Kim de L'Horizon - Blutbuch

  • Titel: Blutbuch
    Autor: Kim de L'Horizon

    Verlag: Dumont

    Erschienen: Juli 2022

    Seitenzahl: 336

    ISBN-10: 383218208X

    Preis: 24.00 EUR


    Das sagt der Klappentext:

    Die Erzählfigur in ›Blutbuch‹ identifiziert sich weder als Mann noch als Frau. Aufgewachsen in einem schäbigen Schweizer Vorort, lebt sie mittlerweile in Zürich, ist den engen Strukturen der Herkunft entkommen und fühlt sich im nonbinären Körper und in der eigenen Sexualität wohl. Doch dann erkrankt die Großmutter an Demenz, und das Ich beginnt, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen: Warum sind da nur bruchstückhafte Erinnerungen an die eigene Kindheit? Wieso vermag sich die Großmutter kaum von ihrer früh verstorbenen Schwester abzugrenzen? Und was geschah mit der Großtante, die als junge Frau verschwand? Die Erzählfigur stemmt sich gegen die Schweigekultur der Mütter und forscht nach der nicht tradierten weiblichen Blutlinie.


    Der Autor:

    KIM DE L’HORIZON, geboren 2666 auf Gethen.


    Meine Leseeindrücke:

    Dieser Roman hat mich nicht überzeugt. Es wird gegendert das die Heide wackelt, aber das wirkt aufgesetzt und wenig authentisch. Zudem scheint es sich bei der Preisverleihung um eine politische Entscheidung gehandelt zu haben, weniger um einer literarische Entscheidung. Man wird den Eindruck nicht los, das hier mal wieder eine Minderheit bedient werden musste,

    Und da ist es dann egal, das diese Roman eher banal und ziemlich nichtssagend ist. Ich habe ihn als ziemlich langweilig empfunden.

    Man darf nun gespannt sein, welche Minderheit im nächsten Jahr bedient wird. In jedem Falle aber ist die Literatur der Verlierer des diesjährigen Buchpreises.

    Der Autor ist auf einen Zug aufgesprungen, der momentan durch die gesamte Kulturlandschaft brettert – und wer da nicht mitgeht, der ist Rassist, intolerant oder noch was Schlimmeres.

    Von mir keine Leseempfehlung. Man sollte über diesen Roman aber nur etwas schreiben/sagen, wenn man ihn auch gelesen hat.


    ASIN/ISBN: 383218208X

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Man sollte über diesen Roman aber nuretwas schreiben/sagen, wenn man ihn auch gelesen hat.

    Da Du selbst (inhaltlich, stilistisch, dramaturgisch) fast nichts über den Roman sagst, außer, dass darin "gegendert wird, bis die Heide wackelt", was überall thematisiert wird und auch der Leseprobe entnommen werden kann - hast Du ihn denn gelesen? Ich glaube das nämlich, um ehrlich zu sein, nicht.

  • Da Du selbst (inhaltlich, stilistisch, dramaturgisch) fast nichts über den Roman sagst, außer, dass darin "gegendert wird, bis die Heide wackelt", was überall thematisiert wird und auch der Leseprobe entnommen werden kann - hast Du ihn denn gelesen? Ich glaube das nämlich, um ehrlich zu sein, nicht.

    Das sei dir unbenommen. Ich habe den Roman heute ausgelesen. Es geht in diesem Buch um die Grossmeer (Großmutter) und die Erinnerungen an sie und an die eigene Kindheit.

    Und ganz ehrlich, mir ist relativ egal ob du mir glaubst oder nicht.

    Ich schreibe nur über Bücher die ich auch gelesen habe. Mir war aber nicht bewusst, das man dafür Zeugen benennen muss.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Ich habe bislang nur die ausführliche Leseprobe gelesen und sie hat mir ausgesprochen gut gefallen. Da wagt ein Schriftsteller etwas Neues und das nicht nur in literarischer Hinsicht. Ich vermute, Kim de lHorizon hat den Preis womöglich zu Recht bekommen. Der Roman hat einen ungewöhnlichen Aufbau und perspektivische Sprünge, die immer logisch waren.

    Jedenfalls steht das "Blutbuch" ganz oben auf meiner Wunschliste.

  • Mir war aber nicht bewusst, das man dafür Zeugen benennen muss.

