Türkei-Beitritt: Ja oder Nein?

  • zur Kultur: Vielleicht kommt man bei dieser Diskussion auf einen grünen Zweig, wenn man Kultur eingrenzt und zwar auf das Rechtsempfinden, was mMn bei einer Union wie der EU auch das entscheidende ist.


    Hier gibt es klare Unterschiede. Das türkische Rechtsempfinden (Rolle der Frau, Ehrenmorde etc.) entspricht nicht dem der EU. Meine bescheidene Meinung ist, dass man solche Strukturen nicht innerhalb 10 Jahren ändern kann.


    Ausserdem verwehre ich mich auch dagegen, dass man alle Beitrittsgegner immer ins Rechte Eck rücken möchte. Sicherlich ist ein Prozentsatz in der öffentlichen Diskussion (im Forum ist mir das bei keinem aufgefallen) Rassissmus ein Beweggrund, aber einfach alle Argumente als Scheinargumente abzutun oder Fremdenhaß zu unterstellen, halte ich nicht für zielführend und wahrheitsgemäß.

  • Huhu, Trugbild.


    Zitat

    Und wenn man sich die Klamotten und Autos dieser jungen Leute anschaut, dann fällt es mir schwer, von unterprivilegiert zu sprechen.


    Wow, jetzt geht's ans Eingemachte. :grin


    Zitat

    Ich kann ja nur für die Schweiz sprechen. Aber hier sind die Fördergelder für Asylanten und die Unterstützungshilfen für Einwanderer wirklich enorm. Ich habe kein schlechtes Gewissen, hierbei von ausgestreckten Händen zu sprechen.


    Ich glaube, das mit den "ausgestreckten Händen" war weniger metaphorisch gemeint, als Du es aufgefaßt hast. Und ein geöffnetes Portemonnaie hat damit nur wenig zu tun.

  • Zitat

    Original von Iris


    Das ist keine Antwort.


    Doch...genauso eine, wie ein "Ja" oder ein "Nein"...plus einem deprimierten smiley...das zählt sogar doppelt ;-)


    Zitat

    Und wie bitte würdest Du den ganz normalen Umgang unter benachbarten Familien bezeichnen?


    Du hast in einem früheren Beitrag unumwunden deine Befangenheit gegenüber "anderen" ausgedrückt. Das bedeutet, du selbst bist zurückhaltend in diesem Umgang. Wenn es den "anderen" ähnlich geht, wird das dann nichts mit der Integration, weil die Hände in den Kittelschürzen bleiben und man bestenfalls einen leisen Gruß murmelt, während man mit gesenktem Kopf aneinander vorbeihuscht.[/quote]


    Nein, ich habe von Schüchternheit geredet...nicht von Befangenheit. Das ist erstens ein Unterschied und zweitens sagt das noch lange nichts über mein daraus resultierendes Verhalten aus.


    Mit gesenktem Kopf geh ich gewiß nicht an anderen Menschen vorbei, weder an ausländischen Mitbürgern, noch an deutschen...das interpretierst Du da hinein, Iris. Wenn Du richtig gelesen hättest, wäre Dir auch aufgefallen, dass ich von Freundschaft geschrieben habe...und die stellt man bestimmt nicht her, indem man mit gesenktem Kopf an anderen vorbei geht.


    Zitat

    Glaub mir, ich beobachte das unentwegt -- auch bei mir! --, wenn neue Nachbarn einziehen, ist man befangen, um so mehr, wenn die "anders" sind. Dann umschleicht man sich wie schnuppernde Hunde. Und wenn einer nicht den Anfang macht und die Hand aus der Tasche nimmt und dem anderen ins Gesicht blickt, dann wird das nichts.
    Seltsamerweise erwartet das jedermann ganz selbstverständlich vom anderen.


    Hab ich noch nie getan...aber wenn Du schreibst, dass Du das so machst, dann kann ich auch verstehen, woher Du die deprimierenden Schlüsse gezogen hast, andere täten es Dir nach.


