'Kinder des Aufbruchs' - Seiten 001 - 080

  • Meine Mutter war auch zur Kindererholung 1949 und 1953 und hat furchtbare Erinnerungen/ Bilder vor Augen von dieser Zeit. (Bei Essen angebunden, erbrochenes essen...) Mein Onkel musste mit zwei Jahren 1943 auch in eine staatliche Kinderbetreuung, als die Entbindung des zweiten Kindes bevorstand. Da Hannover stark bombardiert wurde, kamen die Schwangeren nach Hahnenklee im Harz. Er kam stark verändert und traumatisiert nach Monaten wieder zurück zu seiner Familie.

    Wie schrecklich, aber das deckt sich leider mit vielen Heimberichten ...

  • Hast Du diese Kassetten noch? Das muss doch unglaublich spannend gewesen sein.

    Natürlich! Auch noch Kassettenrecorder und da ich diese Oma sehr gut nachmachen kann, bekommt mein Vater manchmal dadurch spez. Unterhaltungsprogramm.


    Ebenso haben wir 1997 nach ihrem Tod ein mit Schleife zusammengehaltenes Briefbündel gefunden, welches so platziert war, dass wir es finden sollten. Wobei die Großmutter viele Jahre blind war und daher auch nicht Sachen noch beiseite schaffen konnte. Die Briefe waren von den Eltern meines Vaters, in denen Oma ihn z.B. über die Geburt des zweiten Sohnes informiert hat, aber noch viel interessanter, in denen Opa ihr mitgeteilt hat, was sie auf die Flucht mitnehmen soll und der Briefwechsel während der Flucht bis zum Wiedersehen/ Wiederfinden von Familienangehörigen. (Leider zeigt mein Vater kein Interesse an den Briefen, er war doch dabei als Sechsjähriger)


    Die anderen Großeltern haben viel mehr Briefe hinterlassen, jeden Tag in der Kennlernzeit (den Kennlerntag feierten sie auch jedes Jahr) ging ein Brief bis zur Hochzeit 1940 von Hannover nach Mülheim/Ruhr und einer nach Hannover. Mein Opa wohnte am hann. Bahnhof und hat kurz vor 22 h seinen Brief am Zug eingeworfen und meine Oma bekam zum Frühstück den Umschlag. Post gab es auch Sonntags.
    Er äußerte am Tag nach dem Tod meiner Oma, dass seine Briefe Sargbeigabe bei ihr sind, aber das....Nein, das wäre so schade gewesen. So ist es ein Teil der Originale und Fotokopien geworden. Durch die Briefe erfährt man so viel, wie sie sich gegenseitig ihre Familien beschreiben... herrlich.

    Manche Bücher müssen gekostet werden, manche verschlingt man, und nur einige wenige kaut man und verdaut sie ganz.
    (Tintenherz - Cornelia Funke)

  • Ja, und das war natürlich auch ein Generationskonflikt. Die ältere Generation, die von dem Geist einer ganz anderen Zeit geprägt war, hatte wenig Verständnis für das Aufbegehren der Jüngeren.

    Ich glaube, es hat viele auch an den Krieg erinnert und sie wollten einfach nur gut Geld verdienen und ansonsten ihre Ruhe und ihren Frieden haben. Dass da plötzlich jemand kommt und demonstriert, seine Meinung recht unsanft kund tut, das hat viele schockiert. Und die Presse hat ja mehrheitlich sehr einseitig berichtet. Da kommt in dem Buch sehr gut rüber.

    Und der Schah, ich erinnere mich an meine Tanten, die gerne Regenbogenblätter lasen und natürlich erstmal empört waren was mit Soraya passierte aber auch den Prunk sahen. Nur das unterdrückte Volk sah keiner.

  • Hi, diskussionstechnische geht ja hier die Post ab.... Na, da habe ich nachher eine Menge zu lesen... Und ich dachte, ich sei besonders früh dran...

    Ich habe "Kinder ihrer Zeit" erst im vorigen Monat (als Vorbereitung für diese Leserunde) gelesen - obwohl ich eigentlich ungern zwei Bücher einer Autorin fast direkt hintereinander lese - so habe ich überhaupt keine Schwierigkeiten, reinzukommen... Aber ich finde die Hinweise auf die Vergangenheit auch super platziert und sie helfen bestimmt der einen oder anderen bei Erinnerungslücken...

