Doris Dörrie - Die Heldin reist
Verlag: Diogenes
Erscheinungsjahr: 2022 (3.Edition)
Seitenzahl: 240
ISBN: 3257071841
Über die Autorin:
Doris Dörrie, geboren 1955 in Hannover, arbeitet nach Studien in den Vereinigten Staaten und München als Regisseurin, Drehbuchschreiberin und Schriftstellerin.
Bekannt wurde sie durch ihre ersten Filme "Männer" und "Ich und Er", später folgten die erfolgreiche Filme "Hanami", "Grüße aus Fukushima" und "Kirschblüten und Dämonen".
Doris Dörrie war mit dem Kameramann Helge Weindler verheiratet, der 1996 verstarb. Mit ihm hat sie eine gemeinsame Tochter.
Über den Inhalt (nach Amazon):
Der Held muss in die weite Welt hinaus und Abenteuer erleben, um ein Held zu werden – und eine Geschichte zu haben.
Und was ist mit der Heldin? Doris Dörrie erzählt von drei Reisen – nach San Francisco, nach Japan und nach Marokko – und davon, als Frau in der Welt unterwegs zu sein.
Sich dem Ungewissen, Fremden auszusetzen heißt immer auch, den eigenen Ängsten, Abhängigkeiten, Verlusten ins Auge zu sehen.
Und dabei zur Heldin der eigenen Geschichte zu werden.
Meine Meinung:
Die Antworten auf die Frage, warum es uns in die Welt zieht, sind so mannigfaltig, wie jeder Mensch einzigartig ist.
Die reisende Heldin in Doris Dörries neuen Geschichten - das Cover deutet es zweifelslos an - ist die Schriftstellerin selbst.
Sehr persönlich erzählt Doris Dörrie von ihren Reisen nach San Francisco, Japan und Marocco.
Genau genommen handelt es sich dabei um keine Reisen, denn die Aufenthalte auf drei Kontinente bedeuten für die Autorin Studium, Arbeit und
in der letzten Geschichte dann doch eine Reise.
In San Francisco studiert Doris Dörrie und diese Zeit zählt zu den prägendsten in ihren jungen Jahren. Es sind die 1970-er Jahre, in der die in Hannover geborene, in gutbürgerlichen Verhältnissen aufgewachsene und immer zu Reisen und Bildung angehaltene Doris nach San Francisco kommt. Die 68-er Jahre wirken nach, alles ist easy, es wird keine Party oder Männerbekanntschaft ausgelassen und Deutschland wirkt aus der Ferne extrem spießig. Zugleich beeindruckt die junge Deutsche, wie neben dem amerikanischem Laissez-faire gleichzeitig ambitioniert studiert wird.
Wer bereits Doris Dörries "Leben, Schreiben, Atmen" gelesen hat, dem dürfte vieles bekannt vorkommen.
Letztlich geht es in diesen sehr privaten Einblicken weniger um das Reisen oder den Besuch von Sehnsuchtsorten, vielmehr plaudert die Autorin aus der Distanz über den Zeitgeist und ihre Begegnungen in jenen Jahren. Gut unterhalten dürften sich diejenigen Leser fühlen, die diese Zeit bewusst erlebt haben.
In Japan hat Doris Dörrie nicht nur Filme gedreht, sondern das Land auch vielfach bereist.
Eine zufällige Bekanntschaft mit der fülligen Japanerin Tatsu, die eine Weile in Hannover gelebt hat, führt zuerst zu einem Cafébesuch und später zu einer distanzierten Freundschaft beider Frauen, die in interviewähnlichen Gesprächen mündet.
Doris Dörrie bittet Tatsu ausdrücklich darum, ihre Geschichten aufschreiben zu dürfen, doch Tatsu zögert und stimmt letztlich in dem Wissen zu, dass ihre Geschichte völlig anders wiedergegeben wird als sie sich tatsächlich ereignet hat.
Tatsus Liebes-, Lebens- und Leidensgeschichte und ihre Erfahrungen in Deutschland stimmen befremdlich; es sind Doris Dörries Empfindungen und Reflexionen über Japan, das uns so ähnlich und doch völlig anders ist. Gerade in den Momenten, in denen die Autorin glaubt, in die Kultur diesen fremden Landes eingedrungen zu sein und es verstanden zu haben, schließen sich die Türen.
Vieles bleibt im Verborgenen, noch mehr unausgesprochen, was sicherlich den Reiz dieser Erzählung ausmacht.
Wer sich jemals auf Reisen mit Freunden begeben hat, weiß von den Unwägbarkeiten.
Fast nirgends lernt man Menschen so gut kennen, wie wenn man mit ihnen reist.
Doris Dörrie lässt sich darauf ein und begibt sich mit einer Freundin nach Marokko; zwei Frauen, die ungleicher nicht sein können.
Das Aussehen grundverschieden, ihre Vorstellungen von Wahrnehmung und Wahrgenommen werden klaffen weit auseinander, ebenso ihre Lebensansprüche zum Zeitpunkt der Reise, doch was sie eint, sind ihre Klugheit und Toleranz, einander aushalten zu können.
Die Reise ist spannungsgeladen, die Luft flirrt und die Gedanken sind träge; die Frauen sitzen einer Falle auf. Beinahe, denn auch das gehört zum Reisen dazu. Das Abenteuer, Erfahrungen zu sammeln, sich umzusehen, seine Angst zu überwinden und manchmal festszustellen, dass trotz aller Abgeklärtheit nichts ist wie es scheint.
Die Reise nach Marokko ist die unscheinbarste dieser drei Erzählung und zugleich die nachhaltigste.
Sie fragt nach dem Sinn des Reisens, nach dem Leben und erklärt, warum man keine Heldin sein muss, um in die Welt zu ziehen.
"Die Heldin reist" ist ein sehr persönliches, sprachlich vortreffliches und immer im Tonfall angemessenes Buch über das Reisen und eine gute Gelegenheit, das eigene Reisen mit diesem Buch - vielleicht auch von zu Hause - neu zu überdenken.
ASIN/ISBN: 3257071841 |