Fragen von Tom Liehr an die Eulen

  • Die Frage an Euch: Wie seht Ihr das? Trennt man sich wirklich nur, weil es einfach nicht mehr auszuhalten ist, oder weil man sich in einen anderen oder eine andere verliebt hat?

    Nein, natürlich gibt es viele Gründe, warum sich Paare trennen. Ich vermute, dass es häufig zur Trennung kommt, weil sich einer oder beide falsche Vorstellungen vom Charakter der anderen Person oder vom Ehealltag gemacht hat.

    Wenn dann auch noch Zuneigung und Wertschätzung abnehmen, halten nur noch äußere Bedingungen die beiden zusammen.


    Nach meiner Erfahrung nehmen viele ihr Eheversprechen ernst genug, um mit den Widrigkeiten und Enttäuschungen, die in der Ehe entstehen, auf möglichst harmonische Weise umzugehen und finden oft dabei einen neuen Zugang zum Partner.

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    Von den vielen Welten, [...] ist die Welt der Bücher die größte. (Hermann Hesse)


    :lesend MZB: Darkover-Universum

  • Nach meiner Erfahrung nehmen viele ihr Eheversprechen ernst genug, um mit den Widrigkeiten und Enttäuschungen, die in der Ehe entstehen, auf möglichst harmonische Weise umzugehen und finden oft dabei einen neuen Zugang zum Partner.

    Allerdings stammt das Eheversprechen, um Andrew McCarthy in seiner Rolle als Kevin Dolenz in "St. Elmo's Fire" sinngemäß zu zitieren, aus einer Zeit, als die Leute froh waren, mit 30 noch nicht von DInosauriern gefressen zu sein. Das Eheversprechen wurde (nicht nur) Frauen von früher Kindheit an als unbedingtes Lebensziel eingepflanzt, die Ehe als einziges gesellschaftlich akzeptables Lebensmodell, und die Ehe war so gestaltet, auch vom Gesetzgeber, dass es vor allem für Frauen mehr als eine Katastrophe bedeutete, wenn sie vorzeitig endete (oder nie eingegangen werden konnte). Die Ehe ist zudem ein tief in der christlichen Mythologie verankertes Sakrament, ein vermeintlich geheiligter Vorgang, den zu brechen in einigen Konfessionen lange Zeit ein Tabu war oder immer noch ist. Sie war über Jahrhunderte der alternativlose, wirtschaftlich sichere Hafen für Frauen, denen auch versagt war, berufliche Karriere zu machen, und außerdem politisches und soziales Instrument. Die Ehe hat traditionell eher pragmatische und strukturelle Zwecke als solche, die mit Emotionen einhergehen, und die Ehe aus Liebe war sehr, sehr lange Zeit erstens die Ausnahme und zweitens ein Luxus, den man sich gönnen können musste. Sie hatte bis vor nicht allzu langer Zeit also eher weniger mit Liebe zu tun, um es noch nett auszudrücken.

    Und wir befinden uns in einer Gesellschaft, in der es die Ehe (und damit auch das bestimmende Modell der institutionalisierten Zweierbeziehung) nicht mehr nur für Heteros gibt, in der aus Spaß oder eher nebenbei oder wirklich nur aus pragmatischen (aber egoistisch-pragmatischen) Gründen geheiratet wird, man das Eheversprechen ("Bis dass der Scheiß uns tötet" ;) ) - glücklicherweise in vielen Fällen - nicht mehr als in Stein gemeißeltes Urteil über die zukünftige Lebensplanung betrachtet oder schlicht nicht mehr abgibt. Eine Gesellschaft, in der immer mehr Frauen (und viel mehr Frauen als früher) nicht mehr wirtschaftlich und sozial abhängig von (ihren) Männern sind, in der neue Lebensplanungen auch nach dem Erreichen des fünfzigsten, sogar sechzigsten Lebensjahres noch möglich sind. In der Beziehungen und damit auch Ehen als Episoden gelten können.


    Davon abgesehen ändern sich Menschen, und wenn man nicht mehr derjenige ist, der mal ein Versprechen abgegeben hat, wäre es vor allem im Hinblick darauf, dass man nach dem Ende des einen kein zweites Leben für die alternative Lebensgestaltung hat, oft eine Dummheit, dieses eine Leben an ein Versprechen zu verschenken, das einzuhalten nicht nur einen selbst unglücklich macht.


    Ich kann diesen Wunsch nach langfristiger Sicherheit in Bezug auf die Lebensplanung gut verstehen, und das Bemühen, eine leicht erodierende Beziehung lieber zu retten als den Sprung ins eiskalte Ungewisse zu wagen, und ich würde mich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlich selbst auch so verhalten. Aber das hat eben auch mit dem oben Skizzierten zu tun. Dieser Gedanke, dass die Sicherheit vermittelnde, institutionalisierte Beziehung das einzig erstrebenswerte und deshalb um fast jeden Preis zu erhaltende Lebensziel ist, die ist uns anerzogen und eingepflanzt, und ich halte es für sehr sinnvoll, das zu hinterfragen, und zwar nicht nur aus einer Perspektive, die das sowieso dringend gebietet, etwa vor dem Hintergrund häuslicher Gewalt, sondern durchaus auch schon dann, wenn vom reinen Glück nichts mehr übrig ist und man nur noch aus Langeweile und/oder Angst vor den Alternativen zusammenbleibt.

  • So, hier bin ich wieder mal viel zu spät dran, aber das ist jetzt nicht mehr zu ändern.

    Vieles wurde gesagt bzw. geschrieben und ich weiß ohnehin nicht, ob ich meine Empfindungen so gut in Worte fassen kann. Grundsätzlich kann ich mich aber dem meisten, was rienchen , Rosenstolz und Ellemir hier geschrieben haben, anschließen. Ihre Worte geben viele meiner Gedanken wieder.


