Eckhart Nickel - Spitzweg

  • Titel: Spitzweg

    Autor: Eckhart Nickel

    Verlag: Piper

    Erschienen: April 2022

    Seitenzahl: 256

    ISBN-10: 3492071430

    Preis: 22.00 EUR


    Das sagt der Klappentext:

    »Ich habe mir nie viel aus Kunst gemacht. «Als zufriedener Kunstbanause offenbart sich der Erzähler zu Beginn und berichtet davon, wie Carl, bewunderter Freund, ihn mit seiner Spitzweg-Begeisterung vom Gegenteil überzeugt. In der Mitte des Geschehens: eine Dreiecksbeziehung, ein hochbegabtes Mädchen und der verräterische Diebstahl eines Gemäldes. Durch raffinierte Rachepläne wird die Schülerfreundschaft auf ihre schwerste Probe gestellt.



    Der Autor:

    Nickel wurde 1966 in Frankfurt am Main geboren, studierte Germanistik und Kunstgeschichte in Heidelberg und New York und promovierte über Thomas Bernhard. Er arbeitete unter anderem beim Fernsehsender Arte in Straßburg, schrieb für verschiedene Zeitungen (Wams, FAS, SZ) und Magazine (AD, Vogue) und veröffentlichte den literarischen Reiseführer "Gebrauchsanweisung für Portugal" (2001) Von Kathmandu aus betreute er von 2004 bis 2006 als Chefredakteur zusammen mit Christian Kracht das Literaturmagazins DER FREUND (http://www.derfreund.com). Nach einem Gastspiel als Stilverantwortlicher bei der Wochenendbeilage der Süddeutschen Zeitung wanderte Nickel 2007 nach Kalifornien aus. Inzwischen lebt er wieder in seiner Heimatstadt Frankfurt am Main und schriebt für die FAS, die FAZ und ihr Magazin.



    Meine Leseeindrücke:

    Ein lesenswertes Buch auch wenn der Schwung des Anfangs leider nicht bis zum Ende durchgehalten wird, trotzdem aber ein echtes Lesevergnügen. Der Autor stellt Kunst als Fetisch auf den Sockel und entlarvt so das dümmliche Kunstgelaber vieler „Möchtegern-Experten“. Kunst sollte mit dem normalen Menschenverstand gehört, gelesen und angeschaut werden. Man staunt aber trotzdem was so alles unter dem Begriff Kunst firmiert. In jedem Falle aber hat der Autor ein intelligentes Buch geschrieben.

    Lesenswert wenn auch mit kleinen Schwächen, die aber nach meinem Dafürhalten nicht stark ins Gewicht fallen.


    ASIN/ISBN: 3492071430

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Meine Meinung:

    Im Vordergrund dieses Romans steht keine Handlung, an Handlung und Aktivität ist die Geschichte arm. Es geht dem Autor ums Erzählen. Um die Sprache. Die ist am allerwichtigsten in diesem Roman. Langsam, detailliert, gelassen, ohne Hektik erzählt der Autor über die Suche nach dem Sinn des Daseins, nach der Sinnlichkeit und über die Kunst und das Kunstempfinden. Als hintergründige Geschichte dient das Leben von Carl, dem Ich-Erzähler und einem Mädchen namens Kirsten. Die Jugendlichen machen ihr Abitur und sind alle zusammen im Leistungskurs Kunst. Gleich zum Anfang des Romans kommt es zu einem Zwischenfall, in dem das begabteste Mädchen Kirsten während des Unterrichts, an dem man als Aufgabe hatte, ein Selbstporträt zu zeichnen, von der Lehrerin beleidigt wird. Hier beginnt die Freundschaft der Jungs und die erste Liebe.


    Doch dieser Roman ist kein typischer Coming of Age Roman. Hier geht es um Gedanken, Beobachtungen, Beschreibungen, Details und Kunst. Kunstgeschichte, Philosophie und literarisches Können vermischen sich in diesem Roman. Dieses Buch ist äußerst sprachgewaltig und wird noch mal durch Anspielungen, Humor und Zitaten deutlich kunstvoll.