    Zitat

    Unter Kultur versteht man laut Definition, die ich gerade nachgeschlagen habe, nicht nur die Wurzeln, sondern auch eine Weiterentwicklung, Iris.


    Sorry, aber grundsätzlich bleibt dieses Geschwätz vom Eisernen Vorhang zwischen Orient und Okzident Mumpitz aus der Zeit der k.u.k.-Monarchie.


    Zitat

    Die (ernstgemeinte!) Frage bleibt bestehen: Wo sind sie denn, die ausgestreckten Hände?


    s.o.

  • Zitat

    Original von Tom


    Wo und durch wen ist das geschehen?


    Das Wort Stammtischargument ist in dieser Diskussion wohl schon öfter gefallen. Vielleicht versteh ich das Wort auch falsch, aber ich verstehe das Wort abwertend.


    Zitat

    Original von Perseus
    Ich unterstelle jenen einen markanten Türkenrassismus.


    Eine Türkenphobie ist gerade in Österreich festzustellen, und ich schäme mich zutiefst dafür.


    Ich will Perseus nicht unterstellen, dass er diese Wortspende speziell auf das Forum gemünzt hat, aber ich halte sie auch für die Beschreibung der gesamten öffentlichen Diskussion falsch.

  • Hallo, Taciturus.


    Das mit dem "Stammtisch" war ich:


    Zitat

    Aber wenn diese Probleme gelöst sind, bin ich extrem dafür, daß die Türkei der EU beitritt, nicht zuletzt, um den vielen, vielen längst hier lebenden Türken das Etikett "Ausländer" zu nehmen. Denn das wären sie dann genausowenig wie wir es irgendwo in der EU sind. Und ich habe die große Hoffnung, daß manch ein Holzkopf dann endlich sein Stammtischgelaber einstellt.


    Damit habe ich niemanden hier gemeint, und es tut mir leid (für denjenigen :grin), wenn das so aufgefaßt wurde. Es ging mir explizit um die bierseligen Ausländerhasser in den Gardinenkneipen, die nicht selten zusammen mit den örtlichen Größen sich demokratisch schimpfender Parteien einen heben und dabei solches Zeug faseln (beide).

  • Zitat

    Original von Iris


    Welche? :wow
    Wo sind sie denn, die ausgestreckten Hände?


    Jetzt mal abgesehen von den Forderungen, die hier gestellt werden, würde es mich schon interessieren, welche "Integrationsbemühungen" denn nun hier gemeint sind.


    Die Reform des Einbürgerungsgesetzes, Integration durch Sprachunterricht, Integration durch Sport (bundesweite Zusammenarbeit mit Sportverbänden - aber das darf es nicht geben, nein, im fremdenfeindlichen Deutschland niemals!), Beratungsstellen und Integrationskurse. Was sonst noch? Einen persönlichen Integrationsbeauftragten für jeden Migranten?


    Zitat

    Wer geht denn hier ernsthaft auf seine nicht-deutsch/europäisch/christlich-aussehenden Mitbürger/innen zu? Es wird doch schlicht und einfach "Integration" als Vorableistung erwartet, ehe überhaupt der Gedanke erwägt wird, die "anderen" als gleichwertig anzusehen.


    Dazu muss man nichts sagen, das kommentiert sich von selbst.


    Zitat

    Deine Hände, Grizzly, sind jedenfalls nicht ausgestreckt -- die stecken so tief in den Hosentaschen, wie 's nur irgend geht. :grin


    Und zum Abschluss ein persönlicher Angriff: weil ich Beitrittsgegner bin, bin ich...was eigentlich? Xenophob? Nationalist? Braun?

  • Es ging mir auch nicht nur darum, dass hier im Forum der Eindruck entstehen könnte, dass man keine andere Meinung als "akzeptabel" zulässt.


