Der Killer im Kreml - John Sweeney

  • Sie legen sie* über die Toten: ein älterer Mann, eine Mutter mit Kind. Wenn der Kreml behauptet, man schieße nicht auf Zivilisten, dann ist das eine Lüge. Ich habe die zivilen Opfer des russischen Krieges mit eigenen Augen gesehen. (Seite 20)


    336 Seiten, Klappenbroschur

    Originaltitel: Killer in the Kremlin, The Explosive Account of Putin’s Reign of Terror

    Aus dem Englischen von Ulrike Strerath-Bolz, Karl Heinz Siber, Bernhard Schmid, Monika Köpfer, Stefanie Römer, Larissa Rabe

    Verlag: Wilhelm Heyne Verlag, München 2022

    ISBN-10: 3-453-21849-3

    ISBN-13: 978-3-453-21849-9



    Zum Inhalt (eigene Angabe)


    Von Anbeginn seiner Karriere hat Wladimir Putin gemeinsame Sache mit dem organisierten Verbrechen gemacht und geht buchstäblich über Leichen. John Sweeney, investigativer Journalist und Kriegsberichterstatter, erzählt den Werdegang des Mannes, der sich Russland unter den Nagel gerissen hat und nicht nur in der Ukraine Krieg führt, um seine Großmachtsphantasien zu verwirklichen.

    Sweeney liefert einen „mitreißenden Tatsachenbericht zu den „Hintergründen von Putins Aufstieg und seinem griff nach immer mehr Macht.“ (Buchrückseite)



    Über den Autor


    John Sweeney, Jahrgang 1958, ist ein britischer investigativer Journalist und Kriegsberichterstatter. Er war lange für die BBC und ist heute freiberuflich tätig. Seit vielen Jahren verfolgt er die Taten und Verbrechen der Mächtigen Russlands; seit Kriegsbeginn berichtet er aus der Ukraine.


    Informationen im Internet:

    - Die Seite zum Buch beim Verlag (mit Leseprobe)

    - Der Wikipedia-Artikel zum Autor



    Meine Meinung


    Selten hat ein Buch so viel Abscheu, ja Haß auf darin vorkommende Figuren erzeugt wie dieses. Das ist schlimm. Noch schlimmer allerdings ist, daß es sich nicht um Figuren, sondern real existierende Menschen handelt. Wobei ich mir nicht sicher bin, ob die Bezeichnung „Homo sapiens“ auf die (meisten) der im Buch vorkommenden Personen zutrifft. „Sapiens“ heißt soviel wie „weise, verständig“. Beides Eigenschaften, die Putin und seinen Spíeßgesellen völlig abgehen. Vielleicht wäre für selbige die Bezeichnung „Homo nefarius“ zutreffender (nefarius = ruchlos, gottlos, frevelhaft, verbrecherisch).


    Nach „Putins Netz“ wollte ich noch eine andere Darstellung über denjenigen, der in unserer Zeit einen Angriffskrieg vom Zaun bricht, lesen. Während Catherine Belton sehr ausführlich und in „Hochsprache“ schrieb, liest sich das bei Sweeney viel direkter, auch in den Formulierungen. Wenn er „Idiot“ meint, schreibt er auch „Idiot“ und nicht eine diplomatische, beschönigende Formulierung. Was nicht zuletzt daher kommt, daß Sweeney als langjähriger Journalist und Kriegsreporter teilweise von eigenen Erlebnissen berichtet und mehr als ein Mal in brenzliche Situationen geraten ist. So hat er beispielsweise Putin 2014 öffentlich vor den Fernsehkameras der Welt direkt zum Krimkrieg befragt - sehr zum Unwillen des Befragten (S. 192ff). Und auch ein gut Teil dieses Buches ist während seines Aufenthaltes in der Ukraine (nach dem 24. Februar 2022 wohlgemerkt) entstanden.


    Daraus kann bzw. sollte man schließen, daß man beim Lesen öfters ein „dickes Fell“ gebrauchen kann. Vor allem, wenn er Augenzeugenberichte zu Gräueltaten der russischen Soldaten zitiert, in denen teilweise deren Foltermethoden erwähnt werden. (Vgl. S. 90ff und andere Stellen im Buch). Hierbei holt er weiter aus zu den früheren Kriegen des Wladimir Putin, die immer nach dem selben Muster ablaufen: unter außer Achtlassung jeglichen Völker- und Kriegsrechts, normalen Rechts sowieso, wird gefoltert, vergewaltigt, geplündert und gemordet. Und hinterher alles nach Möglichkeit vertuscht nach dem Motto „wir waren das nicht“.


    Vieles davon ist seit Jahren bekannt - wenn man es denn wissen will. Nur daß das nicht zum „Business as usual“ paßt. Es wurde mir beim Lesen mehr als ein Mal schlecht, wie „unsere“ Politiker sämtliche Augen einschließlich der Hühneraugen zudrückten, um mit Russland bzw. Putin Geschäfte zu machen. Aber London ist halt ein Finanzplatz, und die Russen hatten viel Geld zu bieten, da kann man schon mal die Augen zudrücken, denn - wie schon die alten Römer wußten - Geld stinkt ja nicht. Und das Blut, das daran klebt, sieht man ja auch nicht... Es wäre interessant zu erfahren, wie viele der russischen Millionen dafür verwendet wurden, daß der Brexit durch kam. Putin reibt sich deswegen noch heute die Hände (vgl. u. a. S. 290ff).