    Auf mich wirkte die Sprache allerdings in Bezug auf die Handlung gekünstelt und bemüht. Denn die Handlung spielt trotz des Versuchs, die unbedeutend zu machen, eine Rolle. Es geht dabei um Jugendliche. Und kein Abiturient redet in dieser Manier. Es sei denn, die Jugendlichen sind hochbegabt. Doch dies ist vermutlich nicht der Fall, da es beispielsweise nur 2 % der Bevölkerung in Deutschland hochbegabt sind. Dabei muss man noch solche in Kauf nehmen, die sich bis zu dem erwähnten Alter an die Maße angepasst haben, um nicht aufzufallen. Also, die Figuren wirkten auf mich äußerst unglaubwürdig. Carl redet, wie ein Professor der Kunstgeschichte, und das ist maßlos übertrieben. Auch wenn ich den Erzählstil bewunderte, gestaltete sich das Lesen äußerst mühsam, und stellenweise einfach langweilig, weil es so gemütlich, langsam vor sich plätscherte.


    Dennoch würde ich den Roman unbedingt weiterempfehlen, besonders an die Intellektuellen und Kunstbegeisterten. Bei diesem Roman ist es unbedingt erforderlich, sich selbst ein Bild zu machen. Denn geschrieben ist der wirklich gut.

    Von mir gibt es 2,5 Sterne.

    Nicht wer Zeit hat, liest Bücher, sondern wer Lust hat, Bücher zu lesen,

    der liest, ob er viel Zeit hat oder wenig. :lesend
    Ernst R. Hauschka

    Liebe Grüße von Estha :blume

  • „Eine Dreiecksbeziehung, ein hochbegabtes Mädchen und der verräterische Diebstahl eines Gemäldes“. So wird die Handlung dieses Romans beschrieben, der für den deutschen Buchpreis 2022 nominiert wurde. Leider sind viele Bücher, die auf dieser Liste landen, nicht unbedingt leicht zu lesen.


    Mein Eindruck ist alle Jahre wieder: je abgedrehter die Themen, je verschwurbelter der Satzbau, umso eher wird ein Buch nominiert. Es scheint nicht darum zu gehen, was die Allgemeinheit gerne liest, sondern darum, dass die hochkarätige Jury ihre eigene Intellektualität durch die Auswahl der Bücher unter Beweis stellen möchte. So erscheint es mir bei diesem Buch nur folgerichtig, dass es nominiert wurde.


    In endlos langen Sätzen schwadroniert der Ich-Erzähler von seiner Freundschaft mit Carl. Zuerst dachte ich, ein alter Mann blickt zurück auf sein Leben und erzählt aus den zwanziger Jahren des letzten Jahrhundert, und so hätte ich ihm die Sprache fast abgenommen, doch nein, es finden sich kleine Hinweise darauf, dass die Handlung in der heutigen Zeit angesiedelt ist. Da frage ich mich natürlich, welche Jugendliche reden so?


    Ich habe wirklich noch nie solch eine überhebliche Sprache, derart ewig lange Dialoge und Kunstbetrachtungen aus dem Mund eines heutigen Jugendlichen gehört. Das machte das Ganze für mich unglaubwürdig. Zudem reiht sich eine ermüdende Beschreibung, ein gekünstelter Bandwurmsatz an den anderen. Hier wurde scheinbar eine Geschichte konstruiert, deren Handlung eigentlich keine Rolle spielt, deren Figuren nur existieren und agieren, um die sprachliche Gewandtheit des Autors hervorzuheben. Dieses Buch konnte mich leider so gar nicht begeistern und ich war froh, als die letzte Seite gelesen war und ich das Buch zuklappen konnte.

  • Der Roman (ist es denn einer?) steht auf meiner Wunschliste, aber das muss ich mir wohl nochmal überlegen!

    Das ist ein Roman und der könnte dir gefallen, denke ich. Allerdings ist es kein Coming of Age Roman, und in keiner Realität sprechen die Jugendlich so.:staun Der Roman ist tatsächlich geschrieben worden, um den Gedanken des Autors eine Plattform zu geben. Ich vermute, Herr Nickel hört sich gerne reden.:engel

    Ich würde mich Eskalina anschließen. Leseprobe wäre in diesem Fall eine gute Idee.

    Nicht wer Zeit hat, liest Bücher, sondern wer Lust hat, Bücher zu lesen,

    der liest, ob er viel Zeit hat oder wenig. :lesend
    Ernst R. Hauschka

    Liebe Grüße von Estha :blume

  • Oh je... Ihr traut mir ja einen ganz absonderlichen Buchgeschmack zu !