    Es ging mir auch um die allgemeine Diskussion, auch in den Medien. Es hat ja nicht lange gedauert, bis erste Zeitungen Österreich wegen seiner Haltung zum Verhandlungsbeginn vorgeworfen haben, "alte Geister" zu beschwören.


    Ich bin auch strikt gegen Rassissmus, deshalb muss ich jetzt aber nicht für einen Beitritt der Türkei sein und es ist im Laufe der Diskussion der Eindruck entstanden, dass manch einer Beitrittsgegnern einfach niedere Motive vorhaltet.

  • Zitat

    Original von Trugbild
    Theoretisch ja. Praktisch nein. Ist nämlich einfach nie vorgekommen.


    Glück gehabt.


    Zitat

    Und wenn man sich die Klamotten und Autos dieser jungen Leute anschaut, dann fällt es mir schwer, von unterprivilegiert zu sprechen.


    Vielleicht ist es bei euch in der Schweiz ja alles anders, aber Deutschland und Österreich haben ein Problem mit der geistigen und psychologischen Verwahrlosung nicht nur von Kindern in sozial schwachen Familien.
    Auch wenn sich das aufgrund geänderter gesetzlicher Grundlagen (Hartz IV) bald wieder ändern kann, drückt sich das Problem "Armut" zur Zeit weitaus weniger durch schlechte Zähne und abgerissene Klamotten aus als durch eine geistige Verwahrlosung bei teilweisem "Luxus" auf Kredit. Es handelt sich um völlig überschuldete Haushalte, in denen teure TV- und HiFi-Anlagen stehen, die über die allerneueste Handy-Technologie verfügen und jede Menge Hard- und Software im Bereich "Games". Aber z.B. kein einziges Buch.
    Ich rede wiederum von Verhältnissen sowohl in deutschen als auch nicht-deutschen Haushalten.


    Zitat

    Ich kann ja nur für die Schweiz sprechen. Aber hier sind die Fördergelder für Asylanten und die Unterstützungshilfen für Einwanderer wirklich enorm. Ich habe kein schlechtes Gewissen, hierbei von ausgestreckten Händen zu sprechen.


    Also Geld? Sonst nix? Ich meine, abgesehen vom reuelos verputzten Döner oder so.


    Hast du Umgang mit türkischen Mitbürgern? Kennst du deren Gepflogenheiten? Familienleben? Ich meine, aus persönlicher Erfahrung, nicht nur vom Hörensagen? Hast du dich jemals darum bemüht, solche persönlichen Erfahrungen zu sammeln? Auf Menschen zuzugehen, anstatt über den Umweg staatlicher Gesetze in irgendwelchen Behörden Bewilligungen für Überweisungen zuzugestehen?


    Ist Integration deiner Ansicht nach so etwas wie ein Job, für den man Geld verdient? :wow

  • Zitat

    Original von Grizzly
    Einen persönlichen Integrationsbeauftragten für jeden Migranten?


    Wie wäre es statt dessen einmal mit eigener persönlicher Initiative, anstatt die Verantwortlichkeit für den Integrationsprozeß ausschließlich bei den "Migranten" und beim Staat zu deponieren.


    Zitat

    Und zum Abschluss ein persönlicher Angriff: weil ich Beitrittsgegner bin, bin ich...was eigentlich? Xenophob? Nationalist? Braun?


    Das liest du hinein. Ich habe keines dieser Wörter benutzt., Ich sehe nur einen "angry young man", der herrlich argumentieren zu können glaubt und bei jeder Hinterfragung seiner Argumente sich persönlich angegriffen wähnt und zum Gegenangriff übergeht.


    Die Hände stecken eben grundsätzlich tief in den Taschen. :wave

  • Zitat

    Original von Iris


    Das liest du hinein. Ich habe keines dieser Wörter benutzt., Ich sehe nur einen "angry young man", der herrlich argumentieren zu können glaubt und bei jeder Hinterfragung seiner Argumente sich persönlich angegriffen wähnt und zum Gegenangriff übergeht.


