Die Ewigkeit ist ein guter Ort von Tamar Noort

  • 304 Seiten


    Kurzbeschreibung

    Eine Geschichte über Festhalten und Loslassen, Himmel und Erde und das, was dazwischen ist.

    Elke ist eine junge Pastorin, die in Köln arbeitet. Als sie eines Tages einer alten Dame am Sterbebett das Vaterunser sprechen soll, kommt ihr kein Wort über die Lippen. Sie hat den Text vergessen, und zwar sämtlicher Gebete. Ist das Gottdemenz?

    Elke beschließt, in die norddeutsche Provinz zu fahren, an den Ort ihrer Kindheit. Doch auch nach all den Jahren fühlt es sich seltsam an, mit ihren Eltern am Esstisch zu sitzen, wenn der vierte Platz leer bleibt. Elke trifft Eva wieder, die ehemalige Freundin ihres Bruders, der damals zu weit im See hinausschwamm. Und während sie am Ufer sitzt und aufs Wasser schaut, ahnt Elke, wo sie beginnen muss, nach den verloren gegangenen Worten zu suchen.

    Ein hinreißender Roman voller Leichtigkeit und Tiefe, wortgewandt und fantasievoll. Für einen Auszug aus diesem Debüt gewann Tamar Noort den Hamburger Literaturpreis.


    Über die Autorin

    Tamar Noort, geboren 1976 in Göttingen, ist in den Niederlanden aufgewachsen. Sie studierte Kunst- und Medienwissenschaften sowie Anglistik in Oldenburg und Newcastle upon Tyne und hat die Masterclass Non-Fiction an der Internationalen Filmschule Köln absolviert. Seit 2009 macht sie Dokumentationen für ZDF, Arte und 3sat mit dem Schwerpunkt Wissenschaft. Für einen Auszug aus ihrem Debüt «Die Ewigkeit ist ein guter Ort» gewann sie 2019 den Hamburger Literaturpreis. Sie war Stipendiatin im Writers´ Room Hamburg und in den Künstlerhäusern Worpswede. Tamar Noort lebt in der Nähe von Lüneburg.


    Meine Meinung

    Elke hat Theologie studiert und jobbt im Seniorenheim als Seelsorgerin. Als sie bei einer Sterbebegleitung mit der alten Dame beten soll, fallen ihr die jahrelang verinnerlichten Worte nicht mehr ein und auch danach tut sie sich schwer mit allen Gebeten und Bibeltexten, sie nennt das Gottdemenz und zweifelt.


    Ein interessanter Start, ungewöhnlich und fesselnd geschrieben. Warum Elke trotz Studienabschluss nur jobbt, hat sich mir zwar nicht erschlossen. aber auch nicht weiter gestört, denn ich fand Elke und ihre Gedanken interessant.


    Sie lebt mir ihrem Freund Jan zusammen, der ihr genaues Gegenteil ist. Er ist strukturiert, nüchtern, kann kochen, pflegt seinen Garten und hat mit der Kirche nichts am Hut.


    Im Laufe der Zeit wird immer deutlicher, dass die beiden sich eigentlich überhaupt nicht kennen und auch nichts miteinander anzufangen wissen. Was und warum sie dann zusammenkamen und zusammengeblieben sind? Eins der Rätsel in diesem Buch.


    Elke leidet vor sich hin, bemitleidet sich selbst, jammert dass sie keiner versteht, erzählt allerdings auch niemandem, was sie eigentlich plagt. Das fand ich auf die Dauer nervig, sie wirkte teilweise wie ein bockiger Teenager, nicht wie eine erwachsene Frau. Am schlimmsten fand ich dabei, dass sie sich oft völlig rücksichtlos verhält, ihr kindisches Getue aber völlig korrekt findet. Sie trampelt auf allem und jedem rum, findet das in Ordnung und will dafür noch bemitleidet werden.

    Ja, sie hat leidet immer noch unter dem frühen Unfalltod ihres Bruder, aber sorry, das rechtfertigt auch nicht alles.


    Und obwohl ich Elke nicht sonderlich gut leiden konnte und sie mir in manchen Szenen ziemlich auf die Nerven ging, habe ich ihre Geschichte dennoch irgendwie gern gelesen. Manche ihrer Sätze und Gedanken fand ich treffend oder berührend. Dennoch habe ich mir die ganze Zeit gewünscht, dass endlich mal jemand klare Worte mit ihr spricht.


    Was mich überhaupt nicht überzeugt hat, dass es irgendjemanden auffallen würde, wenn ein Pfarrer eine jahrealte Predigt (egal ob normaler Gottesdienst oder Beerdigung) noch einmal halten würde. Aber ich lasse mich gern vom Gegenteil überzeugen. ;-)


    ASIN/ISBN: 3463000342

  • Irgendwie habe ich den Eindruck, dass Elke eben doch noch nicht ganz erwachsen war.

    Ihre Sinnkrise entsteht vielleicht auch daraus, dass sie sich noch nicht reif für die kommende Aufgaben als Pastorin fühlt.

    Dabei steht ihr als Tochter und potentiellen Nachfolgerin ihres Vaters der Weg weit offen. Ein Privileg, das nicht jeder hat.

