Gina Mayer: Internat der bösen Tiere. Die Entscheidung (Band 6), ab 10. J., Ravensburg 2022, Ravensburger Verlag, ISBN 978-3-473-40871-9, Hardcover mit Gucklochstanzung, 306 Seiten, mit s/w-Zeichnungen von Clara Vath, Format: 15,3 x 3 x 21,5 cm, Buch: EUR 15,99 (D), EUR 16,50 (A), Kindle: EUR 12,99, auch als Hörbuch und Multimedia-CD erhältlich.
„Du und ich, wir wollen dasselbe“, sagte Noel. „Eine Welt für Menschen und Tiere. Wenn wir uns zusammentun, können wir es schaffen.“ – Uko schüttelte sich. „Ich traue euch Menschen nicht. Ich werde niemals mit euch zusammenarbeiten.“ (Seite 279)
Ein Jahr ist Teenager Noel jetzt schon auf den Geheimen Inseln im „Internat der bösen Tiere“, wo er von und mit telepathisch begabten tierischen und menschlichen Mitgeschöpfen lernt.
Mitbegründerin des Internats war seine Mutter Sonya, die bis vor 15 Jahren von einem friedlichen Zusammenleben zwischen Menschen und Tieren geträumt hat. Doch dann kam alles anders. Ihr Zögling, Bär Uko, hat sich gegen sie gewandt und hat ihr Rache für etwas geschworen, wofür sie gar nichts kann. Es ist ihr damals nichts anderes übriggeblieben, als ihren kleinen Sohn Noel ihrer Schwester anzuvertrauen und unterzutauchen. Vor kurzem erst haben sich Mutter und Sohn wiedergefunden. Doch Sonya lebt in Finnland und ihr Sohn in deutlich wärmeren Gefilden.
Der Showdown steht bevor
Viel Kontakt haben die beiden nicht. Aber Sonya macht sich Sorgen um ihren Sohn. Uko ist darauf aus, ihn zu töten – und das schon bald. Die Lehrer:innen des Internats teilen ihre Sorge und nehmen ihn aus dem regulären Unterricht heraus. In einer Art Crashkurs soll Noel dafür fit gemacht werden, eine Konfrontation mit dem deutlich stärkeren Bären zu überleben. Er übt Anschleichen, Apnoetauchen, die Orientierung in absoluter Dunkelheit, Kampfkunst – und zu allem Übel will ihm Sprachlehrer Mr Ezekweseli – ein ebenso anspruchsvoller wie humorfreier Marabu – noch auf die Schnelle die Sprache der Vögel beibringen. Vögel gibt’s überall, und die wissen im Zweifelsfall auch, wo sich ein Bär versteckt. Leider hat der ehrgeizige Lehrer im Eifer des Gefechts eine Kleinigkeit übersehen …
Entführt!
So gut die Geheimen Inseln normalerweise überwacht und geschützt sind - im Trubel einer Historikertagung, an der „Auserwählte“ aus aller Welt teilnehmen, passiert es: Noel wird entführt. Späherin Katokwe, ein Menschenmädchen aus Nigeria und Noels großer Schwarm, bekommt das mit und schleicht sich heimlich auf das Schiff der Entführer.
Wie erwartet sind das Ukos Leute. Jetzt sitzt auch sie in der Falle. Solange die Entführer nicht mitkriegen, dass Katokwe ebenfalls an Bord ist, kann sie Noel eine wertvolle Hilfe sein.
Ein wahnwitziger Plan
Die beiden Jugendlichen entwickeln den riskanten, ja, wahnwitzigen Plan, die Flucht nach vorn anzutreten. Das heißt, den Entführern zu entkommen, sich zu bewaffnen und den Bären zu erschießen, während er in seiner Höhle Winterschlaf hält. Die Idee ist derart abgefahren, dass sie einfach nicht funktionieren kann!
Es wimmelt überall von Spähern der Geheimen Inseln. Niemals würden die zulassen, dass Noel und Katokwe sich derart in Gefahr bringen. Und können zwei Menschen, die mit Kreaturen aller Art zusammengelebt und studiert haben, überhaupt auf einen schlafenden Bären schießen?
Noel strebt – genau wie ich als Leserin – eigentlich eine friedliche Einigung mit Uko an. Er hat begriffen, was ich seit dem ersten Band sage: Protagonist und Antagonist haben dasselbe Ziel: eine bessere, friedlichere Welt. Nur wollen sie das auf verschiedenen Wegen erreichen: Der eine möchte eine Zusammenarbeit zwischen Menschen und Tieren, der andere eine strenge Trennung. Über die Strategie könnte man diskutieren. Leider ist Uko zu fanatisch oder zu beschränkt, um das zu erkennen.