    Die Hände stecken eben grundsätzlich tief in den Taschen. :wave


    Ei! Du unterstellst mir etwas und ich soll tatenlos vorm Monitor sitzen und mich eilig fügen? Lächerlich.


    Wo ich bei welcher Hinterfragung (die ich scheinbar als persönlichen Angriff wertete - aber auch das entzieht sich meinem Gedächtnis - toll, daß es Leute gibt, die alles wissen!) zu einem Gegenangriff übergegangen sein soll, musst du mir nochmal zeigen. Mein Gedächtnis hat heute keinen guten Tag.

    :-)

  • Zitat

    Ich will Perseus nicht unterstellen, dass er diese Wortspende speziell auf das Forum gemünzt hat, aber ich halte sie auch für die Beschreibung der gesamten öffentlichen Diskussion falsch.


    Reiße bitte diese Aussage, zu der ich nach wie vor stehe, nicht aus dem Zusammenhang.


    Eine Türkenphobie ist in vielen Bereichen in der Gesellschaft festzustellen.


    Wenn von Ausländern die Rede ist, sind die Türken schon an erster Stelle.


    Warum wohl?

    Die Geschichte lehrt die Menschen, daß die Geschichte die Menschen nichts lehrt.


    Mahatma Gandhi, indischer Freiheitskämpfer

  • Deine Aussage bezüglich der Meinung in Österreich ist nicht aus dem Zusammenhang gerissen. Ich habe durch deine Wortspenden den Eindruck erhalten, dass du Beitrittsgegnern schnell absprichst Agrumente zu haben und diese Meinung nur aus niederen Motiven zu haben.


    Das auch jene, die gegen einen Beitritt sind, ihre Meinung selbst hinterfragt haben und dafür auch Gründe haben, die nicht im Bereich Rassissmus zu finden sind, scheinst du für unmöglich zu halten.


    Wenn ich mich in dem Fall irre, freut es mich. Es ist nur mein subjektiver Eindruck.

  • Zitat

    Original von Iris


    Mal ganz im Ernst: Die islamische Kultur mithin auch die türkische, die du hier als inkompatibel mit der europäischen abtust, speist sich interessanterweise aus denselben Hauptquellen wie die europäische: das römische Imperium und durch dessen Vermittlung (wie später auch durch die Byzanz') die griechisch-hellenistische Kultur.


    Du willst doch hier nicht allen Ernstes die These aufstellen, der türkische Staat sei eine Weiterentwicklung des Byzanthinischen Reiches?
    Da muß man wohl doch erst einmal über das osmanische Reich nachdenken, dessen Kultur sich sehr streng nach den Regeln eines Wüstenvolkes ausrichtete und nach und nach alle Relikte Ostroms aus seiner Kultur tilgte. Heute haben wir einen türkischen Staat, der praktisch mit den Wurzeln Europas nichts mehr gemein hat. Übrig blieb lediglich der Islam in seiner fundamentalen Form als staatsprägendes Element und als Kulturboden der Gesellschaft. Das gesamte Rechtswesen der Türkei ist auf den Koran jenes Wüstenvolkes abgestellt und nicht auf römisches Recht.

    Zitat


    Den keltisch-germanischen Anteil kannste vernachlässigen, der hat vor der Entwicklung der Nationalismen nur eine sehr untergeordnete Rolle gespielt. Europa ist kulturell vor allem durch die Tradition der Latinität geprägt worden -- von Caesar bis zum Absolutismus.


    Ja, natürlich und die ganze Reihe von ehemals keltischen Feiertagen ist natürlich auf dem Mist des alten Rom gewachsen. :lache Daß selbst die römische Kultur eine ganze Menge von den Kelten übernommen hat, seis aus der Gallia cisalpina, seis aus der Gallia transalpina wirst du doch wohl kaum bestreiten können.

    Zitat


    Über diese Tradition drang ganz nebenbei die griechische Kultur in Europa ein.