  • Was mich überhaupt nicht überzeugt hat, dass es irgendjemanden auffallen würde, wenn ein Pfarrer eine jahrealte Predigt (egal ob normaler Gottesdienst oder Beerdigung) noch einmal halten würde. Aber ich lasse mich gern vom Gegenteil überzeugen. ;-)


    ASIN/ISBN: 3463000342

    Es würde auch Dir auffallen, glaube es mir. Mein Klassiker ist ein katholischer Geistlicher, der auf Hochzeiten gern das Wort Scheidung fallen ließ ;) oder ein evangelischer Pastor, der auf Beerdigungen den Leib des Herrn bemühte, um dann den Bogen zu spannen, wie der Verstorbene zum Essen stand. Dieses Bild passte immer dann gut, wenn Ostern und Pfingsten anstanden und der Pastor nicht viel über den Verstorbenen wusste. Ich könnte noch mehr erzählen, aber wir lassen das besser...

  • Es würde auch Dir auffallen, glaube es mir. Mein Klassiker ist ein katholischer Geistlicher, der auf Hochzeiten gern das Wort Scheidung fallen ließ ;) oder ein evangelischer Pastor, der auf Beerdigungen den Leib des Herrn bemühte, um dann den Bogen zu spannen, wie der Verstorbene zum Essen stand. Dieses Bild passte immer dann gut, wenn Ostern und Pfingsten anstanden und der Pastor nicht viel über den Verstorbenen wusste. Ich könnte noch mehr erzählen, aber wir lassen das besser...

    Ok, sowas prägt sich dann wohl doch ein. Dann kenne ich nur die 08/15 Varianten...


    Dann hätte ich mir im Buch aber genau solche Beispiele gewünscht, die deutlich machen, warum die Predigt hängen geblieben ist. Hier entstand der Eindruck, dass quasi jeder willkürlich herausgezogene Text von vor x Jahren selbstverständlich von x Leuten direkt wiedererkannt wurde.

  • Ich habe das Buch sehr gerne gelesen und ich kann mir vorstellen, dass man sich tatsächlich manche Sachen aus einer Predigt merkt, z.B. wenn einen bestimmte Dinge ansprechen. Das hätte sie tatsächlich ein wenig mehr begründen können, allerdings war der Witwer eigentlich ganz schlüssig, als er erklärt hat, dass er ihre Predigt von einer anderen Trauerfeier wiedererkannt hat.


    Warum Elke mit ihrem Freund Jan zusammen ist, kann ich nachvollziehen. Er ist eine feste und verlässliche Größe in ihrem Leben. Er steht für Ordnung und Struktur; alles das, was ihr zu fehlen scheint. Nach dem Verlust ihres Bruders ist Jan jemand, der sie umsorgt und der sie auf seine Weise liebt. :wave

  • Elke ist angehende Pastorin und eigentlich mit ihrem Leben ganz zufrieden. Sie hat einen wunderbar ordentlichen Lebensgefährten, der für sie kocht und den Haushalt macht, sowie die Aussicht, die Gemeinde ihres Vaters zu übernehmen. Sie betreut Patienten in einem Altenheim, die auf dem Sterbebett liegen und genau dort gerät eines Tages ihr Leben aus den Fugen, denn als sie zusammen mit einer alten Dame das Vaterunser beten möchte, fehlen ihr die Worte – Worte, die sie ihr Leben lang gekannt hat, mit denen sie aufgewachsen ist als Pastorentochter. Voller Angst über diesen Gedächtnisverlust durchforscht sie ihre Erinnerungen nach Gedichten, Geschichten und zurück liegenden Ereignissen. Es alles ist da, bis auf Gott - alles, was mit Gott zu tun hat, fehlt ihr. Sie bezeichnet es als Gottdemenz und das macht ihr große Angst, denn eine Pastorin ohne eine Beziehung zu Gott? Undenkbar. Sie rutscht in eine tiefe Lebenskrise und verliert fast den Boden unter den Füßen, bis sie irgendwann erkennt, dass sie sich auf eine schmerzhafte Reise begeben muss; auf eine Reise in ihre Vergangenheit.


    Diese Reise führt sie in ihr Elternhaus in das sie nur ungern zurück kehrt, denn die Familie ist nicht mehr komplett. Der Vater ist schwer krank und bittet sie, ihn während seines Kuraufenthaltes zu vertreten. Eine Bitte, die sie trotz ihrer Gottesferne nicht ausschlagen kann. So muss sie unfreiwillig die Verantwortung für die Gemeinde ihres Vaters übernehmen, sich mit einer absackenden Empore und streitenden Orgelbauern auseinandersetzen und Predigten vorbereiten (wobei sie heimlich alte Predigten ihres Vaters verwendet, in der Hoffnung, dass die Gemeinde nichts merkt). Sie führt Gespräche mit den Gemeindemitgliedern, kommt ihren Jugendfreunden wieder näher und genau hier beginnt sie ganz langsam, die Ursache für ihre Verletzungen zu erkennen und eine andere Herangehensweise an ihren Beruf und Gott scheinen möglich…


    Ich habe dieses Buch sehr gerne gelesen, auch wenn Elke teilweise wie ein unreifes Kind mit Gott und der Welt hadert. Sie beschimpft Gott aufs Übelste, strapaziert die Nerven der Menschen, die ihr etwas bedeuten und wirkt sehr egoistisch in allem, was sie tut. Sehr bald merkt man beim Lesen, dass die Ursache für dieses Verhalten mit einer lange zurück liegenden Verletzung zu tun hat, die niemals ganz verheilt ist. Das Buch macht nachdenklich, denn es geht um Abschied, Loslassen und den Sinn des Lebens – alles keine leichten Themen und doch hat die Autorin es geschafft, einen wunderbaren Humor einfließen zu lassen, so dass dies kein trübsinniges Buch geworden ist.


    Mein Fazit: Wundervoll geschrieben, berührend, feinsinnig und humorvoll; eine Geschichte über das Loslassen und das Ankommen und über eine ganz persönliche Suche nach Gott, auf der auch der eine oder andere Mensch gefunden wird…