    Schreibt derjenige, der hier die Regel aufstellt, man solle nur zum Buch etwas sagen, wenn man es auch gelesen hat. Was ich Dir nach wie vor nicht abkaufe. Was Du schreibst, ist alles längst und mehrfach durch die Medien gereicht worden, "soziale" wie linksgrünversiffte, und Du sagst zum Buch selbst einfach überhaupt nichts, aber verlangst, man dürfe sich nur äußern, wenn man selbst gelesen hat.


    Schau Dir bei Gelegenheit mal an, wer den Deutschen Buchpreis in den letzten Jahren bekommen hat. Wenn Du behauptest, dass hier "wieder einmal eine Minderheit bedient" wurde - worauf beziehst Du Dich also?


    Im Übrigen ist das Zitat in Deiner Signatur nicht von Evelyn Beatrice Hall, das ist nur die zweitbeste Legende. Und von Voltaire ist es natürlich auch nicht. 8)

    Dies nur am Rande. ;)

  • Ich habe das Buch NICHT gelesen und werde das aller Voraussicht nach auch nicht tun.

    Der Grund dafür sind die mir bisher zugänglichen Leseproben, denen ich entnehme, dass ich mich grenzenlos ärgern und stellenweise schlimm ekeln würde, läse ich ein Werk in Gänze, in dem u. a. so etwas steht:


    Ich spüre meinen Körper nur, wenn ich ihn fortgebe, wenn ich ihn anderen anbiete, jemensch in mich eindringt, die selbst errichteten Grenzen meines Körpers durchdringt und sich dahinter hinterlässt. Ich habe nicht primär das Bedürfnis, Schwänze in mir zu spüren, ich habe das Bedürfnis, mich zu spüren, jenen pulsierenden Mantel um die Schwänze. Dieser Körper ist in der Lage, außerordentlich große Dinge in sich aufzunehmen, wenn er sich entspannt, ohne den geringsten Schmerz zu empfinden. Schmerzen entstehen, wenn mensch sich gegen das Eindringende wehrt oder es aus sich herausstoßen will. Ich habe mich nie dagegen gewehrt, wenn sich andere Körper in mich hineindrängten.


    Und dazu käme noch die Wut, statt für eine Flasche guten Rotweins für dieses Buch Geld ausgegeben zu haben. Wenn das preiswürdige Literatur ist, habe ich alles falsch verstanden, was man mich je dazu gelehrt hat.

  • In jedem Falle aber ist die Literatur der Verlierer des diesjährigen Buchpreises.

    Es geschieht in den letzten Jahren leider nicht mehr häufig, Voltaire, aber hier stimme ich dir - auf der Basis der bislang gelesenen ertragenen Leseproben - zu.


    Schon der Passage, die ich oben angeführt habe, fehlt jeder literarische Anspruch. Es handelt sich vielmehr bei diesem krampfgegenderten Text um schwer erträgliche Pornoprosa, der jegliche sprachliche und stilistische Finesse fehlt.

  • Ich fühle mich jetzt inspiriert, dieses (verlängerte) Wochenende auf meine Flasche Rotwein zu verzichten und statt dessen diesen Roman zu lesen. Außer (gerüchteweise) Voltaire beziehen sich in diesem Thread alle auf die Leseprobe oder einen Ausschnitt. Gott, da gibt es eine Analsex-Szene, wirklich schlimm. Wie sehr sind wir alle empört. Der typische, um das moralische und qualitative Heil der deutschen Literatur besorgte Leser, wird fast in jedem Jahr lieber zur Flasche als zum preisgekrönten Buch greifen. Antje Ravik Strubel? Anne Weber? Kann ich mir bei den Kritikern in diesem Thread schwer auf dem Nachttisch liegend vorstellen. Der Deutsche Buchpreis ist kein Publikumspreis, genauso können wir uns jedes Jahr über die Qualität beim Bachmannpreis echauffieren. Das ist langweilig.


    Ich fand die Leseprobe tendenziell positiv, zumindest relativ zu den anderen nominierten Büchern. Welcher Roman hätte es denn literarisch/dramaturgisch qualitativ eher verdient? Ich bin nicht der größte Fan des Genderns, ist hier thematisch aber ja Programm. Sprachfindung eines nicht-binären Individuum. Ich fand das Gendern vielleicht übertrieben (mensch/man, jemensch/mensch), und ich bin auch skeptisch, aber ich werde es dann halt sehen, was L'Horizon aus dem Stoff macht.