Tatsächlich schaffen es die beiden jungen Menschen, ihre tierischen Entführer auszutricksen und sich heimlich davonzumachen. Und sie denken gar nicht daran, in ihr Internat zurückzukehren!
Abtauchen und verstecken
Im Winter wollen sie in Kroatien sein, wo Uko sein Quartier hat. Doch zunächst einmal brauchen sie Geld und eine Ausrüstung – und da haben sie in Deutschland, genauer gesagt, in Noels Heimatstadt, die besseren Chancen. Dort kennt der Junge sich aus, dort findet er vielleicht sogar Hilfe, obwohl er sich in seinem alten Leben nie viele Freunde gemacht hat.
Eine abenteuerliche Reise durch mehrere Länder beginnt – und ein ebensolches Versteckspiel. Katokwe, die über ihre Vergangenheit bisher beharrlich geschwiegen hat, offenbart ein paar höchst unerwartete Talente. Wie es aussieht, ist sie in einer ganz anderen Umgebung aufgewachsen, als alle – wir Leser:innen eingeschlossen – bisher geglaubt haben.
Die Aktivitäten der beiden Teenager bleiben nicht lange unentdeckt, und man fragt sich, wer sie als erstes erwischen und an ihrem Vorhaben hindern wird: Die menschlichen Autoritäten? Die „Auserwählten“ von den Geheimen Inseln? Ukos Verbündete? Oder gar er selbst? Noch schläft er ja nicht …
Tödliches Finale?
Seit Band 1 hat sich die Handlung auf diesen Showdown zwischen Teenager und Bär zugespitzt und immer hat es geheißen, dass nur einer von beiden diese finale Konfrontation überleben kann. Da das INTERNAT DER BÖSEN TIERE eine Jugendbuchreihe ist, war ich ziemlich sicher, dass die Autorin den jungen Burschen am Leben lassen würde. Also war meine Hauptsorge, dass Noel, um zu überleben, seinen Überzeugungen untreu werden und seinen Gegner töten muss.
Wie das Aufeinandertreffen zwischen Noel und Uko verläuft, kann jeder selbst lesen. Nach all den Ängsten und Aufregungen, die dieser Begegnung vorausgegangen sind, habe ich eigentlich ein bisschen mehr Drama erwartet. Aber es ist ein plausibles Ende der Geschichte. Ich bin sehr zufrieden damit.
Ich werde sie vermissen, die Schüler:innen und Mitarbeiter:innen des Internats, die Begleittiere und sogar den Sprachlehrer Mr Ezekweseli. Dieser komische Vogel ist in seiner absoluten Humorlosigkeit ausgesprochen unterhaltsam – solange man nicht gezwungen ist, ihn als Lehrer zu ertragen. 😊
Die Stadt der bösen Tiere
So ganz werden wir auf die „bösen Tiere“ und ihre packenden Abenteuer wohl nicht verzichten müssen. Im Anhang gibt’s eine Vorschau auf den Band STADT DER BÖSEN TIERE. Da spielen mehr Menschen mit als in der Internatsreihe. Vielleicht ist es ein Prequel und hat mit dem Ort Vukoslavici zu tun, von dem Sonya und Uko immer wieder sprechen. Ob das auch eine Serie wird oder „nur“ ein Einzelband ist, kann ich nicht sagen. Wir werden es ja bald erfahren.
Die Autorin
Gina Mayer, geb. 1965, studierte Grafik-Design und arbeitete danach als freie Werbetexterin, bevor sie Schriftstellerin wurde. Seit 2006 hat sie eine Vielzahl an Romanen für Kinder, Jugendliche und Erwachsene veröffentlicht. Ihre Werke standen auf der Spiegel-Bestsellerliste und wurden in viele Sprachen übersetzt. Gina Mayer lebt mit ihrem Mann in Düsseldorf.
Die Illustratorin
Clara Vath arbeitet seit 2012 als freischaffende Illustratorin für diverse Verlage. Sie illustriert unter anderem Kinder- und Jugendbücher und schätzt daran vor allem die Vielfältigkeit und das Abtauchen in andere Welten. Ihr Illustrationsstil verbindet oft fantastische und mystische Elemente, die zum Träumen einladen und in Abenteuer entführen.
ASIN/ISBN: 3473408719 |