    Ach ja? Ich dachte, die Kelten wären durch den ausgedehnten Handel mit den Griechen schon kulturell bedient worden, als Rom sich noch mit den Italern prügelte.

    Demosthenes :write
    Aus dem Klang eines Gefäßes kann man entnehmen, ob es einen Riß hat oder nicht. Genauso erweist sich aus den Reden der Menschen, ob sie weise oder dumm sind.

  • Zitat

    Original von Demosthenes
    Du willst doch hier nicht allen Ernstes die These aufstellen, der türkische Staat sei eine Weiterentwicklung des Byzanthinischen Reiches?


    Ebensowenig bzw. -sehr wie das heutige Deutschland eine Weiterentwicklung des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, lieber Demo.


    Zitat

    Das gesamte Rechtswesen der Türkei ist auf den Koran jenes Wüstenvolkes abgestellt und nicht auf römisches Recht.


    "Jenes Wüstenvolk", lieber Demo, befand sich damals unter der schwindenden Kuratel des byzantinischen Reiches als Erbe "Ostroms" (d.h. Konstantinopels). Muhammad und seine Anhänger berufen sich explizit auf eine Erneuerung der "Religion der Schrift", auf das ausgeprägte jüdische und tw. auch (spätantike) christliche Erbe des südöstlichen Mittelmeerraumes.
    ich weiß nicht, was du dir über die Ursprünge des Islam, das Selbstverständnis des frühen Islam und die Umstände der Ausbreitung angelesen hast, aber die Abqualifizierung der frühen islamischen Welt als "jenes Wüstenvolk" klingt schon ziemlich sonderbar, wenn man mal überlegt, daß Bagdad und andere "Wüstenstädte" unter den Abbasiden über ein ausgeklügeltes Kanalisations- und Trinkwasserversorgungssystem (inkl. üppiger öffentlicher Badeanstalten) verfügte, während "Kerneuropa" gerade versuchte, nach Jahrhunderten der Barbarei kulturell und politisch wieder auf die Füße zu kommen. Oder daß es in al-Andaluz über Jahrhunderte hinweg eine (wenn auch eingeschränkte) Religionsfreiheit gab, die durch die Reconquista 1492 (man beachte die schicksalhafte Jahreszahl!) ein abruptes und blutiges Ende fand, als die höchstchristlichen Könige Isabela und Fernando V zur Zerschlagung aller nicht-christlichen Religionen die Spanische Inquisition (ich weiß, daß es eine Römische I. seit 1231/32 gibt!) einführten. Und was wäre das heutige Sizilien ohne das arabische Intermezzo, das durch ausgeklügelte Bewässerungstechnik -- "jenes Wüstenvolk" halt -- für lange Zeit zu allgemeinem (!) Wohlstand auf der kleinen Insel führte?


    Zitat

    Ja, natürlich und die ganze Reihe von ehemals keltischen Feiertagen ist natürlich auf dem Mist des alten Rom gewachsen.


    Mein lieber Demo, die Römer "übernahmen" keine Festtage, sie zwangen den Völkern, deren Gebiete sie eroberten, schlicht und einfach nicht ihre eigene Religion als die einzig wahre auf. Auf diese Weise blieben alte Kulte mit ihren Festen tw. erhalten, wurden aber durch die Romanisierung merklich verändert. Das vorrömische Gallien und das römische Gallien unterschieden sich (laut archäologischer Zeugnisse) in erheblichem Maße.


    Zitat

    Daß selbst die römische Kultur eine ganze Menge von den Kelten übernommen hat, seis aus der Gallia cisalpina, seis aus der Gallia transalpina wirst du doch wohl kaum bestreiten können.


