Fragen an Sandra Wöhe

  • Zitat

    Original von anuk
    Sandra , mich würde interessieren, ob du schon an einem neuen Buch arbeitest.


    Mir hatte es in „Lass` mich deine Pizza sein“ zu wenig Erotik. Darum habe einen erotischen Roman geschrieben, der in den Bergen handelt. Ich habe mir Geschichten einfallen lassen, wie Frauen sich kennen gelernt und verführt haben. Das Manuskript ist in der Pipeline. Wann der Roman veröffentlicht wird, weiß ich noch nicht.
    Momentan schreibe ich an einer Geschichte, indem es um Integration geht. Eine Witwe mit drei Töchtern wandert aus Indonesien nach Deutschland aus. Sie ist bereit sich anzupassen, aber es gelingt ihr nicht. Warum sie es nicht schafft und was sie von ihrer neuen Heimat gebraucht hätte, darüber zerbreche ich mir momentan den Kopf.


    Sandra

  • Ich ziehe hiermit die Frage, ob Lesbisch oder Hetera sein etwas mit der Art und Weise, wie man ein Buch liest oder auch schreibt, mal hierher, weil sie über den eigentlichen Inhalt des Buchs hinausgeht.
    Da ich davon überzeugt bin, daß das Sein das Bewußtsein bestimmt, bejahe ich die Frage natürlich.
    Es sind verschiedene Welten, die sich da offenbaren und ein anderer Blick auf die Welt. Ein GANZ anderer.


    MaryRead
    Bei Solitaire und Brahms haben wir die Frage de facto vereinfacht, weil wir uns darüber unterhalten haben, wie es früher war. Das war eine eingeschränkte Herangehensweise. Man konnte immer auf eine 'Vergangenheit' ausweichen. Alles, was Heteras komisch vorkam, war eben 'früher so'. Grob gesagt, haben wir uns vor den Weiterungen gedrückt.


    Noch mal allgemein gesprochen:
    Frauen lesen anders als Männer, weil sie kulturell anders geprägt sind. Das macht jede Diskussion über Bücher, die zwischen den Geschlechtern stattfindet, so faszinierend. Männern fallen an Literatur, in den Texten, andere Dinge auf als Frauen.
    Das gilt nicht nur für die Geschlechter.
    Weiße lesen anders als Schwarze, Indianer anders als Juden und Indianerinnen anders als Jüdinnen.
    Klassenunterschiede kommen natürlich auch zum Tragen, Arbeiter lesen anders als Lehrer.
    Und für das Schreiben gilt das auch.


    Wichtig ist, daß das nicht einschichtig verläuft, weder das Lesen noch das Schreiben. Ich, Magali, lese ein Buch als Frau, als Weiße, als Akademikerin kleinbürgerlicher Herkunft, als Marxistin, als Feministin. Auch meine eigene Vergangenheit spielt eine Rolle. Es gibt Szenen in dem Pizza-Buch, da bin ich mir nicht sicher, ob ich den Kopf schüttle oder meine Mutter. Oder ich lache, weil etwas in mir die vierzehnjährige alberne Göre auslöst.
    Ich frage mich beim Lesen stets, was mir vertraut ist und was fremd.


    Schwierig wird es bei der Frage, wie ich meinen Maßstab finde. Ist das Buch gut, weil ich soviele vertraute Versatzstücke finde? Weil ich mich stark identifizieren kann?
    Mag ich andereseits ein Buch nicht, weil es mir zu fremd ist?
    Inwieweit ist es möglich, Kriterien zu finden, die ich übertragen kann?


    Das sind die Grundfragen. Sie sind wirklich schwer zu beantworten. Die Tendenzen gehen auf jeden Fall in Richtung UNTERSCHIED.


    Das Buch, das wir hier lesen, lese ich übrigens (Ehrenlesbe hin oder her, MaryRead, really!! :rofl) als feministischen Text. Ich finde hier einen Ausblick auf die Möglichkeiten, die man hat, wenn die klaren Grenzen zwischen den Geschlechtern nicht gelten, also Hie Frau, da Mann.