    Tom :

    Du schreibst: "Liebe ist nicht mehr Liebe, wenn man sie mit "gewöhnlich" oder "alltäglich" beschreiben kann. In dem Moment, in dem das passiert, ist die Liebe längst davon, etwas anderem gewichen. Sicherheit, Zuneigung, Freundschaft, Gewöhnung, was weiß ich.". Dem ersten Teil würde ich evtl. noch zustimmen. Dem Rest eher nicht so. Liebe ist doch Zuneigung. Eine sehr starke Zuneigung, aber nicht die brodelnde Leidenschaft, die man zu Beginn einer Beziehung spürt. Es ist schön und wünschenswert, wenn diese Leidenschaft immer wieder etwas anwesend wird, aber auf die Dauer? Das wäre doch für den Körper eh zu anstrengend. Vielleicht ist das eines der Gründe, warum ich Deine Sicht hier nicht so ganz werde nachvollziehen können (oder auch das Verhalten von Marie und Clemens) - unterschiedliche Ansichten zur Liebe. :gruebel


    Ein anderes Thema, bei dem Du einfach gewohnt außerordentlich gut argumentierst (sprachlich und inhaltlich) und es allein deswegen schwer ist, seine eigene Position zu erklären (denn so unvergleichlich, wie Du es machst, kann ich es nun mal nicht :grin;)) ist diese Sache:

    "Dieser Gedanke, dass die Sicherheit vermittelnde, institutionalisierte Beziehung das einzig erstrebenswerte und deshalb um fast jeden Preis zu erhaltende Lebensziel ist, die ist uns anerzogen und eingepflanzt, und ich halte es für sehr sinnvoll, das zu hinterfragen, und zwar nicht nur aus einer Perspektive, die das sowieso dringend gebietet, etwa vor dem Hintergrund häuslicher Gewalt, sondern durchaus auch schon dann, wenn vom reinen Glück nichts mehr übrig ist und man nur noch aus Langeweile und/oder Angst vor den Alternativen zusammenbleibt."

    Ich glaube nicht, dass eine Sicherheit vermittelnde Beziehung um jeden Preis erhalten werden muss. Ich glaube aber auch nicht, dass man bei jeder kleinsten Erosion die Beziehung beenden sollte. Es liegt viel zwischen "nicht mehr übrig von reinem Glück" und "nicht mehr das brodelnde Feuer, was man anfangs hatte". Zumal "Glück" und das Glücklichsein oft auch Ansichtssache ist.


    Es ist generell ein spannendes Thema und unerschöpflich, wie mir scheint.

    Um auf Deine Ausgangsfrage einzugehen:

    Trennt man sich wirklich nur, weil es einfach nicht mehr auszuhalten ist, oder weil man sich in einen anderen oder eine andere verliebt hat?


    Nein, das würde nicht unbedingt so sehen. Die Paare, die Du beschreibst - klar, man kann sich auch trennen, wenn "die Luft raus ist". Oder weil man merkt, die Liebe ist weg. Ob ich das wirklich nachvollziehen kann, weiß ich nicht, das ist mir alles ein bisschen schwarz-weiß. Das funktioniert evtl. auch nur bei Menschen, die nicht wirklich so gerne in Beziehungen sind und so unkompliziert ticken, dass sie gefühlt an jeder Ecke einen potentiellen Partner finden. Dazu zähle ich mich nicht. :lache


    Um eine Überleitung zu Deinem Buch zu schaffen - es hat mich nicht gestört, dass sich Marie und Clemens trennen. Aber ich habe hier die Hintergründe nicht so gut nachvollziehen können. (Aber dazu schrieb ich an einer anderen Stelle, ich möchte darauf gar nicht rumreiten. Ich wollte nur klar stellen, dass ich eine "Trennung ohne großen Grund" schon für realistisch halte, so grundsätztlich).


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    So, Hausaufgaben gemacht. :grin

    Rezi folgt hoffentlich noch diesen Monat.

    With love in your eyes and a flame in your heart you're gonna find yourself some resolution.


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  • Hallo, Gummibärchen.

    Ich glaube aber auch nicht, dass man bei jeder kleinsten Erosion die Beziehung beenden sollte.

    Das glaube ich auch nicht. Ganz im Gegenteil. Gerade Beziehungen, die Erosionen begegnen, die sie bewältigen, festigen sich (und werden sogar besser und leidenschaftlicher - ich habe es ja andernorts gesagt, dass ich selbst nicht der Meinung bin, die Marie an einer Stelle formuliert). Aber bei Clemens und Marie gibt es ja auch keine "kleinste Erosion", sondern eine große, schleichende, fortwährende. Es gibt Abbau, über zwanzig lange Jahre hinweg. Was fehlt, das ist der unmittelbare (möglicherweise sogar äußere) Anlass. Damit haben einige Leser und -innen Schwierigkeiten. Das kann ich einerseits verstehen, andererseits geht es genau um das in der Geschichte. Dass sich zwei nicht aus den üblichen Gründen trennen, also weil sie sich ständig streiten, sich richtig auf den Sack gehen, sich anlügen und gegenseitig betrügen, sich ankotzen, einander hintergehen, oder irgendwann sogar abgrundtief hassen. Sondern "einfach" nur, weil sie finden, dass nicht mehr genug Liebe da ist, um das Leben weiter zu teilen.


    Vielen lieben Dank für Deine ausführlichen Anmerkungen und Gedanken zu dem Text und seinen Themen. Ich finde diese Diskussionen sehr interessant und manchmal sogar ein bisschen beglückend.