Jacques Le Goff - Geld im Mittelalter

  • Jacques Le Goff - Geld im Mittelalter

    ASIN/ISBN: 3608946934

    Zitat

    "Reddit mercatum mox prompta pecunia gratum"


    (Barzahlung macht den Handel angenehm)

    Aus den Annalen der Stadt Straßburg im Mittelalter.

    Das Geld wurde im Mittelalter nicht erfunden, es wurde wiederentdeckt, da man es wieder benötigte.

    In der römischen Antike waren der römische Sesterz und der Denar Zahlungsmittel, die benötigt wurden, ein Weltreich auch ökonomisch zusammenzufassen, das eine große Zahl höchst heterogener europäischer, afrikanischer und asiatischer Länder umfasste. Mit dem Niedergang des Imperium Romanum bis zur Hälfte des ersten Jahrtausends n. Chr., entfiel diese Grundlage für die Geldwirtschaft.

    Das zerfallende Reich teilte sich wieder in seine einzelnen Glieder und die wirtschaftlichen Bedingungen wurden lokaler, sie fanden in kleinen, überschaubaren Regionen statt, sodass ein Naturalien- und Tauschhandel ausreichend wurde, da nur von allen vorhandenen Gütern die Menge produziert wurde, die auch regional verbraucht wurde. Dennoch waren Münzen, besonders aus Edelmetallen wie Gold oder Silber, durchaus bekannt und wurden auch von Herrschern verschiedener Länder im Wert garantiert und geprägt. Münzwesen war ein Herrschaftsgut, eine Regalie und bis ins Hochmittelalter war auch der Münzbesitz überwiegend den gesellschaftlichen Eliten vorbehalten. Ab der karolingischen Zeit wurde der Münzschlag wieder gefördert als ein Mittel, das Reich zusammenzufassen und als allgemein gültiger Wertansatz. Zunächst blieb das Münzaufkommen gering, nur in den Reichsstädten Köln, Mainz und Straßburg wurde der karolingische Denar geschlagen, erst später auch rechtsrheinisch, etwa in Würzburg und Regensburg.


    - Die Zahl der Münzen war gering, weil der Handel gering war! -


    Die Karolingische Münzreform änderte das. Der Karolingische Denar sollte genau wie die einheitliche Schrift, die Karolingische Minuskel, dazu dienen, die Reichsidee zu stärken.

    Die Rechnungseinheit Denar - Pfund - Schilling war sowohl Zahlungsmittel, als auch politisches Steuerungsinstrument.

    Die Karolinger verbanden damit einen Aufschwung des Handels, besonders des Fernhandels, dessen Wagnisse bis dahin vorwiegend jüdische Kaufleute auf sich genommen hatten. Nun entstand in den neu gegründeten und den alten Städten zunehmend eine ökonomisch starke Kaufmannschaft, die zunehmend auch politisch an Bedeutung gewann. Das Prägen von Münzen blieb dabei zunächst Herrschaftsrecht, Fürsten, Bischöfen und Landgrafen vorbehalten, die den Münzwert zu garantieren hatten.

    Ab dem 10. Und 11. Jahrhundert wuchs die Bedeutung des Geldverkehrs, was an den vielen neu geschaffenen Münzstätten sichtbar wurde. Die korrespondierenden Größen hießen:

    Stadtgründungen - Handelsgründungen - Geldprägungsstätten.

    Seit der Stauferzeit im 12. - 13. Jahrhundert wurde der Fernhandel vor allem mit Italien ausgebaut und der Naturalhandel zunehmend durch Münzhandel ersetzt. Bankhäuser, wie in italienischen Stadtstaaten lange bekannt, wurden nun auch im deutschen Teil des Reiches gegründet.

    Die Fürsten riefen nun zunehmend sogenannte "Münzverrufe" aus, die ausgegebenen Münzen wurden eingezogen und durch Neue ersetzt. Diese waren oft von geringerem Wert und Metallgehalt, der Begriff der Inflation war dadurch evident geworden.

    Der "Schlagschatz", der Münzaustausch, wurde zum bewährten Mittel fürstlicher Geldeinnahme und bestritt oft einen Großteil des fürstlichen Haushaltes.

    Die Geschichte der Münzentwicklung ist also auch eine Geschichte verschiedener starker Inflationen. An diesem Geldwert waren Krisen wie lange Kriege, Hungersnöte oder die Perioden großer Epidemien abzulesen.

    Die Geldentwicklung ist eine entscheidende historische Quelle und aus der Geschichtsbetrachtung einer Epoche nicht mehr wegzudenken.


    Beurteilung:


    Historiker, die sich mit dem Mittelalter befassen, erreichen selten ein Millionenpublikum oder gar Weltbekanntheit. Anders Jacques Le Goff. Der Begründer der Pariser Annales - Schule war ein Star der Mediävistik. Er erreichte mit seinen Büchern auch Leser, die sonst eher nicht zu den Käufern historischer Fachbücher zählen. Die Annales - Schule stand für einen Paradigmenwechsel in der Geschichtsbetrachtung, weg von der Dynastien- und Herrschaftsgeschichte, hin zu einer Betrachtung des Alltags der Menschen. Was hat der Mensch im Mittelalter vorwiegend gearbeitet, wie hat er sich gekleidet, wo hat er gewohnt, was hat er gegessen, womit hat er sein Leben bestritten? Da ist die Betrachtung der Rolle, die dem Geld im Mittelalter zukam, nur folgerichtig.

    Le Goff kann erzählen und tut das gerne, das merkt der Leser und kann darüber völlig vergessen, daß hinter jedem Satz exakte und brilliante historische Wissenschaft steckt. Die meisten Felder seiner Betrachtungen hat Le Goff überhaupt erst für die Historie erfassbar gemacht und aufbereitet, die Quellen erschlossen und die Fakten ermittelt.

    Er machte in diesem Buch deutlich, daß Geld eine wesentliche Rolle gespielt hat bei der Entwicklung Europas. Mit der zunehmenden Prosperität der Städte, einer wohlhabenden Kaufmanns - und Handwerkerschaft, entstanden auch Forderungen nach Bedeutung, Partizipation, Selbstbestimmung und Recht. Die wirtschaftliche Stärke der Städte war ein Katalysator bürgerlicher Emanzipation, eines selbstbewussten, gebildeten und autonomen Bürgertums, das sich zunehmend gegen fürstliche Willkür behaupten konnte. Damit ging auch eine Liberalisierung einher, das "Stadtluft frei machte", hatte auch damit zu tun, daß "Stadtluft wohlhabend machte".

    Somit war die Einführung der Geldwirtschaft im Mittelalter gleichsam ein entscheidender Schritt hin zum heutigen Europa, dessen Anfänge in der Zeit des Mittelalters liegen.

    Dieses Buch ist ein historischer Meilenstein in der Erforschung des Europäischen Mittelalters und sollte jedem interessierten Laien dringend empfohlen werden.

    Es ist in einer klaren und unprätentiösen Sprache geschrieben und für jeden verständlich.

    Das Gleiche gilt auch für zahlreiche der anderen Veröffentlichungen von Jacques Le Goff, wie etwa sein Buch: "Für ein neues Mittelalter".

    Dringend zu empfehlen!



    Jacques Le Goff, (1924 - 2014), war Präsident der Ecole des Hautes Etudes en Sciences Sociales in Paris, Professor für Geschichte des Mittelalters und der Mitbegründer der Annales - Schule. Le Goff gilt als einer der führenden Historiker für das europäische Mittelalter weltweit. Seine zahlreichen Publikationen erreichten Auflagen in Millionenhöhe.