Raue Havel - Tim Pieper

  • Über den Autor (Amazon)

    Tim Pieper, geboren 1970 in Stade, studierte nach einer Weltreise Neuere und Ältere deutsche Literatur und Recht. Mit seiner Familie lebt er im Havelland, nur wenige Kilometer vor den Toren Potsdams, und liebt es, die idyllische Landschaft Brandenburgs mit dem Fahrrad zu erkunden.


    Produktinformation (Amazon)

    Herausgeber ‏ : ‎ Emons Verlag (25. August 2022)

    Sprache ‏ : ‎ Deutsch

    Taschenbuch ‏ : ‎ 304 Seiten

    ISBN-10 ‏ : ‎ 3740813652

    ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3740813659


    Spannend und informativ

    Dieses Buch beruht auf wahren Begebenheiten. An der Havel werden in einem alten Bootshaus drei alte Skelette gefunden. Und dann wird auch noch eine Journalistin ermordet. Sie hatte sich mit einem Spionagefall aus 1949 beschäftigt in dem es um eine junge Frau geht, deren Identität unbekannt ist. Hängen die Todesfälle zusammen? Als Toni Sanftleben, seines Zeichens Hauptkommissar bemerkt, dass seine Familie und somit auch er in den Fall verstrickt ist, ist es fast zu spät. Denn für seine Gegenspieler zählen Menschenleben nicht viel.


    Meine Meinung

    Die ist der sechste Band in dem der Hauptkommissar Toni Sanftleben ermittelt. Wieder ist das Buch sehr gut und ohne Unklarheiten im Text geschrieben. Somit störte nichts meinen Lesefluss. In der Geschichte war ich schnell drinnen, konnte auch bald erkennen, was Sache ist. In die Protagonisten konnte ich mich hineinversetzen, soweit man sich in Menschen hineinversetzen kann, die so Grausames erlebt haben. Das Buch schweift immer wieder in die Vergangenheit ab, in die Zeit zwischen Ende des zweiten Weltkrieges und der Gründung der DDR. Denn in dieser Zeit begann das Entsetzliche, das eine junge Frau erfahren und erleben musste. In der Gegenwart gelang mir das Hineinversetzen durchaus besser, zumindest in Toni Sanftleben, den Hauptprotagonisten. Der eigentlich den Mord an der Journalistin aufklären sollte. Zusammen mit seinem Kollegen Phong tat er auch alles was ihm möglich war und so gerieten zwei Frauen in Gefahr. Mehr sage ich dazu nicht, denn wenn der Leser das Buch liest wird er erfahren, was damals (1946 und 1949) und heute geschehen ist. Dieses Buch ist wieder sehr spannend und interessant geschrieben, zumal es auch noch auf einer wahren Begebenheit beruht, wie der Autor im Nachwort erklärt. Die im Buch genannten Figuren sind zwar fiktiv, haben aber reale Vorbilder. Ich fand es auch sehr informativ, denn da ich keine Beziehungen zur DDR hatte, habe ich da zu früheren Zeiten nicht allzu viel mitbekommen. Gut, man hörte so das eine und andere, aber wirklich viel erfahren habe ich erst in der Zeit, in der ich Literatur aus diesen Jahren gelesen habe. Wie ja jetzt dieses Buch. Denn ich kenne Tim, seine Recherchen sind gründlich. Mich hat dieses Buch gefesselt, es ist spannend und es hat mich gut unterhalten. Es ist sehr empfehlenswert und ich vergebe die volle Bewertungszahl.