  • Ich fühle mich geradezu von euren Beiträgen gedrängt, meine aktuelle Lektüre zu unterbrechen und "Blutbuch" einzuschieben. Ich freue mich darauf, mir ein eigenes Bild zu machen.

    Ich habe Kim de l'Horizon auf einer Lesung erlebt und bin danach mit si*er ins Gespräch gekommen. Ich bin einem feinen, sehr inspirierenden und offenem Menschen begegnet. Ich habe Kim von ganzem Herzen den Buchpreis gewünscht, allein schon aus dieser Begegnung heraus. Jetzt lese ich gerne das Buch und melde mich dann wieder zu Wort.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Gott, da gibt es eine Analsex-Szene, wirklich schlimm. Wie sehr sind wir alle empört.

    Bist du tatsächlich empört? Ich nicht.

    Abgesehen davon, ist dies keine Szene. Das Merkmal einer Szene ist Handlung. Eine solche gibt es hier nicht. Hier enthüllt jemand schonungslos sein Sexualleben - für mich kein Grund zur Empörung. Es interessiert mich bloß nicht. Das könnte es allenfalls, wäre es sprachlich gekonnt gemacht.

    Ist es aber nicht.

  • In Aspekte vom 21.10. gibt es ab Min 21:11 ein Interview mit

    Kim de l'Horizon. Die Einstellung zu den teilweise üblen Anfeindungen haben mich sehr beeindruckt

    Ich bin einem feinen, sehr inspirierenden und offenem Menschen begegnet.

    Das war da auch mein Gefühl.


    Das Buch interessiert mich nicht sonderlich, ich finde es aber positiv, wenn auch solche Themen gewürdigt werden.

    Was man nun literarisch als preiswürdig erachtet, dürfte immer von sehr subjektiven Einstellungen abhängen.

    Das ist doch eigentlich bei allen diesen Preisen so.

    Eine sachliche Diskussion darüber hält die Literatur lebendig.

  • Das Buch selbst interessiert mich thematisch nicht, aber eure Meinungen dazu schon, nachdem es ja gerade in aller Munde ist.


    Ich habe bisher im Netz mitbekommen, welchen Anfeindungen Kim de l`Horizon leider ausgesetzt ist, nur weil si*er sich deutlich von der Norm abhebt. "Leben und leben lassen" scheint heutzutage schwieriger denn je.

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Bist du tatsächlich empört? Ich nicht.

    Abgesehen davon, ist dies keine Szene. Das Merkmal einer Szene ist Handlung. Eine solche gibt es hier nicht. Hier enthüllt jemand schonungslos sein Sexualleben - für mich kein Grund zur Empörung. Es interessiert mich bloß nicht. Das könnte es allenfalls, wäre es sprachlich gekonnt gemacht.

    Ist es aber nicht.

    Vielleicht nicht empört, aber irgendwie fixiert? Sehr viele Kommentare zu einem Buch, das dich nicht interessiert (mich interessieren zig tausende Bücher nicht, viele vermutlich mit ebenso schonungslosen Sexszenen, was wäre das für ein Aufwand mich zu all denen zu äußern). Ein einzig kraftvolles ICH WERDE DIESES BUCH NIEMALS NIE LESEN hätte auch gereicht.

    Kim l'Horizon tut Dir doch nichts. Das Buch auch nicht. Lass es doch irgendwann mal gut sein. Wir sollten uns jetzt mehr darauf konzentrieren, das Buch sachlich zu besprechen und auf die nächsten Rezis warten, und nicht uns an nur einer Szene festzubeissen.

  • Kim l'Horizon tut Dir doch nichts. Das Buch auch nicht. Lass es doch irgendwann mal gut sein.

    Ist es denn wirklich intellektuell zu anspruchsvoll, zwischen dem Autor als Person und seinem Buch zu unterscheiden?

    Nie käme mir der Gedanke, dieser offenkundig überaus friedfertige Mensch wolle mir "etwas tun". Was für eine lächerliche Formulierung. Im Gegenteil, ich verurteile die bösartigen (und dummen) Anfeindungen rigoros, insbesondere die Hasskommentare in den sog. sozialen Medien.

    Allerdings lasse ich mir nicht verbieten, meine Meinung zu einem Text zu äußern, den ich schlecht finde - egal, wer ihn geschrieben hat. Und das hat rein gar nichts mit des Autors Persönlichkeit oder gar dessen sexueller Orientierung zu tun.

    Ist das so schwer zu begreifen?