    Stimmt doch gar nicht. Eher umgekehrt.;) Der Roman ist sehr intellektuell und es geht durchgehend um die Kunst. Ein Kunstraub spielt eine Rolle und die Gespräche über die Kunstgeschichte und künstlerisches Können sind der Hauptbestandteil der Geschichte. Die Handlung ist mehr oder weniger, eher mehr... nebensächlich.

    Die Leseprobe würde schon einen guten Überblick über die Art des Romans vermitteln.

    Nicht wer Zeit hat, liest Bücher, sondern wer Lust hat, Bücher zu lesen,

    der liest, ob er viel Zeit hat oder wenig. :lesend
    Ernst R. Hauschka

    Liebe Grüße von Estha :blume

  • Und jetzt kann ich berichten!


    Grundsätzlich: mir war der Roman zu intellektuell, zu verkopft, auch wenn ich den Hut ziehe vor der Tiefe, mit der der Autor sein Thema durchdrungen hat.


    Aber der Reihe nach:


    Der Roman beginnt in einem Klassenzimmer, und als Leser lernt man schnell die drei Hauptpersonen kennen: den namenlosen Ich-Erzähler, seinen neuen Freund Carl und Kirsten, die beiden Neuen in der Klasse. Dieser Anfang könnte zu einem Coming-of-Age-Roman führen, aber mit einem solchen Etikett lässt sich dieser Roman nur unvollständig etikettieren.


    In diesem Roman ist alles Kunst und künstlich, wohin der Blick des Lesers auch gelenkt wird. Das Geschehen ist aus der Zeit gefallen, eine eindeutige Zuordnung lässt sich nicht vornehmen, und die Handlung wirkt recht konstruiert. Die Sprache ist ebenfalls aus der Zeit gefallen; da bewegen sich die Personen „eiligen Schrittes“ (S. 165) und zeigen dem Freund ein Bild, „dessen Anblick dir Freude bereiten wird“ (S. 171). Auch die Figurenrede verzichtet großenteils auf Umgangssprache, sondern ist gelehrt, formvollendet, um nicht zu sagen gestelzt – künstlich eben.


    Die Hauptperson, Carl, wohnt in einem fast fensterlosen „Kunstversteck“, eine Art Raumkapsel, die mit versteckten Aufbewahrungsmöglichkeiten ausgestattet ist, die uns der Autor gerne detailliert beschreibt. Ebenso gerne und detailliert beschreibt er Kirstens Elternhaus, das auf den ersten Blick wie das Gegenteil von Carls Raumkapsel aussieht. Da die Mutter eine „physische Intoleranz allem Künstlichen gegenüber“ (S. 147) hat, wird Kirstens Elternhaus zu einem „Naturtheaterhaus“ umgebaut: ein elektrizitätsfreies Haus, verbunden mit der Abmeldung von allen öffentlichen Systemen, in dem sich der Tagesablauf der Bewohner am natürlichen Licht orientiert. Kurz: ein ausgesprochen kunstvolles „natürliches“ Haus!


    In der Bezeichnung und auch der Beschreibung dieses „Naturtheaterhauses“ und auch an anderen Stellen zeigt sich aber auch der Humor, mit dem Nickel seine Kunst-Geschichte erzählt. Mir haben auch seine witzigen Kapitelüberschriften sehr gut gefallen, die mit einem Augenzwinkern auf das Doppelbödige des Inhalts verweisen. Und damit passt das alles sehr gut zu den Bildern Spitzwegs, um die es hier unter anderem geht. Spitzwegs Bilder spiegeln bei der ersten Betrachtung das Biedermeier wider: die enttäuschte Absage an die Politik und den Rückzug in eine bürgerlich-kleinbürgerliche private Welt. Wenn man aber genauer hinschaut – und das macht Carl! – sieht der Betrachter das Doppelbödige und das Abgründige, d. h. die Wahrheit hinter dem Bild tritt hervor, und genau darauf weist der Roman hin.


    Worum geht es also?

    Es geht nicht nur um dieses genaue Schauen und den Bezug der Bilder zur Gegenwart, sondern es geht auch um Schönheit in all ihren Erscheinungsformen, um die Bedeutung der Kunst für die Ich-Findung, und es geht auch darum, sich die Kunst in einer höchst subjektiven Weise anzueignen.


    Das fand ich durchaus spannend, aber der dozierende Ton und die essayartigen Unterbrechungen durch andere Themen bremsten den Lesefluss aus.