Schneidmüller,Weinfurter,Wieczorek (Hrsg.) - Verwandlungen des Staufferreichs

  • Schneidmüller, Weinfurter, Wieczorek - Verwandlungen des Staufferreichs

    ASIN/ISBN: 3806223653


    Die Popularität und Wirkung, die eine Familie aus schwäbischem Kleinadel des Mittelalters bis in die heutige Zeit erreicht, zeigt sich schon darin, daß in diesem Buch Stauferexperten aus Deutschland, Italien, der Schweiz, Griechenland und den USA ihre Beiträge geleistet haben.

    Drei Stauferkaiser, drei Regionen Europas werden beleuchtet:

    Die Rhein - Main Region Deutschlands, Oberitalien und das ehemalige Königreich Sizilien.

    Friedrich I. Barbarossa, Heinrich VI. und Friedrich II. hinterließen dort Spuren, die noch im heutigen vereinten Europa nachwirken, teilweise die Grundlagen dafür schufen.

    Die Staufer steuerten über ein Jahrhundert, vom 12. bis zum 13. Jahrhundert, die Geschicke des größten Teils Europas. Dazu gehörten die Reiche nördlich und südlich der Alpen und zum Teil Burgund.

    Doch welchen Handlungsspielraum besaßen sie wirklich? Welchen Situationen, Voraussetzungen und Entwicklungdprozessen standen sie gegenüber?

    Dieses heterogene Reich muß man sich vorstellen als lebendigen Organismus, der in stetem Wandel und Erneuerung begriffen werden muss. Die staufische Epoche war eine Zeit der Innovation, kulturell, wirtschaftlich, technisch und politisch. Das HRR war kein zentralistisch geführtes Staatswesen, die Herrscher mussten ihr Reich ständig im Wortsinn bereisen, um es zu besitzen. Die drei Kernregionen, auf die sich die Staufer hauptsächlich verlegten, wurden so zu "Vorsprungslandschaften", "Führungslandschaften" und "Innovationsräumen", die einen zur damaligen Zeit unwiderstehlichen Sog auf die übrigen europäischen Regionen ausübten, die ihnen darin nachfolgten.

    Den Eindruck, den ein Kaiser wie Friedrich II. in der Welt des deutschen Mittelalters hinterließ, wenn er mitsamt seinem ganzen orientalischen Hofstaat zum Reichstag nach Worms 1235 zog, können wir uns heute kaum noch in seinem erschütternden und beeindruckenden Maß vorstellen.

    Die Staufer brachten Glanz und Elend in die enge Welt des europäischen Mittelalters, Reichtum, Besserung der Lebensumstände, aber auch ewige Kriege, Knechtschaft und Fehde.

    Allen war gemeinsam, das sie sowohl Visionäre als auch Pragmatiker der Macht waren, großzügig und liberal, weitblickend und intellektuell, dann wieder knauserig, brutal und anmaßend.

    Keiner von ihnen sah sich selbst je als Staufer, die Vorstellung, was eine Dynastie sei, unterlag im Hochmittelalter einem historischen Wandel. Die Staufer sahen sich eher als eine "Wirkungsgemeinschaft", die auf leiblicher Erbfolge basierte.



    Beurteilung:

    Die Geschichtsschreibung sah bis ins 19. Jahrhundert hinein den jeweiligen Herrscher als Verkörperung vom Idealbild des geschlossenen Staatskörpers eines Volkes, von dessen Macht und Ansehen an.

    Unter der sachkundigen Moderation der Stauferexperten Weinfurter und Schneidmüller wird in diesem Buch versucht, diese Sicht zu erweitern um den Blickwinkel der Regionen, der Diversität der Kulturen, die zu den außerordentlichen Erfolgen der Stauferkaiser beitrugen.

    Die kulturelle Dimension des Stauferreichs, seine ethnische, soziale und strukturelle Vielfalt, machten das Reich aus. Nur durch geschickte Auslassung von Macht, füllten sich die Nischen, welche die Macht der Städte und Landsmannschaften, den Emanzipationsgedanken eines heranwachsenden, selbstbewußten Bürgertums im Reich zuliessen, um Bündnisse zu schließen. Der Dualismus des HRR mit Rom führte Völker und Regionen zusammen, manchmal auch widerwillig, das wird hier klar und deutlich bewiesen.


    Dazu ist dieser Band mit prachtvollen, zum Teil farbigen Bildern versehen, die die kulturelle Blüte der Stauferzeit widerspiegeln.

    Es wird klar, daß der Begriff 'Mittelalter', der ursprünglich als abwertende Polemik der Renaissance gedacht war, in Wahrheit eine Zeit der Farbigkeit, Innovation und Kulurvielfalt umschreibt. Die Polemik hat sich in ein Markenzeichen verwandelt, das Mittelalter "boomt" heute, vor allem bei jungen Menschen, wie ich selbst von meinen Seminaren her weiß.

    Vor allem die Zeit der Staufer ist dabei bis heute faszinierend geblieben.

    Die Autoren haben sich erfolgreich bemüht, diese kulturelle Blüte der Stauferzeit vom Ballast des nationalen Pathos und vor allem von völkischem Unrat zu befreien.

    "Staufisch" bedeutet weder deutsch noch ist das HRR mit irgendeinem deutschen Staatswesen der nachfolgenden Epochen identisch. Wenn regional erfassbar, so war die Zeit der Staufer eine zutiefst europäische Zeit, die viele Errungenschaften vorwegnahm, die Jahrhunderte später zur Europäischen Union führten.

    In seiner klugen Didaktik und seiner soziokulturellen Herleitung, seiner Diskussionsfreude und seiner klaren, verständlichen Sprache, ist dies ein wertvolles Buch, weil es in der Lage ist, die Dimension staufischen Erbes in Europa angemessen darzustellen.

    Eine klare Leseempfehlung von mir!