Ann-Helén Laestadius - Das Leuchten der Rentiere

  • ASIN/ISBN: 3455012957


    Die neunjährige Elsa wollte ihre Eltern überraschen und alles für die Fütterung der Rentiere vorbereiten. Doch dann muss sie beobachten, wie ein ihr bekannter Mann, ihr Kalb Nástegallu tötet. Als er merkt, dass er entdeckt wurde, bedroht er das Mädchen und verschwindet. Für die Polizei ist es nur ein Fall von Diebstahl, wie er ständig vorkommt. Sie sehen keine Veranlassung zu ermitteln, denn Elsa und ihre Familie sind Sámi. Elsa fühlt sich schuldig, aber sie hat auch Angst und ist wütend. Die Bedrohungen nehmen zu. Doch was soll man machen, wenn die Behörden nichts unternehmen?


    Auch wenn ich ein Weilchen gebraucht habe, um mich einzulesen, so hat mir dieser Roman doch sehr gut gefallen. Die Geschichte wird weitgehend aus der Sicht von Elsa erzählt. Dabei erfährt man sehr viel über die Traditionen und Kultur der Sámi sowie über ihre Lebensweise. Es werden aber auch die Probleme der heutigen Sámi deutlich, die immer noch diskriminiert werden.


    Elsa hat als Kind Probleme zu verstehen, warum die Erwachsenen sich nicht zu Wehr setzen angesichts der Ungerechtigkeiten. Es fällt ihr schwer, mit ihren Emotionen umzugehen. Dazu kommt die Angst. Erst als Erwachsene begreift sie die Schwierigkeiten ihres Volkes.


    Diese Geschichte wird zurückhaltend und doch eindringlich erzählt. Sie wird später sogar spannend. Ich kann diesen Roman nur empfehlen.


    10/10

  • Liebe buchregal123, es ist ja großartig, dass du ein Buch rezensieren konntest, das noch nicht im Handel erhältlich ist, aber wie war das möglich? Hat die Autorin dir ihr Manuskript gegeben, oder hat der Hoffmann u. Campe Verlag dir einen Vorabdruck zur Verfügung gestellt?

    Würde sicher nicht nur mich interessieren!

    Würdest du uns aufklären? Danke vorab! :wave

  • Dieter Neumann in solchen Fällen empfehle ich Buchtitel und netgalley oder vorablesen zu googeln, dann löst sich so ein Rätsel, wie auch in diesem Fall, sehr schnell auf.

    Verstehe ich nicht. Vorablesen sagt: "noch 12 Tage bis zur Leseprobe" (wohlgemerkt Leseprobe, nicht das ganze Buch) und auf netgalley ist ebenfalls nach Anmeldung nur eine Leseprobe verfügbar. Und nun?

  • Verstehe ich nicht. Vorablesen sagt: "noch 12 Tage bis zur Leseprobe" (wohlgemerkt Leseprobe, nicht das ganze Buch) und auf netgalley ist ebenfalls nach Anmeldung nur eine Leseprobe verfügbar. Und nun?

    Ich bin jetzt nicht der Netgalley Profi, aber in der Regel musst du die Bücher erst einmal anfragen. Es sind nicht alle Bücher vollständig direkt verfügbar.


    Die Details sind da auch nicht so wichtig, entscheidend ist, dass es das Buch als Vorabexamplar dort gibt oder gab.

  • Die Details sind da auch nicht so wichtig, entscheidend ist, dass es das Buch als Vorabexamplar dort gibt oder gab.

    bei Netgalley gibt es das gesamte Buch.aber das veröffentlichungsdatum gilt, also nicht mehr als 2,3 Tage vor diesem Termin laut Verlag

    Oh, die Details sind sogar oft das Wichtigste. In diesem Falle heißt das: Es gibt das Buch auf netgalley vollständig zu lesen erst wenige Tage vor dem Erscheinungsdatum, wie Herr Palomar richtig feststellt. Und genau deshalb interessiert es mich eben, welche besondere andere Quelle die Rezensentin genutzt hat, die ja offensichtlich das ganze Buch gelesen hat.

  • Das ist so falsch. Ich vermute die 2-3 Tage beziehen sich auf das Datum, wann man eine Besprechung veröffentlichen sollte.


    Sollte ich meine Rezension direkt veröffentlichen oder bis zum Erscheinungstermin warten?


    Bücher sind oftmals Monate vor Veröffentlichungstermin komplett verfügbar. Das ist ja auch irgendwie der Sinn von Rezensionsexemplaren, dass man die Bücher vorab lesen und die Rezensionen vorbereiten kann.


    Natürlich kann es sein, dass buchregal123 auf eine andere, vielleicht komplett abenteuerliche, Art und Weise an das Buch gekommen ist. Vielleicht Oceans Eleven-mäßig in das Verlagshaus eingebrochen ist, aber im Zweifelsfall ist immer die einfachere Antwort die richtige.

  • Bin ziemlich krank und bin daher selten im Forum. Ich habe das Buch bereits im Mai von netgalley erhalten und es schon vor einer Weile gelesen, kam dann aus den genannten Gründen nicht dazu etwas zu schreiben.

    Kann das Buch aber wirklich empfehlen, da es viel über die besondere Lebensweise der Sámi und ihre Schwierigkeiten erzählt.

  • Ich schließe mich meiner Vorrednerin an: mir hat das Buch auch sehr gut gefallen!


