Werner Rösener - Bauern im Mittelalter
ASIN/ISBN: 3406304486 |
ZitatWir wollen den Frühling feiern bei der Linden, die frisch von neuem grünen Laube hängt, des Winters Qual muß enden...enden...enden.
(Neidhart von Reuenthal um 1210 )
Das Landleben war nicht idyllisch, weder im Mittelalter, noch zu einer anderen Zeit. In der Zeitspanne, die wir europäisches Mittelalter nennen, immerhin rund 1000 Jahre, hat man in Literatur und Chronik dem bäuerlichen Leben wenig Aufmerksamkeit geschenkt.
Ebensowenig tat das die Geschichtsschreibung, erst mit der Öffnung der historischen Forschung zu den Quellen der Alltagsgeschichte, vor allem durch die französische "Annales-Schule", wurde diese Lücke geschlossen.
Werner Rösener, Mediävist und Hochschullehrer in Gießen, hat diese Arbeit im besten Sinne der Vorbilder Le Goff und Orieux verfasst.
Die Bauernarbeit im Mittelalter war für die Landbevölkerung schwer, gefährlich und noch fast ohne technische Hilfsmittel zu verrichten, die Lebenserwartung lag bei der Landbevölkerung um 1300 kaum über 40 Jahren. Im Gegensatz zu heutiger Zeit war die Lebensspanne kaum unterschiedlich bei Männern und Frauen, die Kirchenbücher sind hier die wichtigsten Quellen. Denn Lesen und Schreiben konnten zumeist nicht einmal die adeligen Grundherren, in der Regel nur die Kleriker. Im Gegensatz zu den Städtern änderte sich das für die Landbevölkerung auch im Spätmittelalter kaum, im Grunde sogar bis in das achtzehn Jahrhundert hinein nur geringfügig.
Dazu gehörte ihre Arbeit zum größten Teil ihrem Grundherren, ob Gutsherr oder Kloster, nur ein geringer Teil ihrer Arbeit durfte für den Eigenerhalt aufgewendet werden. Noch schlechter war das Heer der Leibeigenen gestellt, die nur für ihre Rationen in Getreide, Feldfrüchten und Kleidung arbeiteten. Die meisten Bauern waren mit Zinsen, Scharwerken, Zehnten und Fronen überladen und belastet. Doch gab es regionale Unterschiede, der westfälische Bauer auf seinem Eigengehöft war sicher freier, als der Klosterbauer der Abtei Fulda, der Bergbauer anders gestellt, als der Marschbauer.
Allen gemeinsam aber war, sie wurden nach Kräften ausgebeutet, zum Teil von mehreren Herren gleichzeitig.
Da ist es umso erstaunlicher, wie produktiv und effizient die meisten Landwirtschaften arbeiteten, wie mittelalterliche Zinsbücher belegen.
Das Bauernhaus war vom Grundtyp her ein Einhaus, mit lehmbeworfenen Wänden ( von: gewunden) aus Weidenzweigen, die Dächer mit Stroh, Schilf oder Torf bedeckt.
Baumstämme waren seltener, da kostbar, die meisten Höfe hatten diese Fachwerkbauweise. Fenster waren eher selten, im Dach über dem Herd war ein Rauchabzug, das Windauge. ( Vgl. engl. Window).
Menschen und Tiere hausten zumeist eng zusammen, der Wärme wegen, und der allgegenwärtige Rauch trocknete, machte Lebensmittel haltbar und räucherte Ungeziefer aus.
Erst im Übergang vom Hoch- zum Spätmittelalter differenzierten sich die Bereiche im Zuge der Mehrseithöfe, zeitparallel mit den etwas bequemeren Wohnstätten der Aristokratie auf den Burgen.
Kinderarbeit war auf dem Land so üblich, wie in den Städten. Kaum, das ein Kind laufen konnte, wurde es für alles eingesetzt, was das Kind bewerkstellen konnte.
Gearbeitet wurde von Beginn des Tageslichts bis Sonnenuntergang, Licht war teuer und Kerzen selten, Kienspan und Talglicht taugen wenig zur Arbeit.
Vieh war rar und kostbar, der Verlust eines Tieres war ein Unglück, oder auch wenn der Bauer starb und der Grundher das "Besthaupt" fordern konnte, das wertvollste Stück Vieh im Stall.
Schweine, zumeist nur eines oder zwei, wurden im Sommer und Herbst angefüttert und im Dezember geschlachtet. Die Fettreserven mussten für die Familie reichen bis zum Frühling.