    Ja, der Prolog: die alten Seilschaften funktionieren also noch und Andrej ist "aufgestiegen" (das Markov Grigorjej bei dem Schusswechsel mit Sergej gestorben ist, war mir nicht so klar), ja, ja, jeder Mensch ist ersetzbar... Mir ging beim Lesen des Prologs durch den Kopf, dass wir vielleicht die "Geburtsstunde der Installation" (oder wie sagt man in Spionagekreisen?) von Günter (?) Guillaume miterlebt haben - der bis in die nächste Umgebung von Willy Brandt gekommen ist...


    Oh. so'n Mist, ich muss leider abbrechen... heute Nachmittag /Abend mehr von mir!! Sorry...

  • Die anderen Großeltern haben viel mehr Briefe hinterlassen, jeden Tag in der Kennlernzeit (den Kennlerntag feierten sie auch jedes Jahr) ging ein Brief bis zur Hochzeit 1940 von Hannover nach Mülheim/Ruhr und einer nach Hannover. Mein Opa wohnte am hann. Bahnhof und hat kurz vor 22 h seinen Brief am Zug eingeworfen und meine Oma bekam zum Frühstück den Umschlag. Post gab es auch Sonntags.

    Wie toll! Das finde ich großartig und solche Dokumente haben ja nicht nur persönlich für die Familie einen besonderen Wert, sondern auch als Zeitzeugen-Dokumente für kommende Generationen.

  • Ich glaube, es hat viele auch an den Krieg erinnert und sie wollten einfach nur gut Geld verdienen und ansonsten ihre Ruhe und ihren Frieden haben. Dass da plötzlich jemand kommt und demonstriert, seine Meinung recht unsanft kund tut, das hat viele schockiert.

    Ja, da hast Du sicher recht. Die Vergangenheit wurde ja ohnehin oft totgeschwiegen, weil es einfacher war, auf diese Weise damit umzugehen. Es war auf jeden Fall ein Schock und die Generationen prallten ja nicht nur mit ihren politischen Einstellungen, sondern auch ihren Vorstellungen von Moral und Hierarchie und ihren gegensätzlicheren äußeren Erscheinungen aufeinander.

  • Seite 25:

    Das ist mir das Wort "Studierende" ins Auge gefallen.

    Ich will ganz sicher keine Diskussion um das Gendern anstoßen..........es ist mir nur sofort aufgefallen.

    Weil es für mich nicht in diese Zeit passt, bzw. ich nicht glaube, dass Julius so gedacht hat. :-)

    Andererseits habe ich mir auch noch keine Gedanken zu diesem Thema in Romanen allgemein gemacht.

  • Das ist mir das Wort "Studierende" ins Auge gefallen.

    Ich will ganz sicher keine Diskussion um das Gendern anstoßen..........es ist mir nur sofort aufgefallen.

    Also im Dialog, wenn die Menschen dieser Zeit sprechen würde ich "Studierende" auch nicht nehmen. Im Text selbst finde ich einen Mittelweg gut, ich persönlich bevorzuge dabei den Plural, allerdings geht das auch nicht immer. :)

  • Seite 25:

    Das ist mir das Wort "Studierende" ins Auge gefallen.

    Ich will ganz sicher keine Diskussion um das Gendern anstoßen..........es ist mir nur sofort aufgefallen.

    Weil es für mich nicht in diese Zeit passt, bzw. ich nicht glaube, dass Julius so gedacht hat. :-)

    Andererseits habe ich mir auch noch keine Gedanken zu diesem Thema in Romanen allgemein gemacht.

    Ehrlich - mich stört das nicht. Eher wenn mit hängen und würgen gegendert wird. Studierende halte ich für völlig passend. Aber wenn beide !! und da fallen anders fühlende schon wieder unter den Tisch - Studentinnen und Studenten.

  • Ehrlich - mich stört das nicht. Eher wenn mit hängen und würgen gegendert wird. Studierende halte ich für völlig passend. Aber wenn beide !! und da fallen anders fühlende schon wieder unter den Tisch - Studentinnen und Studenten.

