Seiten: 412
Herausgeber: Aufbau Taschenbuch
Erscheinungstermin: 15. November 2022
ISBN: 978-3746639406
Meine Meinung:
Hast du dir schon mal überlegt, wann der Zeitpunkt gekommen ist, an dem du feststellst, dass deine Beziehung so keinen Sinn mehr macht? Marie und Clemens aus Tom Liehrs neuestem Roman “Freitags bei Paolo” können diesen Zeitpunkt genau benennen und haben auch einen genauen Plan, wie es dann mit ihnen weitergehen soll. Es wäre nicht mein Weg, aber als Buch hat es gut funktioniert. Es war für mich vor allem interessant zu lesen, welche Gedanken sich der Autor in diesem speziellen Fall über die Handlungen der Figuren gemacht hat. Wie gewohnt ist auch “Freitags bei Paolo” voller Wortwitz und liebeswerter Figuren, sogar der Titel ist doppeldeutig.
Marie und Clemens lernen sich zum Millenniumssilvester bei einer skurrilen Party kennen und verlieben sich auf Anhieb ineinander. Das gesamte Umfeld ist sich sicher – die beiden sind das perfekte Paar. Es sieht auch genauso aus, ziemlich lange sogar, aber nach zwanzig Jahren merken beide, dass die Liebe zwar noch da ist, aber die Leidenschaft fehlt.
Für diesen Fall hatten sie zuvor schon beschlossen, dass sie sich auf jeden Fall trennen werden. Gesagt, getan. Nach all der Zeit fangen also beide ein neues Leben an, das nicht von Erleichterung, dass es endlich vorbei ist, geprägt ist, sondern vor allem davon, dass sie liebgewonnene Rituale und natürlich auch den gewohnten Menschen vermissen.
Ich musste länger über das Thema Liebe nachdenken um zu einem Schluss zu kommen, ob das Buch dem entspricht, was ich darüber denke. Für mich ist Liebe so viel mehr als nur Leidenschaft, sie bedeutet auch Vertrauen, Nähe, Füreinander da sein und den anderen in den meisten Fällen verstehen zu können. All das haben Marie und Clemens in ihrer Beziehung, trotzdem trennen sie sich, als sie feststellen, dass sie seit einem Jahr keinen Sex mehr hatten. Clemens ist ziemlich oft unterwegs, denn er arbeitet als Komiker und kommt viel rum, Marie ist zu Hause und lebt dort ihr Leben. Für mich ist es da sehr natürlich, dass man nicht jeden Abend im Bett landen kann. Allerdings fühlt Clemens sich von einer anderen Frau angezogen, was für mich auf jeden Fall ein Hinweis darauf ist, dass er Marie nicht mehr so ergeben ist wie zu Beginn der Beziehung.
Ich mochte das Ritual der beiden: Jeden Freitag treffen sie sich bei ihrem Stammitaliener Paolo. Aus diesem Grund konnte Clemens freitags niemals arbeiten. Als Paolo seinen Laden schließt, geht es zufällig auch mit Marie und Clemens abwärts. Ich habe die ganze Zeit über gehofft, dass die beiden doch wieder ein Paar werden, denn ich fand genau wie deren Freunde, dass sie gut zueinander gepasst haben. Ob es dazu im Laufe des Buches kommt, musst du selber lesen.
Das Buch kommt nicht nur mit einer Nicht-Liebesgeschichte daher, sondern auch ganz viel mit Kritik an der Gesellschafft, die Tom Liehr seiner Figur Clemens in den Mund gelegt hat. Ich konnte Clemens in vielen Dingen zustimmen und fand diese Umsetzung sehr gelungen.
“Freitags bei Paolo” ist auf jeden Fall ein Buch, das zum Nachdenken anregt und das ich nicht mal eben so wegelesen konnte. Ich habe ein wenig länger über der Rezension gebrütet, weil ich den Inhalt des Buches verstehe, aber nicht so handeln könnte. Ich kann dir das Buch auf jeden Fall ans Herz legen, wenn du Bücher mit eigenwilligen Themen und liebenswerten Charakteren magst, wozu zum Beispiel auch “Die Wahrheit über Metting” gehört, das ich im letzten Jahr auf meinem Blog rezensiert habe.
ASIN/ISBN: 3746639409 |