Blieb der lange aus, wurde gehungert, es wurde Baumrinde, Eicheln, Unkrautsamen, Spatzen, Frösche, kurz, alles gegessen, was sich bot.
Für manche zu spät, die Kinder und Alten traf es zuerst. Die hohe Kindersterblichkeit musste durch eine hohe Geburtenrate ausgeglichen werden. Gelang das nicht, fielen ganze Dörfer oder Rodungen wieder "wüst", entvölkerten sich.
Dennoch schien das bäuerliche Leben keine endlose Reihung von Mühe und Elend gewesen zu sein. Festtage gab es im kirchlichen Kalender reichlich und dann wurde geruht oder gefeiert. Dörfliche Hochzeiten waren berühmt und ob ihrer Ausmaße berüchtigt. Lieder und Tänze sind tradiert aus dem Spätmittelalter, es gab Maifeiern und Blütenfeste, die Textilhistoriker zeigen uns Kleiderreste in bunten, fröhlichen Farben auch der einfachsten Leute, das Spielzeugmuseum in Nürnberg weist ergreifend schönes Holzspielzeug allereinfachster Art aus.
Die Palette des bäuerlichen Lebens war auch im Mittelalter so vielschichtig wie das Leben selbst.
Fazit:
Das Dilemma der Historiker ist, das man das Los des mittelalterlichen Bauern sowohl als gut als auch als schlecht hinstellen kann. Allgemeingültige Aussagen lassen sich bei den enormen regionalen Unterschieden kaum machen.
Für das Gebiet, das heute Deutschland heißt, wäre zu sagen, der freie Bauer der Germanenzeit, der selbstverständlich Schwert trug und seinen Herren frei wählte, sank im frühen Mittelalter deutlich herab, zu einer größtenteils abhängigen Existenz.
Dabei war den Bauern der größte Teil der Energieleistung geschuldet, die diese Länder aufgebaut hatten. Als im 10. Jahrhundert die Rodungen der Wälder und die Trockenlegung von Sümpfen und Mooren begann, aus denen später einmal zusammenhängende Ländereien entstehen sollten, war das die Energieleistung freier Bauern, die dafür Land zur freien Nutzung versprochen bekamen. So bildete ihre Leistung die Grundlage dafür, die Bevölkerungszahl von 5 - 6 Millionen im 10. Jahrhundert auf 15 Millionen im 15. Jahrhundert zu steigern, trotz der verheerenden Seuchen.
Zumindest dieser Gesellschaftsvertrag wurde nicht oder nur mangelhaft erfüllt und das nicht nur im Mittelalter.
Das Land hatte zur Sicherung der Macht der Eliten zu dienen und zur Belohnung für Vasallen der Herrscher. Ebenso sicherte sich die Kirche, vor allem die Klöster, durch Schenkungen, Pfründverschreibungen und Regalien, enorme Gebiete.
Die Dreifelderwirtschaft mit ihrem dreijährigen Wechsel von Wintergetreide, Sommergetreide - Brache, sicherte die Lebensgrundlagen aller drei Stände des Mittelalters, die Nutznießer waren vor allem die ersten beiden Stände. Das schuf im Laufe der Jahrhunderte ein Ungleichgewicht, das für Krisen und Zerwürfnisse innerhalb der Gesellschaft bis in die jüngere Zeit die Verantwortung trägt.
Röseler zitiert zurecht in seinem sehr ausführlichen Quellenverzeichnis immer wieder den um 1300 schreibenden Autor "Wernher von der Gaertenaehre" mit seinem Text "Meier Helmbrechts" ,der ein seltenes und exzellentes Bild des bäuerlichen Lebens im Mittelalter wiedergibt.
Die Kapiteleinteilung ist übersichtlich und rational nachvollziehbar angelegt, das Buch nimmt sich gut zur Hand.
Auf alle Bereiche der wie erwähnt nicht immer ergiebigen Litetatur zum Thema einzugehen, hat sich der Autor aus Gründen der Übersichtlichkeit erspart, er tut gut daran.
Es ist ein buntes und abgerundetes Bild, das die interessierten Leser (m/w/d) vom bäuerlichen Leben im Mittelalter erhalten, keine wissenschaftliche Arbeit, sonst müsste das Buch zur Hälfte aus Anmerkungen und Kommentaren bestehen, wie die meisten Fachpublikationen zum Thema.
Daher kann ich dieses Buch mit gutem Gewissen allen empfehlen, die sich einen solidem Überblick verschaffen möchten.
Ich würde hier vier von fünf Sternen vergeben.