Kurzbeschreibung (Quelle: Verlagsseite)
Hamburger Hafen, 1911: Anne Fitzpatrick behandelt in ihrer Arztpraxis am Hafen immer häufiger chinesische Frauen, die in den Kolonien als Arbeitskräfte angeworben wurden. Als eine der Frauen vor Annes Augen stirbt, schwört die Hafenärztin, die Verantwortlichen zu finden. Zusammen mit Kommissar Berthold Rheydt fängt sie an, im Chinesenviertel auf Sankt Pauli nachzuforschen. Der Kommissar glaubt, die mörderische Handschrift eines Erzfeindes zu erkennen. Sein Herz jedoch ist nicht ganz bei der Sache – er hat Helene Curtius seine Liebe erklärt. Doch auch Helene kämpft an mehreren Fronten um das Heil misshandelter Frauen. Während Anne sich zunehmend in große Gefahr begibt, macht Rheydt einen Schritt, der sein Leben und das von Helene für immer verändert.
Autorin (Quelle: Verlagsseite)
Henrike Engel pendelte in ihrem Leben ständig zwischen Berlin und München, mit beiden Städten verbindet sie eine komplizierte Liebesbeziehung. Eines aber ist konstant geblieben: ihre Liebe zu Hamburg! Manche Träume jedoch müssen unerfüllt bleiben, und so hat die ehemalige Drehbuchautorin nicht ihren Wohnort in die Hafenstadt verlegt, sondern träumt sich lieber schreibend dorthin.
Allgemeines
Dritter Band der Reihe „Die Hafenärztin“
Erschienen am 24.11.2022 bei Ullstein als TB mit 480 Seiten
Gliederung: Prolog - Roman in drei Teilen – Epilog (insgesamt 43 Kapitel) – Nachbemerkung
Erzählung in der dritten Person aus wechselnden Perspektiven
Handlungsort und -zeit: Hamburg, 1911
Inhalt
Die „Hafenärztin“ Anne Fitzpatrick hat sich inzwischen in England dem Gericht gestellt und konnte nach Hamburg zurückkehren, wo sie nun unter ihrem wirklichen Namen Anne van der Zwaan praktiziert. Sie behandelt nach wie vor Frauen aus prekären Verhältnissen im Frauenhaus am Hafen und sie nimmt auch Gesundheitsuntersuchungen an den Prostituierten in den Bordellen der Hafengegend vor. In einem Bordell im Chinesischen Viertel wird sie Ohrenzeugin, als eine Prostituierte von einem Freier grausam ermordet wird. Die Bordellwirtin will offenbar den Leichnam verschwinden lassen und die Polizei aus dem Spiel lassen. Deshalb wendet Anne sich an Kommissar Berthold Rheydt. Dieser hat das Chinesische Viertel ohnehin schon im Visier, da in einem Fass in einer Lagerhalle die Leiche eines Chinesen entdeckt worden ist.
Helene Curtius hat mittlerweile bei ihrem Vater durchgesetzt, dass sie Lehrerin werden darf, ein Beruf, den sie nur als unverheiratete Frau ausüben darf. Ihr Entschluss gerät deshalb ins Wanken, als ihre Beziehung zu Berthold Rheydt ernster wird. Helene macht sich Sorgen um ihre beste Freundin Paulina, die einen Helene extrem unsympathischen Mann geheiratet hat, der seine Frau offenbar schon kurz nach der Eheschließung misshandelt.
Beurteilung
Der dritte Band der Reihe greift diverse Handlungsstränge aus den beiden vorhergehenden Bänden auf, wobei auch die Identitäten der Mörder aus diesen beiden Romanen genannt werden. Um nicht gespoilert zu werden und der verwickelten Handlung folgen zu können, sollte der vorliegende Roman unbedingt erst im Anschluss an die ersten beiden Bände gelesen werden.
Neben den aktuellen Ermittlungen im Fall der beiden getöteten chinesischen Mitbürger stehen nach wie vor die kriminellen Machenschaften von Annes Vater Roger van der Zwaan im Mittelpunkt, die Anne aufdecken möchte. Auch dieser Handlungsstrang reicht ins Chinesische Viertel hinein, denn van der Zwaan hat offenbar Kontakte zum zwielichtigen Geschäftsmann Sun Bo, der der heimliche Herrscher des Rotlichtbezirks zu sein scheint. Anhand von Helenes Geschichte werden die erschreckenden Ehe-Gesetze in Bezug auf die Rechte der Frauen beleuchtet, noch im 20.Jahrhundert dürfen Männer ihre Frauen legal misshandeln („Züchtigung“).
Die Handlung wird aus wechselnden Perspektiven abwechslungsreich, sehr anschaulich und spannend dargeboten, der Leser erhält interessante Einblicke in das Leben im Chinesischen Viertel Hamburgs, das später durch die Nationalsozialisten ausgelöscht wurde. Sehr interessant ist auch die Darstellung der fehlenden gesetzlichen Regulierung im Hinblick auf Erwerb und Verkauf von Rauschmitteln. Morphin gilt als Mittel, um Opiumsucht zu heilen, Drogen können unbeschränkt eingeführt und verarbeitet werden. Erst allmählich reift die Erkenntnis der Gefährlichkeit dieser Stoffe.
Die Forensik macht weitere Fortschritte, Gerichtsmediziner und Pharmakologen gelingt es, Drogen im Blut Verstorbener nachzuweisen.
Die Ausgestaltung der Charaktere der Romanfiguren ist größtenteils realistisch, der Ehemann von Paulina ist allerdings etwas zu sehr als Erzschurke gezeichnet und auch Helenes Handlungen sind nicht allesamt glaubwürdig und nachvollziehbar. Die Liebesgeschichte von Berthold und Helene kommt gelegentlich ein wenig zu „gefühlsüberfrachtet“ daher.
Fazit
Ein weiterer lesenswerter Band um die Hafenärztin Anne van der Zwaan und ihre Freunde, der interessante Einblicke in das Leben im Chinesischen Viertel Hamburgs zu Beginn des 20. Jahrhunderts bietet!
8 Punkte