    Die Römer haben von allen Kulturen das eine oder andere Detail übernommen; von einer "ganzen Menge" kann keine Rede sein, lieber Demo -- mal von den Griechen in ideeller und künstlerischer Hinsicht abgesehe. Die technologische, wirtschaftliche und militärische Überlegenheit der Römer, die du, wie ich annehme, nicht bestreiten wirst, speist sich aus einer überlegten Übernahme bestimmter Details, die ans eigene System angepaßt wurden: Waffengattungen wie z.B. die schwerbewaffneten cataphracti aus dem Osten des Imperiums entsprachen sicherlich keiner "ur-römischen" Kampftechnik -- dennoch wurden die Einheiten nach römisch strategischem Muster geordnet und eingesetzt, tw. sogar am Limes.


    Zitat

    Ich dachte, die Kelten wären durch den ausgedehnten Handel mit den Griechen schon kulturell bedient worden, als Rom sich noch mit den Italern prügelte.


    Niemand bestreitet, daß beide Völker schon länger zugange waren -- allerdings die Kelten (Galter für die Griechen) damals auf einem Niveau, das dem der sich mit den Italern prügelnden Römer entsprach. Und da blieben sie auch, bis Caesar kam.
    Die Kelten wurden durch ihre Kontakte mit den Griech nur in geringem Maße hellenisiert, während eine sekundäre Hellenisierung durch die rasche Romanisierung kurz nach der Zeitenwende erfolgte.


    Die Griechen führten -- abgesehen von den Eroberungszügen Alexanders, den sie als Makedonen ohnehin zu den Barbaren (also zu Skythen, Sarmaten, Galater, Kelten ...) zählten -- keine expansiven Kriege über Thessalien hinaus.
    Das makedonische Königshaus sah sich selbst als Teil Griechenlands an, ohne daß die griechischen Städte und Kolonien diese Affinität erwiderten. Nichtsdestotrotz gelang unter den von Griechenland unabhängigen, militärisch starken Diadochenreichen eine Hellenisierung vom östlichen Mittelmeerraum bis nach Zentralasien. Der Einfluß z.B. der Akademie im baktrischen Königreich wird inzwischen als so groß angesehen, daß in Teilen der Forschung griechisches Denken als "zweite Quelle" der buddhistischen Philosophie betrachtet wird (google doch mal zum Thema Milindapanha! :grin).
    Doch die Alexander lange vorausgehenden, von Griechenland ausgehenden Kolonisationswellen waren friedliche Migrationsbewegungen, in deren Verlauf griechische Kultur allmählich in die nähere Umgebung einsickerte. Mehr nicht! Dazu fehlte ihnen einfach die politische und vor allem militärische Macht -- und das Interesse an selbiger.
    Das ging dann erst wieder zu Zeiten Ostroms und des byzantinischen Reiches los, das über Jahrhunderte den heute türkischen Raum beherrschte, wie du ja weißt.



    Demo, willst du dich wirklich über kulturwissenschaftliche Aspekte der europäischen und euroasiatischen Geschichte mit mir prügeln?

  • Mal von den - hervorragenden - geschichtlich aufklärenden Einwürfen abgesehen: Wir reden über das Jetzt und über die Zukunft. Selbst dem letzten Bewohner eines kleinen, gallischen Dorfes dürfte inzwischen zu Ohren gekommen sein, daß wir in Zeiten der Globalisierung - nicht nur im wertbelegten Sinne des Wortes - leben, daß die Welt zusammenrückt, erdumspannende Kommunikation nur noch eine Sache von Mikrosekunden ist, Informationen kaum mehr wirksam Menschen vorenthalten werden können, die Kenntnisse über andere Formen des Zusammenlebens sämtliche Winkel des Planeten erreichen. Es mag sein, daß sich viele orthodoxe Gläubige dieser Entwicklung verweigern, aber letztlich wird sich das Gros der Menschen mehr und mehr auch an den Geschehnissen jenseits des eigenen Tellerrandes orientieren (müssen). Die Welt wächst einfach zusammen. Während noch vor dreißig, vierzig Jahren mehrere Monate vergangen sind, bis Entwicklungen z.B. aus den USA zu uns herüberschwappten, findet mehr und mehr zeitgleich statt. Und das betrifft auch die Kids in der Türkei. Wie gesagt, es wird noch eine halbe Generation dauern, bis ernsthaft über die Beitrittsentscheidung diskutiert wird, und bis dahin wird sich noch so viel geändert haben, daß die Parameter ganz andere sein werden.