    ASIN/ISBN: 3740813652

  • „Raue Havel“ von Tim Pieper, Emons Verlag, habe ich als Taschenbuch mit 304 Seiten gelesen, die in 52 Kapitel eingeteilt sind. Es ist der 6. Havelkrimi.
    Das Buch beginnt mit dem Prolog im Jahr 1946 in der russischen Besatzungszone. Dort werden fast noch Kinder verhaftet, weil sie den Russischunterricht geschwänzt haben. Sie werden hart bestraft.
    Die Szene wechselt in die Gegenwart und zu drei Skeletten, die in einem alten Bootshaus an der Havel gefunden wurden. Kurz danach wird eine Journalistin ermordet, die in einem Fall aus dem Jahr 1949 recherchiert hat. Bald stellt sich heraus, dass die beiden Fälle zusammenhängen.
    Dann hat sich Tonis Mutter zu einem spontanen Besuch angekündigt. Sie lebt in Portugal und ist schon sehr betagt. Es muss also einen wichtigen Grund geben, warum sie so plötzlich nach Potsdam kommen will.
    Die Handlung wechselt immer wieder in das Jahr 1949. Dort wird eine junge Frau von einem britischen Agenten angeworben, um einen russischen Dolmetscher aus dem ‚Militärstädtchen Nr. 7‘ herauszuschleusen.
    In der Gegenwart nimmt die Handlung rasante Wendungen. Toni und sein IT-Kollege Phong bekommen es mit mächtigen Gegnern zu tun, die vor nichts zurückschrecken. Agenten tauchen in der Dienststelle auf und der Polizeipräsident nimmt Toni den Fall weg. Als Toni mit seinem Vorgesetzten, Kriminalrat Schmitz, über neue Informationen sprechen will, blockt dieser ab. Also nehmen Toni und Phong den Fall selbst in die Hand und geraten in große Gefahr. Und nicht nur die beiden werden bedroht.
    Es ist eine wahnsinnig spannende, traurige und berührende Geschichte. Man kann es sich kaum vorstellen, was damals passiert ist und bis heute nachwirkt.
    Toni kommt bei diesem Fall an seine Grenzen und denkt über seinen weiteren beruflichen Weg nach. Zu seiner Mutter hatte er nie ein inniges Verhältnis. Sie war immer eine sehr distanzierte Person. Jetzt hat er die Gelegenheit, sich mit ihr auszusprechen.
    Kriminalkommissar Phong ist nicht mehr nur ein IT-Nerd, sondern blüht in seiner neuen Rolle als aktiver Ermittler regelrecht auf. Er scheut sich nicht vor der Gefahr, findet immer neue Hinweise im Netz und ist Toni nicht nur ein guter Kollege, sondern auch ein Freund.
    Durch die Perspektivwechsel wird die Spannung von der ersten bis zur letzten Seite gehalten. Man erfährt mehr und detailliert über die Machenschaften der Geheimdienste nach dem 2. Weltkrieg, wie Taten mit aller Macht noch heute geheim gehalten werden sollen.
    Auch wegen des mitreißenden Schreibstil war ich sehr schnell durch mit dem Buch, was wieder ein sehr gelungenes Werk ist.
    Am Ende ernten wieder die falschen Leute die Lorbeeren. Nur einer hat sie mehr als verdient.
    Ich hoffe sehr, dass Toni mit diesem Fall mental abschließen kann und wir noch viel von ihm /lesen können.
    Das Cover ist wieder sehr schön gestaltet.

    <3<3<3<3<3

  • Hauptkommissar Toni Sanftleben wird diesmal mit seinem sechsten Fall konfrontiert. Dieser führt ihn nicht nur in die Vergangenheit, sondern auch zu seiner eigenen Familiengeschichte.

    Der Prolog zeigt uns das Jahr 1946. Im Untersuchungsgefängnis des sowietischen Geheimdienstes in Potsdam warten einige Schüler der Einstein-Oberschule auf eine Nachricht über ihr gestelltes Gnadengesuch. Das „Verbrechen“ der Schüler war lediglich, dass sie den Russisch-Unterricht geschwänzt hatten, und das wurde mit dem Tode bestraft. Der Krimi basiert auf wahren Begebenheiten, denn die Verurteilung der Schüler hat damals real stattgefunden.

    In der Gegenwart werden drei uralte Skelette in einem Bootshaus gefunden, und wenig später wird eine junge Journalistin umgebracht. Toni hat sehr bald eine Ahnung, dass die Fälle zusammenhängen könnten, denn die Journalistin recherchierte einen Spionagefall aus dem Jahr 1949. Hatte sie etwas entdeckt, was nicht ans Tageslicht kommen sollte? Musste sie deshalb ihr Leben lassen? Toni tut alles, um den Fall zu lösen, hat er es doch dem Vater der jungen Frau versprochen. Dabei geht ihm die Geschichte näher als gedacht, denn urplötzlich sieht er eine sehr persönliche Verbindung, die in die eigene Familie führt.

    Die Ereignisse in der Gegenwart wechseln sich mit Rückblicken in das Jahr 1949 ab, und man kann gar nicht anders, man muss am Ende eines Kapitels einfach weiterlesen, weil es immer wieder kleine Cliffhanger gibt. Die Geschichte entwickelt sich sehr fesselnd, und die verschiedenen Charaktere sind so plastisch dargestellt, dass man das Gefühl hat, sie persönlich vor sich zu haben. Die Protagonisten haben sich weiter entwickelt, was mir besonders bei Tonis Assistenten Wong aufgefallen ist. Ein weiterer Aspekt, der mir an Tim Piepers Krimis sehr gefällt, ist, dass man Toni Sanftleben auch persönlich sehr nahe kommt und an seinen Gedanken, Gefühlen und Ängsten teilhaben kann. Die beiden Zeitstränge werden am Ende geschickt zusammengeführt, und alle auftauchenden Fragen klären sich auf. Auch wenn der Fall irgendwann von höherer Dienststelle abgeblockt werden soll, finden Toni und Wong einen mutigen und raffinierten Weg, ihn zu einem zufriedenstellenden Ende zu bringen.