    Ja, das stimmt natürlich auch wieder. Mir geht es bei diesem Thema übrigens ähnlich. Ich bin da sehr offen, Sprache befindet sich nun mal auch in einem ständigen Veränderungsprozess, aber es muss auch passen und gerade bei einem Roman ist das manchmal auch eine Gratwanderung.

  • Also weiter mit meinen Eindrücken: also 6 Jahre weiter... Das Ehepaar Laakmann ist gut situiert, ein Wermutstropfen ist die Fehlgeburt von Emma vor 11 Monaten, die die Beziehung in eine kleine (oder große?) Krise bringt... Wahrscheinlich fühlt sie auch ihre "biologische Uhr" ticken (damals war ja die Medizin noch nicht so weit fortgeschritten) und ist deshalb im Stress - und dann wird's sowieso nichts... Aber ich erhoffe mir, dass sie evtl. durch die Beschäftigung mit Luca von ihren Problem abgelenkt wird und dann doch schwanger wird...

    Alice und Max haben sich für ihre Tochter in einer Ehe "arrangiert", aber da ist beziehungstechnisch durchaus "Luft nach oben", da könnte ich mir langfristig eine "echte" Beziehung durchaus vorstellen!

    Irma wird also tatsächlich noch immer von der Stasi unter Druck gesetzt, sie soll Kontakte zu Alice herstellen, warum? Eine rein rhetorische Frage, wir werden es sicher erfahren... Ich könnte ihr einen Weg aufzeigen: Max vertritt doch jüdische Mitbürger und Irmas Freund Aaaron scheint ein echtes juristisches Problem zu haben... Aber eigentlich will ich gar nicht, dass die Stasi Alice zu nahe kommt, die Drohung "Wir vergessen nie" reicht ja schon für ein Leben...

    Und Julius hat auch so einen merkwürdigen Brief bekommen, über den wir noch nichts wissen...

    Ich bin sicher, dass Luca noch eine wichtige Rolle spielen wird, im Augenblick erscheint es mir so, als habe er auch ein Geheimnis... Aber auch der Heimleiter ist nicht m.E. nicht "sauber"...


    Ansonsten haben mir die zeitgenössischen Beschreibungen wunderbar gefallen, ich hatte das Gefühl, ich sei dabei gewesen... Beim Tod von Benno Ohnesorge war ich noch zu jung, das habe ich nicht so direkt mitbekommen (und meine Mutter war eher an Farah Diba (von Soraya war er doch schon getrennt?) interessiert... Politisch habe ich mich erst ca. zwei Jahre damit beschäftigt - aber dann gleich mit aller Macht: sehr zum Entsetzen meiner Familie bin ich mit einer Plakette "Enteignet Springer" herumgelaufen.. Zur Anti-Springer-Demo nach dem Attentat auf Dutschke durfte ich nicht (da habe ich mich noch an Verbote gehalten...). Ja, das war schon eine sehr interessante Zeit, es ist nur leider nachher mit der RAF und anderen Geschichten etwas aus dem Ruder gelaufen...

    Also: ich bin vom ersten Leseabschnitt begeistert, so kann es gern weitergehen...

  • Ich saß auf der Terrasse meines Elternhauses, 250 m entfernt vom Haus von Christa Ohnesorg (+2000) und ihres Sohnes. Auf unserem Stadtteilfriedhof ist weiterhin das unauffällige Grab der beiden Ohnesorgs.

    Oh, einen persönlichen Bezug zu Benno Ohnesorge... Ich wusste gar nicht mehr, dass er aus Hannover kam...

    Ich erinnere mich nicht daran, was sie für eine Rolle im ersten Band gespielt hat/ was wir über sie wissen.

    Sie hat damals auch schon Alice für den KGB ausspioniert...

  • aber ich habe das Gefühl, dass die Begegnung mit dem Waisenjungen und die Unterstützung, die sie ihm sicherlich geben wird, ihr gut tut.

    Das ist auch meine Idee!

    sondern Irma wieder auf sie angesetzt. Und ich weiß auch schon, wie das weitergehen wird. Jetzt wird die Julius als Anwalt für den Freund engagieren und damit Emma nahe kommen.

