Alberto Angela - Der faszinierende Alltag im Römischen Reich
ASIN/ISBN: 3442157633 |
ZitatNervi belli pecunia infinita.
(Die Nerven des Krieges sind unendlich viel Geld)
Cicero
Ein Sesterz war zweieinhalb As wert, "der dritte halb", gleich: 'semis tertius', daher kommt der Name. Das war der vierte Teil eines Denars und der hundertste Teil eines Aureus.
Dieser Sesterz zeigt das Konterfei des Kaisers Trajan und wurde 2010 nahe beim einstigen Antiochia (heute Antakya,Türkei) ausgegraben. Wir begeben uns in diesem Buch also ins zweite Jahrhundert christlicher Zeitrechnung. Als eben dieser Trajan siegreich über die Parther (Perser) in der Stadt Charax am Persischen Golf, zwischen dem heutigen Iran und Irak, Einzug hält, hat das Römische Reich die größte Ausdehnung seiner etwa 1000jährigen Geschichte erreicht.
Es reicht von Vindolanda an der schottischen Grenze bis Berenice in Ägypten, von Asturica Augusta in Spanien bis nach Persien.
In dieser Zeit setzt die Geschichte ein, der kleine Sesterz wandert durch das ganze Reich, von Hand zu Hand, den Händen von Soldaten und Händlern, Sklaven und Senatoren, Wirten und Prostituierten, Germanen und Galliern, Syrer und Ägyptern. Auf diese Weise lernen wir die Menschen dieses Riesenreichs kennen, erfahren was sie gegessen haben, was sie arbeiteten, wie sie sich kleideten und wie sie wohnten. Manchmal auch, an was sie glaubten und von was sie träumten.
Warum ein Sesterz?
Weil die einheitliche Währung eines der wichtigsten Erfolge der römischen Politik darstellte. Wie die Legionen klammerte die Währung das Imperium zusammen. Überall, wo römisches Recht galt und römische Truppen stationiert waren, konnte man in dieser Währung bezahlen, auch wenn man die Sprache nicht verstand. Geld, Recht und militärische Stärke waren die Garanten für das Imperium Romanum. Daher bezahlt der ägyptische Duftstoffhändler mit diesem Sesterzen genau so, wie der römische Wagenlenker und der dakische (rumänische) Sklave.
Diese bunte Vielfalt von Einzelschicksalen, immer nur kurz beleuchtet, verbindet der Autor zu einigen grundsätzlichen Aussagen über das Imperium Romanum.
Beurteilung:
Es ist schon eine Fülle von Informationen, die da auf 600 Seiten gleichsam auf genagelten Legionärssandalen daher kommt, aber dieser Wissenschaftler kann erzählen und er liebt es, seine Leserschaft mit den delikaten Einzelheiten zu verwöhnen. Oder wer wusste schon, über welche Witze man im Römischen Reich lachte? Auch diese wurden gesammelt, Kritzeleien im Circus Maximus, an den Wänden der popinae (Schänken), oder an Aborten im ägyptischen Luxor. Oder welche Duftstoffe die römische Dame von Welt im Triklinium beim Gastmahl verwendete? Welche Art Blütenblätter der vornehme Gastgeber in sein Impluvium streute? Wieviel Holz die über 800 (sic) Thermen Roms an einem einzigen Tage auffrassen? Alberto Angela weiß alles darüber und erzählt es uns gerne. Das ihm dabei manchmal die Zügel durchgehen in seiner Detailversessenheit, erscheint mir dabei nicht allzu gravierend.
Denn er kommt auch immer wieder dazu, die Hintergründe zu beleuchten und historische Schlüsse aus seinen Einzelbeobachtungen zu ziehen.
Vieles, was im Imperium Romanum alltäglich war, ist auch den heutigen westlichen Zivilisationen nicht unbekannt. Es gab Korruption in großem Ausmaß, die Werte waren rein finanzieller Art, die Schere zwischen Arm und Reich klaffte weit auseinander. Es gab Umweltzerstörung und Entwurzelung, Drogensucht in den Städten, Vereinsamung und Identitätsverlust, gleichzeitig bedrückende Enge und Überbevölkerung, Macht- und Teilnahmslosigkeit.
Zitat...per urbem Romam...quo cuncta undique atrocia aut prudenda confluunt celebranturque.
(Etwa: In Rom fließt alles Scheußliche und alles, was die Scham verletzt, zusammen und hier wird es verherrlicht.)
Tacitus, Annales, 15,44,3
Aber es gab auch vom Mittelmeer bis zu den Wüsten im Süden und den Weiten des Nordens dieselbe Währung, dieselben Gesetze, dieselbe Lebensart, die selben Gebäude, sodass man sich in keiner großen Ansiedlung fremd fühlte. Das Imperium herrschte mit militärischer Gewalt, vielmehr aber noch mit seinem " Roman Way of Life". Alle wollten diesen Wohlstand, diese Mode, diese Privilegien des römischen Bürgers.
Auch das nicht unähnlich den heutigen westlichen Gesellschaften. Wie die Römer es aber fertigbrachten, diese heterogenen Völkerschaften über 1000 Jahre hin zu integrieren, die eigenen Interessen zu den ihren zu machen, sie für die römische Art zu leben zu gewinnen, könnte uns heutige Europäer noch einiges lehren. Das hat Angela gut erkannt und kann es mit seinen farbigen und unterhaltsamen Bildern aus einer fast zweitausend Jahre alten Gesellschaft belegen.
Ich habe das Buch in zwei Tagen gelesen und mich keine Sekunde dabei gelangweilt, fühlte mich aber oft aufs Beste unterhalten.
Daher meine Leseempfehlung, dieses Vergnügen sollte sich kein interessierter Leser (m/w/d) entgehen lassen.
Alberto Angela, geb. 1962 in Paris, ist ein italienischer Archäologe und hat an zahlreichen Ausgrabungen in Asien und Afrika mitgewirkt. Er entwirft und moderiert wissenschaftliche Sendungen und ist in Italien äußerst populär. Auch als Autor vieler Sachbücher ist er erfolgreich.