  • Zitat

    Original von Iris
    "Jenes Wüstenvolk", lieber Demo, befand sich damals unter der schwindenden Kuratel des byzantinischen Reiches als Erbe "Ostroms" (d.h. Konstantinopels). Muhammad und seine Anhänger berufen sich explizit auf eine Erneuerung der "Religion der Schrift", auf das ausgeprägte jüdische und tw. auch (spätantike) christliche Erbe des südöstlichen Mittelmeerraumes.
    ich weiß nicht, was du dir über die Ursprünge des Islam, das Selbstverständnis des frühen Islam und die Umstände der Ausbreitung angelesen hast, aber die Abqualifizierung der frühen islamischen Welt als "jenes Wüstenvolk" klingt schon ziemlich sonderbar, wenn man mal überlegt, daß Bagdad und andere "Wüstenstädte" unter den Abbasiden über ein ausgeklügeltes Kanalisations- und Trinkwasserversorgungssystem (inkl. üppiger öffentlicher Badeanstalten) verfügte, während "Kerneuropa" gerade versuchte, nach Jahrhunderten der Barbarei kulturell und politisch wieder auf die Füße zu kommen. Oder daß es in al-Andaluz über Jahrhunderte hinweg eine (wenn auch eingeschränkte) Religionsfreiheit gab, die durch die Reconquista 1492 (man beachte die schicksalhafte Jahreszahl!) ein abruptes und blutiges Ende fand, als die höchstchristlichen Könige Isabela und Fernando V zur Zerschlagung aller nicht-christlichen Religionen die Spanische Inquisition (ich weiß, daß es eine Römische I. seit 1231/32 gibt!) einführten. Und was wäre das heutige Sizilien ohne das arabische Intermezzo, das durch ausgeklügelte Bewässerungstechnik -- "jenes Wüstenvolk" halt -- für lange Zeit zu allgemeinem (!) Wohlstand auf der kleinen Insel führte?


    Halt, halt, nun mal langsam mit den jungen Pferden. Offenbar verwechselst du da einiges. Daß der olle Mohammed seinen Koran aus den Elementen mehrerer ihm bekannter Religionen zusammengebastelt hat, hat ja niemand bestritten. Der rote Faden aber, der immer wieder im Koran durchschimmert, ist eindeutig nomadenhaft und auf ein Leben in der Wüste abgestimmt. Eben "jenes Wüstenvolk", das erst durch seine Eroberungen mit der byzantinischen Zivilasition seinen Aufschwung fand.
    Das hat in seinem Ursprung aber nicht das geringste mit Ostrom zu tun und eben nur am Rande mit rudimentären Spuren des Christentums. Mohammed erkennt ja immerhin Christus als Propheten an.
    Selbstverständlich hat sich im islamischen Bereich auf den Trümmern Ostroms auch eine Hochkultur entwickelt, die gerade in der Zeit der Kreuzzüge durchaus der abendländischen überlegen war. Doch scheint mir, daß diese Entwicklung weniger aus der christlichen Vergangenheit kam, sondern vielmehr eine Neuentwicklung darstellte. Wer die Hinterlassenschaften der Mauren in Spanien kennt, wird das sicher bestätigen. Es leugnet auch niemand, daß die geistige Oberschicht durchaus tolerant eingestellt war.
    Letztlich aber entwickelte sich doch ein Fundamentalismus, der seinesgleichen suchte.
    Der ständige Kampf zwischen Schia und Sunna hat natürlich auch seine Spuren hinterlassen und führt ja auch heute noch zu mächtigen Problemen mit dem Irak und Iran, den Hochburgen der Schia.
    In der Türkei traten ja dann auch noch ganz andere Probleme auf, angefangen von dem Zusammenbruch des Osmanischen Reiches, das beinahe zum Ende der Türkei geführt hätte und nur durch Kemal Attatürk abgewendet werden konnte.

