ASIN/ISBN: 3442157420 |
Sie waren die ersten wirklich identitätsstiftenden Herrschergestalten nach den Karolingern, sie alle waren ambivalente Persönlichkeiten und sie alle waren Visionäre und Pragmatiker zugleich: Die Staufer
Was wir von dem Geschlecht der Staufer wissen, beruht nicht zum geringen Teil auf Legenden und Verfremdungen. Vor allem die deutsche Geschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts wollte Macht und Ansehen des Volkes mit der Legitimität einer auf Erbfolge beruhenden, idealisierten Darstellung eines Herrscherhauses als Voraussetzung eines geschlossenen, mächtigen Volkskörpers stärken. Diese Prämissen haben das Stauferbild geprägt und werden in diesem Buch von den derzeit angesehensten Fachhistorikern auf diesem Gebiet geprüft und zum Teil neu bewertet.
Die Zeit der Stauferkaiser, von Barbarossa bis zu Friedrich II., war eine Epoche voller Dynamik und Innovation. Vor allem die Wirtschaft und der Handel blühten in dieser Zeit, was durch Städtegründungen, Einführung der Geldwirtschaft und Stärkung des Fernhandels dokumentiert wird.
Alle staufischen Regionen von Norddeutschland bis Sizilien profitierten von diesem Strukturwandel. Ebenso profitierten die Wissenschaften von der Berührung des Stauferreichs mit der orientalischen, arabischen Welt, vor allem unter Friedrich II., der römischer Kaiser und zugleich König von Sizilien war.
Zugleich war die staufische Epoche geprägt vom Dualismus Kaisertum - Papsttum, Imperium und Sacerdotium, was dramatische Entwicklungen zur Folge hatte, von denen fast alle Menschen direkt betroffen waren, die unter der Stauferherrschaft lebten.
Die Betrachtung der Stauferzeit ist zugleich europäische Geschichtsbetrachtung, viele Grundlagen zur Gründung Europas wurden im Mittelalter geschaffen. (Vgl. LeGoff et al.)
Beurteilung:
Die AutorInnen haben gut daran getan, die Beurteilung der Einzelphänomene ausgewiesenen Fachleuten zu überlassen.
Friedmann, Stürner, Sontheimer et al., stehen für solide Quellenarbeit und grundlegende Auswertung. Vermissen muß man allerdings in diesem Kanon Stefan Weinfurter und Hubert Houben, die wohl zur Zeit besten europäischen Stauferkenner. Dennoch ist der Hintergrund der Einzelbetrachtungen zufriedenstellend abgedeckt. Verdienstvoll ist besonders die Chronik 1056 - 1268, für die zeitliche Einordnung und die Abgrenzung der Einzelfakten.
Das Kapitel "Alltag im Stauferreich" ist für interessierte Laien besonders evident und nach bester Art der Annales - Schule verfasst.
Auch der Philosophische Teil kann überwiegend zufriedenstellen, mit Albertus Magnus, Thomas von. Aquin, Bernhard v. Clairveaux und Peter Abaelard, sind die wichtigsten Denker der Zeit vorgestellt worden.
Das vorliegende Buch ist kein Geschichtswerk und auch keine wissenschaftliche Monographie. Es ist ein Geschichtenbuch, dessen Fakten historisch redlich belegt und hinterfragt wurden. Das macht das Buch hervorragend lesbar für alle Interessierten und kann auch den Historiker zufriedenstellen, was die Qualität der Fragestellungen anbetrifft.
Anhang und Dokumentation sind dementsprechend auch keinem wissenschaftlichen Anspruch genügend. Das auf ein ausführliches Literaturverzeichnis verzichtet wurde, ebenso, wie auf ein aussagekräftiges Quellenverzeichnis, muss als Mangel gesehen werden.
Dennoch ist die Art und Weise, Geschichte zu erzählen, die hier gewählt wurde, unterhaltsam, kenntnisreich und daher auch legitim.
Ich möchte daher für dieses Buch eine Leseempfehlung aussprechen.
Die Herausgeber:
Annette Großbongardt, geb.1961, ist Redakteurin beim Magazin "Der Spiegel" und studierte Romanistin und Germanistin. Sie publizierte bereits eine Anzahl von historischen Büchern.
Dietmar Pieper, geb.1963, ist "Spiegel" - Redakteur und Ressortleiter für Politik und verantwortlich für die Redaktion "Spiegel - Wissen".