Hallo, Ikarus.
ZitatHabt Ihr eigentlich nicht manchmal so ein kleines, klitzekleines Bisschen das Gefühl, dass man - wenn man so splitting hairs über bessere Konstrukte von Sätzen usw.usf. betreibt - doch einiges an schlichtem flair verloren geht?
Nun, Haarspaltereien sind etwas anderes als Verschlimmbesserungen.
Jedes Wort in einer Geschichte ist wichtig, denn der verdammte, einfach nicht aus seiner Haut könnende Leser liest sie alle. Alles hat seine Bedeutung und seine Wirkung. Die Kunst beim Schreiben besteht darin, diese Wirkung einschätzen zu können, mit ihr zu spielen, sie zu forcieren. Ein Adjektiv gegen ein anderes ausgetauscht kann aus einer Geschichte eine andere machen - möglicherweise keine völlig andere, aber es wird etwas geschehen. Deshalb muß man sich über die Wortwahl, so sie nicht intiutiv perfekt ist, ziemlich viele Gedanken machen. Und manchmal ist es einer dieser Haarspalter, der einen auf den richtigen Weg bringt (siehe Diskussion zu Blaustrumpfs Gedicht "Sonntag im Spätherbst"). Natürlich funktionieren viele Geschichten und insbesondere Romane trotzdem, auch wenn nicht alles perfekt ist. Und wenn es klinisch wird, weil man sämtlichen Regelwerken der Schreibgurus folgt, hat man das Gegenteil dessen erreicht, was man erreichen wollte.
Manch ein Kritiker regt Veränderungen an, die zu einer Verschlechterung führen, weil sie zwar irgendwie richtig sind/scheinen (grammatikalisch, oder eben einer der Handwerks-Regeln folgend), aber einen Effekt erzeugen, der der Intention des Autors widerspricht oder sie zumindest relativiert. Das sind Verschlimmbesserungen. Alles höchst subjektiv; der Autor muß, wie Ira ganz richtig schrieb, schlußendlich selbst entscheiden, was seiner Geschichte dient und was nicht.
Und das alles ist kein Kleinkram. Es mag ein wenig haarig erscheinen, wenn man sich wortgewaltig über einzelne Formulierungen ausläßt. Aber das Gefühl für Sprachmelodie und der Umgang mit Stilmitteln, der explizite Verzicht auf sie, das Verweigern der Regeln usw. usf. ist Grundlage dafür, gut erzählen zu können. Ein falsches Wort kann eine Geschichte töten, sie mindestens verletzen.