    Zitat


    Mein lieber Demo, die Römer "übernahmen" keine Festtage, sie zwangen den Völkern, deren Gebiete sie eroberten, schlicht und einfach nicht ihre eigene Religion als die einzig wahre auf. Auf diese Weise blieben alte Kulte mit ihren Festen tw. erhalten, wurden aber durch die Romanisierung merklich verändert. Das vorrömische Gallien und das römische Gallien unterschieden sich (laut archäologischer Zeugnisse) in erheblichem Maße.


    Zwangsläufig, da die Kelten ja damals Weltmeister im Abkupfern und vor allem im Weiterentwickeln waren. Etwa so wie die Japaner heute. Ich darf da nur an die "Regenbogenschüsselchen" erinnern, die auf der Rückseite eigentlich Alexander darstellen, aber in einer so stilisierten Weise, daß es künstlerisch schon wieder etwas völlig neues darstellt. Hab ja selbst so ein Ding ausgebuddelt. Auch Eber und Lilie auf der -Vorderseite sind kaum als solche erkennbar, weil nur noch stilisiert - und das 100 b.c.
    Die alten römischen Gottheiten wurden übrigens auch teilweise romanisiert und veränderten ihre Bestimmung in etwas neues. Andererseits übernahmen auch die Römer neue Gottheiten. Ich erinnere nur an den Mithras-Kult, der hauptsächlich von den römischen Legionären gepflegt wurde und eigentlich aus Syrien stammen dürfte. Selbst den findest du auf gallischem Gebiet wieder.

    Zitat


    Demo, willst du dich wirklich über kulturwissenschaftliche Aspekte der europäischen und euroasiatischen Geschichte mit mir prügeln?


    Ich prügele keine Frauen. :grin Aber ich vermute, du warst auf einem humanistischen Gymnasium. Ich auch, aber ich hab mir die dort anerzogenen Allüren zum Glück wieder abgewöhnt. :grin
    Nachdem wir jetzt die halbe Weltgeschichte durchgeackert haben, sollten wir aber eigentlich wieder zum Thema kommen. :wave

    Demosthenes :write
    Aus dem Klang eines Gefäßes kann man entnehmen, ob es einen Riß hat oder nicht. Genauso erweist sich aus den Reden der Menschen, ob sie weise oder dumm sind.

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  • Zitat

    Nachdem wir jetzt die halbe Weltgeschichte durchgeackert haben, sollten wir aber eigentlich wieder zum Thema kommen.


    Nein, bitte nicht!


    Ich denke, DASS ist die Diskussion, die immer fehlt.


    Immer heißt es, die islamisch-türkische Gesellschaft sei weit weg von uns, ganz konträre Geschichte, Kultur etc.


    Das stimmt einfach so nicht.


    Diese Diskussion passt perfekt zum Thema, da gerade über ein Hauptargument der Türkei-Gegner diskutiert wird. ;-)


    Gruß
    Perseus


    der sich ärgert, ab morge für längere Zeit keinen Internetanschluss zu haben. :-)

    Die Geschichte lehrt die Menschen, daß die Geschichte die Menschen nichts lehrt.


    Mahatma Gandhi, indischer Freiheitskämpfer

  • Zitat

    Original von Perseus


    der sich ärgert, ab morge für längere Zeit keinen Internetanschluss zu haben. :-)


    Hm, ich glaube, der Ärger ist ganz auf deiner Seite. :lache

    Demosthenes :write
    Aus dem Klang eines Gefäßes kann man entnehmen, ob es einen Riß hat oder nicht. Genauso erweist sich aus den Reden der Menschen, ob sie weise oder dumm sind.