  • Dieter, dies ist ein Bücher-Rezensionsthread. Nicht ein beliebige-Einzelszene-aus-einem-Buch-das-ich-nicht-gelesen-habe-Rezensions-Thread. Ist das so schwer zu begreifen?


    Wir (oder zumindest ich) haben deinen Punkt, glaube ich, begriffen, und Dir hat niemand verboten, ihn mit uns mehrfach und wiederholt zu teilen.

  • Schon der Passage, die ich oben angeführt habe, fehlt jeder literarische Anspruch. Es handelt sich vielmehr bei diesem krampfgegenderten Text um schwer erträgliche Pornoprosa, der jegliche sprachliche und stilistische Finesse fehlt.

    Ohne freilich den Kontext der von dir zitierten Passage zu kennen: Ich lese diesen Textausschnitt weder als Porno-mäßige Beschreibung noch als schonungslose Enthüllung des Sexuallebens. Vielmehr bieten diese Zeilen einen Einblick in das Gefühlsleben der erzählenden Figur. Die körperliche und sexuelle Selbsterfahrung und -wahrnehmung ist untrennbar mit der queeren Identitätsfindung verbunden. Wenn der Roman solche Beschreibungen enthält, ist das dem Thema geschuldet und dient weder dem Selbstzweck noch der Effekthascherei.

  • Ich fühle mich jetzt inspiriert, dieses (verlängerte) Wochenende auf meine Flasche Rotwein zu verzichten und statt dessen diesen Roman zu lesen. Außer (gerüchteweise) Voltaire beziehen sich in diesem Thread alle auf die Leseprobe oder einen Ausschnitt. Gott, da gibt es eine Analsex-Szene, wirklich schlimm. Wie sehr sind wir alle empört. Der typische, um das moralische und qualitative Heil der deutschen Literatur besorgte Leser, wird fast in jedem Jahr lieber zur Flasche als zum preisgekrönten Buch greifen. Antje Ravik Strubel? Anne Weber? Kann ich mir bei den Kritikern in diesem Thread schwer auf dem Nachttisch liegend vorstellen. Der Deutsche Buchpreis ist kein Publikumspreis, genauso können wir uns jedes Jahr über die Qualität beim Bachmannpreis echauffieren. Das ist langweilig.

    Welcher Roman hätte es denn literarisch/dramaturgisch qualitativ eher verdient?

    "Dschinns" von Aydemir! Stilistisch und inhaltlich top. Und es kommt auch eine queere Figur vor. Gesellschaftskritisch ist es auch.

    Voltaire hat schon Recht , der Preis spiegelt zunehmend den Zeitgeist. Das war bei "Herkunft" von Saša Stanišić schon so. Ich fand das Buch gar nicht übel, hatte aber mehr erwartet...

    "Literatur ist die Verteidigung gegen die Angriffe des Lebens."


    "...if you don't know who I am - then maybe your best course would be to tread lightly."

  • Es handelt sich vielmehr bei diesem krampfgegenderten Text um schwer erträgliche Pornoprosa, der jegliche sprachliche und stilistische Finesse fehlt.

    Mit welchem Maßstab misst Du eigentlich die literarische Qualität (oder "Finesse") des Romans (bzw. des Ausschnitts aus der Leseprobe), Didi? Was macht - stilistisch betrachtet - "preiswürdige Literatur" aus? Gibt es da eine Mindestiterationstiefe bei Schachtelsätzen, eine Quote für Neologismen/Fremdwörter/schöngeistige Begriffe, irgendeinen Maßstab fürs melodische Geschriebensein oder was? Oder, umgekehrt gefragt - was markiert den Auszug als "nicht preiswürdig"? Was daran ist, literarisch betrachtet, so verwerflich, dass es sogar den ganzen Preis diskreditiert? Das sind alles keine rhetorischen Fragen.