    Zur Autorin (Quelle: Verlag):

    Ann-Helén Laestadius (*1971) ist eine schwedische Journalistin und Autorin und gebürtige Sámi. In Schweden war sie bereits für ihre vielfach preisgekrönten Kinder- und Jugendbücher sehr bekannt, bevor sie mit ihrem ersten Roman für ein erwachsenes Publikum, "Das Leuchten der Rentiere", einen Nummer-1-Bestseller landete. Der Roman wurde u.a. als Buch des Jahres 2021 ausgezeichnet. Ann-Helén Laestadius lebt in der Nähe von Stockholm.


    Mein Lese-Eindruck:

    “Samisch zu sein bedeutete, seine Geschichte in sich zu tragen, als Kind vor dem schweren Rucksack zu stehen und sich zu entscheiden, ihn zu schultern oder nicht“ (S. 190).

    Die Autorin versetzt ihre Leser in die Welt der Samen, dem einzigen indigenen Volk Europas. Im Zentrum steht Elsa, die als Kind die Tötung ihres Renkalbs und ihre eigene Bedrohung erleben muss. Die Wehrlosigkeit ihrer Familie verbittert sie zunächst, aber im Lauf der Jahre verdichten sich ihre Erlebnisse und sie begreift die Ursachen dieser Wehrlosigkeit als strukturelles rassistisches Problem. Elsa entschließt sich, den „schweren Rucksack“ zu tragen. Sie wird mutig und setzt sich zur Wehr, auch wenn sie erkennt, dass sie dafür einen hohen Preis zahlen muss.


    Die Ablehnung der samischen Kultur und Lebensweise zeigt sich in vielen Bereichen: wir lesen von grausamen Jagden auf die Rentierherden der Samen, von Mobbing und gewalttätigen Übergriffen in den Schulen auf samische Kinder, von alltäglichen rassistischen Beleidigungen, von Telefonterror, von massiven psychischen Erkrankungen und vom Desinteresse der Polizei, bei Übergriffen zu ermitteln. Zugleich wird der Lebensraum der Samen immer weiter eingeengt, nicht nur durch die klimatischen Veränderungen, sondern auch durch die staatliche Forcierung des Bergbaus, der die Weidegründe der Rentierherden schmälert. Gleichzeitig vermittelt uns die Autorin die tiefe Liebe der Samen zur Natur und die Art und Weise, wie sie mit und in der Natur leben, ohne in idyllisierende Schwärmerei zu verfallen.


    Wie die Autorin das alles in ihre Geschichte einwebt, hat mir hervorragend gefallen. Sie belehrt nicht, sie informiert nicht, sie jammert nicht und klagt nicht an, sondern sie erzählt einfach die Geschichte Elsas. Und damit gelingen ihr auch sehr anrührende und tief beeindruckende Episoden, wenn sie z. B. die tiefe Trauer der Schwester um ihren geliebten kleinen Bruder in wenigen Strichen so erzählt, dass die Bilder in Erinnerung bleiben. Ihr Erzählen wirkt gleichmütig und durch die durchwegs einheitliche Syntax eher statisch, fast hölzern. Gelegentliche dramatische Ausrutscher wie “eine diabolische Energie, die sie einen Schritt zurücktreten ließ... und ihr Gesicht zog sich in kleinen schnellen Zuckungen um die Augen und den Mund zusammen“ (S. 331) verzeiht man gerne.

  • Winter 2008 am nördlichen Polarkreis: Hier liegt Sápmi, das Land der Samen, der Ureinwohner Skandinaviens. Die neunjährige Elsa, die Tochter eines Rentierbesitzers, wächst auf mit dem Gefühl ständiger Bedrohung. Eines Tages wird sie Zeugin einer brutalen Tat: Ein Mann tötet ihr geliebtes Rentierkalb. Er droht ihr. Sie darf ihn nicht verraten…


    „Das Leuchten der Rentiere“ ist der Debütroman von Ann-Helén Laestadius.


    Meine Meinung:

    Der Roman besteht aus mehreren Teilen, die wiederum in Kapitel untergliedert sind.

    Die Handlung umfasst einige Jahre, beginnend im Jahr 2008, wobei Orts- und Zeitangaben für Orientierung sorgen. Erzählt wird aus der Perspektive von Elsa.


    In sprachlicher Hinsicht hat mich der Roman nicht enttäuscht. Der Schreibstil ist sehr eindrücklich und anschaulich.


    Im Mittelpunkt des Romans steht Elsa, eine sympathische und mutige Protagonistin, deren Gefühle sehr gut deutlich werden. Der Charakter wirkt ebenso wie die anderen Figuren authentisch.


    Inhaltlich finde ich das Buch sehr wichtig. Es lenkt den Blick auf ein indigenes Volk, das diskriminiert und missachtet wird. Gerne habe ich über die Geschichte, Kultur und Strukturen der Sámi gelesen und so meinen Horizont erweitert. Mich persönlich hat der Roman immer wieder zum Nachdenken angeregt. Das Setting ist zudem sehr reizvoll.


    Auf den mehr als 400 Seiten ist die Geschichte trotz des Kriminalfalls nicht durch und durch spannungsgeladen, aber dennoch fesselnd und nicht langatmig.


    Den deutschen Titel empfinde ich für den Roman als zu romantisierend und weniger passend als das Original. Ähnliches gilt für das sehr hübsche Cover, das auf einen anderen Inhalt schließen lässt.


    Mein Fazit:

    „Das Leuchten der Rentiere“ von Ann-Helén Laestadius gehört zu meinen Lesehighlights in diesem Jahr. Eine durchweg empfehlenswerte Lektüre mit einer wichtigen Botschaft.


    Ich vergebe 5 von 5 Sternen.