    Eines wird aus dem Gelesenen überdeutlich: die Politik der Annäherung an Russland, der Einbeziehung Russlands ist krachend gescheitert. Diejenigen, die das derzeit direkt erleiden müssen, nennen die russischen Soldaten in Anlehnung an Tolkien „Orks“ und Russland „Mordor“. „Denn dann sind da diese Kreaturen, die einfach nur Gewalt wollen.“ (S. 327, Zitat eines ukrainischen Leutnants beim Freiwilligen-Korps der ukrainischen Armee). Was mit Mordor und seinem Beherrscher geschehen sollte, wenn Menschen in Freiheit leben wollen, ist im Herrn der Ringe nachzulesen.



    Mein Fazit


    Für mich ist Putins Regime das eines Hitlers.“ (Vanessa Redgrave im Jahr 2000, S. 281) Dieses Buch belegt diese Aussage auf bedrückende Weise.



    Anmerkung: * = mit „sie“ sind Decken gemeint.


    ASIN/ISBN: 3453218493



    Hier die englische Originalausgabe:

    ASIN/ISBN: 1804991201

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Dieses Buch hat mich von den Füßen gerissen.


    Geschrieben hat es John Sweeney, Jahrgang 1958, ein vielfach ausgezeichneter britischer Journalist, der seit Kriegsbeginn aus Kyjiw berichtet. Schon 30 Jahre lang recherchiert er unbestechlich, mutig und hartnäckig zu den Geschäften und Verbrechen der Mächtigen Russlands und belegt in diesem Buch, dass dieses riesige Land im gnadenlosen Würgegriff eines Mannes im Kreml (mitsamt seiner Geheimdienste und seiner verbrecherischen Kleptokratenclique) ist, der Pol Pot und den Roten Khmer, Stalins Tscheka und gar Himmler mit seiner Gestapo an menschenverachtender Monstrosität kaum nachsteht.

    Er heißt Wladimir Putin.


    Dieser Mann schreckt vor nichts zurück, heißt es im Klappentext. Und weiter: Bei der Verfolgung seiner Ziele geht Wladimir Putin über Leichen, und das nicht erst seit dem Überfall auf die Ukraine. John Sweeney, investigativer Journalist und seit vielen Jahren auf der Spur von Putins Verbrechen, legt die Beweise vor: Schon bei seinem unheimlichen Aufstieg vom Stasi-Mann in Dresden zum unumschränkten Herrscher im Kreml ging Putin mit erbarmungsloser Konsequenz vor, ließ Oppositionelle ausschalten, provozierte Kriege und überzog Russland mit einem Netzwerk der Korruption. Sein Ziel: die Festigung seiner Macht, persönliche Bereicherung, Russlands Wiederaufstieg zur Weltmacht. Mit kriminalistischer Akribie hat Sweeney vor Ort recherchiert - in Moskau, Tschetschenien, in der Ukraine während des Krieges -, hat mit Zeugen und Experten gesprochen, mit Dissidenten und Ex-KGBlern, mit Handlangern des Systems Putin, mit Kritikern, von denen zu viele für ihre Haltung sterben mussten.


    Mit der mitreißenden Authentizität dessen, der alles selbst erlebt hat – von abenteuerlichen Interviewerlebnissen bis zu unverhohlenen Drohungen, Schikanen und gar Angriffen – nimmt uns John Sweeney mit auf eine schaurige Besichtigungstour ins Reich des Bösen. Wer erfahren will, was in Putins Reich wirklich los ist, findet in diesem Buch reichlich Gelegenheit dazu. Unverbesserliche Salonpazifisten und alle anderen, die immer noch meinen, man könne mit Putin verhandeln wie mit ‚normalen‘ Regierenden (nicht zuletzt die westlichen Staatsoberhäupter, die das tun), müssen sich auf einen Schock gefasst machen. Wobei die Berichte aus der Ukraine Sweeneys Analyse bestätigen – täglich und mit wachsender Klarheit.


    Seitdem Putin russischer Präsident ist, hat er durch direktes Tun etwa 150.000 Menschen auf dem Gewissen. Zehntausende fielen im zweiten Tschetschenien-Krieg, Tausende in Syrien, Tausende in der Ukraine. Dazu haufenweise bestellte Morde. Einer der erschütterndsten Parts dieses Buchs sind die Todeslisten, die Sweeney zusammenstellt (im Buch ab S. 248) – es stehen viele Namen darauf, und viele werden sie kennen. Aktuell müsste man die Liste übrigens um weitere Namen erweitern, denn seit dem Erscheinen des Buches gab es erneut mysteriöse Todesfälle: Vergiftung im Auftrag des Kreml, Erschießung auf offener Straße, Tod durch/im ‚gefährlichen‘ Transportmittel (Auto oder Flugzeug), umgekommen unter dubiosen Umständen, aus dem Fenster gestürzt. Jutta Hamberger (Osthessen News).


    Die Verbrechen Putins und seiner Schergen sind natürlich den Geheimdiensten des Westens – dem MI6, der CIA, dem Mossad und anderen – durchaus bekannt und waren es immer. Das zeigt Sweeney glasklar auf. „Der Killer im Kreml“ ist damit nicht nur ein packendes Psychogramm, ein exzellent recherchierter, authentischer Hintergrundreport, eine knallharte Analyse und eine längst überfällige Aufklärung (vor allem all derer, die sich bezüglich Russlands immer noch naiven Illusionen hingeben), sondern auch eine flammende Anklage gegen die vielen westlichen Regierungen, die von all den Verbrechen Putins wussten und dennoch zum eigenen Vorteil Geschäfte mit ihm gemacht haben - und noch machen.


    Unbedingte Leseempfehlung!