    Du meinst sicherlich Max? Aber ja, da bin ich auch Deiner Meinung!

  • Ich habe ja schon mehrere Romane über dieses Thema gelesen. Leider war das ganz egal ob im Westen oder Osten und auch in welchem Land. Waisenhäuser waren allerorts sehr oft fürchterlich. Und wie oft dort und in Internaten o.ä. Gefühlskalte, Perverse und Sadisten und Kinderschänder unterwegs waren, ist immer wieder beängstigend. Hier in der Geschichte könnte aber noch mehr dahinter stecken. Da wird etwas vertuscht. Allerdings vom Heimleiter UND von Luca. Nur was

    Und all die Heime, die unter Trägerschaft der Kirchen standen...

    Ja, Luca hat auch so ein kleines Geheimnis...

  • Mein Vater, der sehr jung verstorben ist und Ende der 60er Jahre als junger Germanistik-Dozent an der FU unterrichtete, hat mit meiner Mutter in diesen Jahren ein Tonbandgerät gekauft und sie haben das Gerät stundenlang bei Gesprächen mit Familie und Freunden laufen lassen. Ohnesorg, die Studentenunruhen und Springer waren dabei ein häufiges Thema in den oft sehr erhitzten Diskussionen. Ich habe durch diese Tonbänder auch erst bei der Arbeit an diesem Buch erfahren, dass Ohnesorg als Student in einem seiner Seminare war.

    Oh, das ist ja total spannend, so ein richtiger Original-Zeitzeugenbericht...

  • und in den Aufschwungjahren war das Verhalten der Studenten eben unerwünscht und wurde rigide angegangen.

    Ich glaube, die Deutschen waren es nicht gewohnt, dass "die Jugend" sich so kollektiv solidarisierte, es war für die Eltern, Lehrern, Erziehern, Dozenten ein vollkommenes Rätsel, dass "ihre Kinder" so waren, z.B. lange Haare bei Männern... "Solange Du Deine Füße unter meinen Tisch stellst"... Sie standen der Entwicklung mit einer gewissen Hilflosigkeit gegenüber. Und wir dürfen nicht vergessen, dass es noch einen weiteren Konflikt zwischen den Generationen gab: Das Verhalten der Eltern im Nationalsozialismus...

    Sein Anwalt, Horst Mahler war ja auch der Verteidiger der RAF-Mitglieder, wenn ich das richtig in Erinnerung habe

    Ja, bevor er selbst zur RAF ging (oder einer der Nachfolgeorganisationen)...

  • Politisch habe ich mich erst ca. zwei Jahre damit beschäftigt - aber dann gleich mit aller Macht: sehr zum Entsetzen meiner Familie bin ich mit einer Plakette "Enteignet Springer" herumgelaufen.. Zur Anti-Springer-Demo nach dem Attentat auf Dutschke durfte ich nicht (da habe ich mich noch an Verbote gehalten...)

    Ach, wie spannend! Dann hast Du ja auch einen sehr persönlichen Bezug zu den politischen Ereignissen ... Darauf müssen wir an späterer Stelle im Buch noch mal zurückkommen.

    Also: ich bin vom ersten Leseabschnitt begeistert, so kann es gern weitergehen...

    Dankeschön!!!:)

  • Ich glaube, es hat viele auch an den Krieg erinnert und sie wollten einfach nur gut Geld verdienen und ansonsten ihre Ruhe und ihren Frieden haben. Dass da plötzlich jemand kommt und demonstriert, seine Meinung recht unsanft kund tut, das hat viele schockiert. Und die Presse hat ja mehrheitlich sehr einseitig berichtet. Da kommt in dem Buch sehr gut rüber.

    Ich finde auch, dass die Stimmung damals sehr gut und nachfühlbar beschrieben ist

    Ja, da hast Du sicher recht. Die Vergangenheit wurde ja ohnehin oft totgeschwiegen, weil es einfacher war, auf diese Weise damit umzugehen. Es war auf jeden Fall ein Schock und die Generationen prallten ja nicht nur mit ihren politischen Einstellungen, sondern auch ihren Vorstellungen von Moral und Hierarchie und ihren gegensätzlicheren äußeren Erscheinungen aufeinander.

    Genau!