    Der Grund dafür sind die mir bisher zugänglichen Leseproben, denen ich entnehme, dass ich mich grenzenlos ärgern und stellenweise schlimm ekeln würde

    Ekel ist zu einem Gutteil eine sozialisationsbedingte Reaktion, lieber Didi, also angelernt. Das betrifft alles abseits der fundamentalen, affektiven Ekelreaktionen etwa auf bestimmte Anblicke, Gerüche oder Geräusche. Auch Geschmack ist angelernt; während die Skandinavier Surströmming als Delikatesse lieben, müssen wir Mitteleuropäer schon beim Gedanken daran kotzen. Will sagen: Das liegt an Dir, dass Du Dich ekelst, bzw. an Deinen Vorfahren, und es wäre an Dir, Dir das abzutrainieren. Ekel vor einem Schwanz im Arsch, während ein Schwanz in einer Vulva eher anregend daherkommt, das ist Sechzigerjahreekel, aber kein absoluter, kein unzweifelhafter. Er ist vor allem kein Grund dafür, die sprachliche und stilistische FInesse, die der Text durchaus bietet, abzustrafen. Das ist tatsächlich kein schlecht geschriebener Text. Und es geht nicht einmal in der Leseprobe die ganze Zeit um Analsex.


    Und, hey. Ein Literaturpreis (eigentlich: ein Buchpreis - das ist tatsächlich etwas anderes) ist vergeben worden. Leute, die Literaturpreise ausloben, wollen einerseits die Literatur fördern, und manchmal sogar bestimmte Literatur, und sie wollen auf die Literatur (und zu einem Gutteil auf sich selbst) aufmerksam machen. Literaturpreise sind nicht das Ergebnis von Schriftsteller-Meisterschaften, aber originellerweise scheinen das vor allem Schriftsteller zu glauben. Literaturpreise sind subjektiv, zeitgeistig, manipulativ, manipuliert, intendiert, motiviert. Sie sind keine Maßstäbe für irgendwas. Es sind nur Preise, die irgendwelche Gruppen von Leuten ausbaldowern und dann raustun. Die hunderttausend anderen Neuerscheinungen, die irgendeinen Preis nicht abkriegen, sind weder durch die Bank schlechter, noch besser als die bepreisten Bücher, sie sind nur anders. Und sie haben halt den Preis nicht gekriegt. Das ist in zwei, drei Monaten wieder vergessen, aber, hey - schön, dass wir gesprochen haben. Und was gelernt, oder? 8)

  • Ekel ist zu einem Gutteil eine sozialisationsbedingte Reaktion, lieber Didi, also angelernt. Das betrifft alles abseits der fundamentalen, affektiven Ekelreaktionen etwa auf bestimmte Anblicke, Gerüche oder Geräusche. (...) Will sagen: Das liegt an Dir, dass Du Dich ekelst, bzw. an Deinen Vorfahren, und es wäre an Dir, Dir das abzutrainieren.

    Und aus welchem Grund sollte ich das tun, Tom? Weil es als zeitgeistig-chic gilt, sich vor derlei nicht mehr zu ekeln? Sind wir mittlerweile so weit, dass sogar Intellektuelle fordern, jemand möge sich seine persönlichen Empfindungen "abtrainieren", damit sie nicht mehr die eigenen Vorstellungen von dem, was man zu empfinden habe, stören?

    Das endet in "Esst Scheiße - eine Milliarde Fliegen können nicht irren". Oder, schlimmer - die nächste Stufe - in Gesinnungsterror. Hatten wir schon mal.

    Ohne mich.

  • Mmh. Also das Scheißefressen mit der unter homosexuellen Menschen üblichen Sexualpraxis zu vergleichen, das ist schon ein bisschen gewagt, gell? ;)


    Nein, ich will Dich nicht bitten oder gar zwingen, Dir Deinen Ekel abzutrainieren, ich wollte Dich nur darauf hinweisen, wo er herkommt, und dass er kein absoluter Maßstab ist (und dass es an Dir wäre, ihn abzutrainieren, wenn Du ihn denn loswerden willst). Mein Sohn ekelt sich, wenn er im Fernsehen Leute sieht, die sich küssen. Das erging mir in seinem Alter (er ist elf) auch so, und ich fürchte, dass es damit sehr bald vorbei ist. So oder so, das heißt oder hieß nicht, dass es kategorisch, dass es absolut und zweifelsfrei eklig ist, wenn sich Leute küssen (wobei ... wenn man genau darüber nachdenkt, was dabei passiert ... bäh). Viele sind da tatsächlich anderer Meinung. Es ist okay, wenn Du Dich ekelst. Aber mit der literarischen Bewertung sollte das nichts zu tun haben. Andere ekeln sich nicht, und nicht wenige finden das sogar geil (und keineswegs nur Homosexuelle). Nur das wollte ich hervorheben. Es ist Sex, nichts weiter. Wobei sich der Ausschnitt tatsächlich überhaupt nicht um Sex oder Sexpraktiken dreht, nur um das auch noch einmal zu erwähnen.