    Es ist ein sprachlich sehr angenehmer und niveauvoll geschriebener Krimi, der keine Effekthascherei nötig hat, sondern durch einen gut recherchierten und durchdachten Plot überzeugt, der einen mitreißt. Mir haben alle bisher erschienenen Krimis von Tim Pieper sehr gefallen, so dass ich den Eindruck hatte, es wären sicher keine Steigerungen möglich. Hier hat der Autor aber nochmal „draufgelegt“, und der sechste Fall ist absolut genial.


    :thumbup::thumbup::thumbup::thumbup::thumbup:

  • Dunkle Schatten der Vergangenheit erreichen die Gegenwart...


    Ich glaube, ich kenne alle Bücher der Havel-Reihe von Tim Pieper – und bin immer wieder aufs Neue begeistert! Jedes Mal denke ich: nun ist aber keine Steigerung mehr möglich – doch der Autor kann stets noch einen „draufsetzen“...

    Man kann die Bücher auch sehr gut einzeln lesen, die Fälle sind in sich abgeschlossen. Aber ich persönlich finde immer, bei Reihen lohnt es sich, sie möglichst nacheinander zu lesen, da man die Entwicklung der Protagonisten dadurch besser nachvollziehen kann.

    Aber „Raue Havel“ hat mir besonders gut gefallen: Herr Pieper greift einerseits einen alten (historisch belegten) Spionagefall aus dem Jahr 1949 auf, vermischt ihn gekonnt mit einer wahren Begebenheit aus dem Jahr 1946, bei der einige 15-/16-jährige Schüler von der sowjetischen Besatzungsmacht zum Tode verurteilt wurden, weil sie den Russisch-Unterricht „geschwänzt“ hatten. Ein fiktiver Roman aus der Gegenwart, aber nach historischen Vorbildern... Deshalb spielt die sog. „verbotene Stadt“ der sowjetischen Geheimdienste in Potsdam eine wichtige Rolle.

    Ein Fall, der Toni Sanftleben (berechtigterweise) persönlich sehr mitnimmt und ihn an seine Grenzen bringt. Wir lernen Tonis Mutter Vera kennen und wissen nun, warum sie so ein distanziertes Verhältnis (um es mal vorsichtig auszudrücken) zu ihrem Sohn und Enkelsohn gehabt hat. Aber weitere inhaltliche Details sollen hier nicht verraten werden...

    Geschrieben ist die Geschichte in zwei Zeitebenen: 1949 und Gegenwart, beides ist aber durch Kapitelüberschriften gut erkennbar.

    Nach dem Lesen des Nachworts wird deutlich, welche Ereignisse wann, wo und warum stattgefunden haben, so dass wir Leser*innen eine gute Grundlage haben, evtl. selbst noch weitere Informationen einzuholen (z.B. werde ich – wenn ich mal wieder nach Potsdam komme – die Gedenkstätte in der Leistikowstraße besuchen).

    In der Gegenwart hat mir Tonis Kriminalkommissar Nguyen Duc Phong (Phong genannt) besonders gut gefallen. Ich kannte ihn schon (er gehört ja quasi zur „Familie“), aber ich fand, diesmal ist er arbeitstechnisch und persönlich über sich selbst hinausgewachsen. Er hat Toni mehrmals besonnen „geerdet“ und ihn vor dienstlichen „Dummheiten“ bewahrt.

    Meiner Meinung nach ist es hier dem Autor perfekt gelungen, beide Handlungsstränge miteinander zu verzahnen, d.h. Toni und seine Kollegen hatten zu einem gegenwärtigen Mordfall noch die Mordfälle aus dem Jahr 1949 aufzuklären – und einige „böse“ Menschen waren sehr interessiert, sie zu vertuschen – und schreckten vor Mordversuchen nicht zurück, um ihre Geheimnisse zu schützen!

    An manchen Stellen habe ich regelrecht mitgefiebert (und nachts einige Male zu lange gelesen), aber es hat sich gelohnt! Ich hoffe sehr auf weitere Bände mit Toni, habe mich aber selbst erstmal mit „Mord unter den Linden“ getröstet, einem historischen Krimi, in dem Tonis Großvater ermittelt…

    Ich kann die gesamte Havel-Reihe nur wärmstens weiterempfehlen; Menschen mit Interesse für die deutsche Geschichte nach dem 2. Weltkrieg sei die „Raue Havel“ besonders ans Herz gelegt!