftsleute. Gemeinsam mit einem neuen Kollegen folgt Valeria den weit verzweigten Spuren eines wahnhaften Mörders, dessen Taten zurück in die Vergangenheit reichen. Doch was sie nicht ahnt: Sie selbst ist längst in sein Visier geraten.


    Mein Hör-Eindruck:


    Cover und Klappentext versprechen einen atmosphärisch dichten, spannenden Roman. Und eines muss man dem Autor lassen: er versteht es, eine unheimliche und gruselige Atmosphäre zu schaffen. Da gibt es Dunkelheit, Modergeruch, Kälte, tiefe Schluchten, blutige Fußabdrücke, geheimnisvolle Unterwelten, das Gefühl, ständig beobachtet zu werden, es gibt versteckte Hütten, die von Spinnweben überzogen sind und ein unterirdisches Verlies, es gibt apokryphe Botschaften, südamerikanische Dämonen, grausam zugerichtete Leichen, geheime Kellerräume, unklare Atemgeräusche, geheimnisvolle internationale Verschwörungen und so fort – dieses Handwerk beherrscht der Autor sicher.


    Aber mich hat die Verbindung dieser einzelnen Elemente nicht überzeugt. Ich habe die innere Logik der Handlung vermisst. Der Beginn zeigt schon das erste der vielen blinden Motive: da werden zwei Ermittler eingesetzt, die sich nicht ausstehen können. Nun denkt der Leser, dass diese Feindseligkeit eine Rolle im Roman spielen wird – das tut es aber nicht, das Motiv bleibt blind. Ebenso verhält es sich mit einer defekten Brücke in einer Höhle, zwei geheimnisvollen Buben, dem vermissten Bruder der Protagonistin und mit vielen anderen Handlungselementen, die man ohne zu spoilern nicht aufführen kann.


    Einige Elemente hat der Autor bei Großmeistern dieses Genres abgeschaut, und zwar bei Hitchcock (Film „Psycho“) und aus Daphne du Mauriers Novelle „Wenn die Gondeln Trauer tragen“. Gegen Intertextualität bzw. Zitate ist grundsätzlich nichts zu sagen, wohl aber gegen die Art und Weise, wie diese Elemente hier eingebaut werden. Z. B. stammt aus du Mauriers Novelle der geheimnisvolle kleinwüchsige, rotgewandete Mensch, der immer wieder gesichtet wird, aber dessen Funktion im Unterschied zum Original unklar bleibt. Seine Funktion in der Geschichte wird auch nicht klarer, wenn er mitten in der Nacht einem angeschossenen Ermittler sein Leben erzählt. Diese nicht motivierten Erklärungsgespräche finden sich allerdings häufiger im Roman; mir hätten diese Erklärungen – wenn sie denn nötig sind - als integrierter Teil der Handlung besser gefallen.


    Mir fehlte nicht nur die Kausalität der Handlung. Manche Handlungselemente sind einfach nicht glaubwürdig. So hinterlässt z. B. eine Verfolgungsjagd im Schnee offensichtlich keine Spuren, eine jahrelang stumme Patientin kann plötzlich zur rechten Zeit sprechen, der Rettungshelikopter ist innerhalb von Minuten zur Stelle etc. Ich konnte auch das Verhalten der Protagonistin nicht immer nachvollziehen. Sie will Zeugenbefragungen durchführen, aber bricht nach zwei Zeugen ab – wieso? Es wirkt so, als hätte der Autor vergessen, dass da noch mehr Zeugen im Wartestand sind... so wie er auch zu Beginn vergessen hat, dass er seiner Heldin schon einen Schirm zugeteilt hat.


    Dazu befremdet das Verhalten der Protagonistin: ihr anmaßende Auftreten, ihre Ohrfeige für den Leiter der Ermittlung, fehlender Kontakt zum Vorgesetzten, ihre unnötigen Alleingänge etc. – natürlich kann von einem Krimi nicht erwartet werden, dass er die Polizeiarbeit präzise wiedergibt, aber ich kann nur hoffen, dass die Polizeiarbeit nicht derart unprofessionell abläuft!


    Die Sprecherin macht ihre Sache gut. Sie bemüht sich, den verschiedenen Personen ihre eigene Stimmfärbung zu geben, was ihr nicht immer überzeugend gelingt. Trotzdem liest sie den Roman klar und sinnbetont.


    Insgesamt: Zu viele lose Erzählfäden. 5

  • Valeria Ravelli ermittelt wieder


    Als in den Walliser Alpen, gleich nahe des kleinen Dorfes Steinberg, eine Leiche gefunden wird, ist Interpol alarmiert. Schließlich handelt es sich bei dem Toten um einen ehemaligen BKA-Ermittler, der bei seinen Nachforschungen einer großen Sache auf der Spur zu sein schien. Deshalb wird die Ermittlerin Valeria Ravelli erneut in ein abgelegenes Bergdorf geschickt, um die Geheimnisse rund um Gress´ Tod zu lüften und den Mörder zu finden. Doch in dem Dorf ist nichts, wie es auf den ersten Blick wirkt, und schnell tun sich große Abgründe auf.

    Vorab: Wintersterben ist der zweite Band (Teil 1: Waldeskälte) rund um die Ermittlerin Valeria Ravelli. Meiner Meinung nach kann man ihn aber problemlos lesen, ohne den ersten Teil zu kennen.

    Valeria Ravelli ist zweifellos die Hauptperson in diesem Krimi. Sie ist eine gestandene Frau, die sich von nichts und niemandem Angst einjagen lässt und keiner Herausforderung aus dem Weg geht. So sympathisch sie das macht, so irrational handelt sie dadurch auch. Verstärkung anfordern? Nicht bei ihr. Sie ist eine Einzelgängerin, die oft aus einem Instinkt heraus agiert und sich dadurch gerne selbst in Gefahr bringt.

    Ähnlich wie in dem ersten Buch rund um die Ermittlerin ist das Umfeld hier sehr düster geschildert. Das Dorf ist voller Geheimnisse, man kann niemandem trauen. Ich hatte schnell ein gutes Bild von der Umgebung, auch wenn sie sehr austauschbar mit der Szenerie des ersten Krimis wirkte.
    Ravelli ermittelt unerschrocken, aber Kommissar Zufall hilft hier schon überraschend oft. Das fand ich schade, als hätte man die Ermittlungsarbeit ein wenig abkürzen wollen.

    Spannend war der Ausflug in Ravellis Vergangenheit. In Alpträumen kann man immer wieder stückweise etwas daraus erfahren, und auch ihr verschwundener Bruder spielt eine Rolle. Ich hätte mir allerdings gewünscht, mehr über ihn herauszufinden. Ich denke, er wird in den nächsten Bänden eine größere Rolle spielen.

    Der Showdown war überaus ereignisreich, gegen Ende wurde noch viel Neues offenbart, das sich gut in die Story einfügt.