    Man braucht doch völlig neue Definitionen der Geschlechterrollen. Das war für mich ein zentrales Thema in dem Buch. Damit kämpft Renate und mit ihr alle Frauen und Männer.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Ich überlege immer noch, ob ich lesbische Bücher "anders" lese.


    Jein.


    JA deswegen, weil ich natürlich neugierig bin, wie lesbische Beziehungen funktionieren. Dann wieder stelle ich fest, daß sie auch nicht viel anders ablaufen als heterosexuelle Beziehungen. Sicher gibt es in der Beziehung Frau/Frau oder Mann/Mann teilweise auch andere Reibungspunkte als in der Beziehung Frau/Mann, dafür fallen andere typisch heterosexuelle Mißverständnisse wieder weg. Unterm Strich sind da also gar nicht mal so viele Unterschiede.


    NEIN deswegen, weil ich es ganz normal finde, daß ein Mensch nicht nur das andere Geschlecht lieben kann, sondern auch das eigene.

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Zitat

    Original von magali
    Wichtig ist, daß das nicht einschichtig verläuft, weder das Lesen noch das Schreiben. Ich, Magali, lese ein Buch als Frau, als Weiße, als Akademikerin kleinbürgerlicher Herkunft, als Marxistin, als Feministin.


    Hallo, magali


    Der Lack ist noch nicht getrocknet über meiner Registrierung - und schon muss ich reichlich nickelig und zugegebenermaße ein wenig verwirrt etwas fragen:
    Liest du ein Buch tatsächlich [list=1][*]als magali,
    [*]als Frau,
    [*]als Weiße,
    [*]als Akademikerin kleinbürgerlicher Herkunft,
    [*]als Marxistin,
    [*]als Feministin?[/list=1] Wo bleibt denn da das Vergnügen des Abtauchens? Mir jedenfalls wäre das ein bisschen viel Übergepäck.
    ;-)


    Schöne Grüße von blaustrumpf

    Wer einmal aus dem Schrank ist, passt nicht mehr in eine Schublade.
    Aber mein Krimi passt überall: Inge Lütt, Eine Bratsche geht flöten. ISBN: 978-3-89656-212-8. Erschienen im Querverlag

  • Hi, blaustrumpf,


    ich könnte antworten:
    ein Buch wie das von Sandra, liest man nicht zum Abtauchen. :grin
    Das ist entschieden ein Buch zum Mitdenken.


    Tatsächlich aber ist die Antwort falsch.
    Denn:
    Gleich, wie man liest, liest man gemäß der eigenen sozio-kulturellen Prägungen. Alles, was man ist,
    alles, was man weiß,
    fließt beim Lesen mit ein. Das war der Kern meines postings oben.
    Die Frage ist nur, wie BEWUSST einem das ist.
    Mir ist das eben sehr bewußt. Auch beim 'Abtauchen' weiß ich durchaus, warum ich abtauche.
    Nämlich deshalb, weil bestimmte Emotionen in mir wachgerufen werden.
    Deswegen genieße ich ein Abtauch-Buch trotzdem.
    Das ist wie Kuchen essen. Ich weiß, daß der aus Zucker, Eiern, Mehl etc. besteht. Habe ich ihn selber gebacken, kenne ich sogar die genauen Anteile der Zutaten einschließlich der Backofentemperatur und der Dauer der Zeit, bis er fertig war.
    Trotzdem schmeckt er mir und wenn ich Lust habe, esse ich vier Stücke davon.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

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  • Zitat

    Original von magali
    Man braucht doch völlig neue Definitionen der Geschlechterrollen. Das war für mich ein zentrales Thema in dem Buch. Damit kämpft Renate und mit ihr alle Frauen und Männer.


    Ich grüble schon eine ganze Weile über diesem Satz. Ist es wirklich so ? Müssen wir unbedingt alles definieren ? Warum kann ein Mensch nicht so sein, wie er ist ? Gibt es ein typisches weibliche/männliche Verhalten, oder ist das doch nur eine unserer Schubladen ?


    Fragen, die mich gerade beschäftigen, weil ich manchmal auch zu gerne alles sauber in Schubladen verpacke. ;-)