Jaroslav Rudiš - Gebrauchsanweisung fürs Zugreisen
Verlag: Piper
Erscheinungsjahr: 2021
Seitenzahl: 256
ISBN: 3492277497
Über den Inhalt (nach Amazon):
Ode an die Schönheit des langsamen Reisens
Sein Großvater war Weichensteller, sein Onkel Fahrdienstleiter und sein Cousin Lokführer. Klar, dass Jaroslav Rudiš so oft wie möglich Zug fährt. In seinem Buch begibt er sich im Takt der Schienen durch Europa: von Berlin aus bis zum Gotthardtunnel und von Sizilien bis nach Lappland; im Nachtzug durch Polen und die Ukraine sowie im Speisewagen von Hamburg nach Prag.
Leidenschaftlich berichtet er davon, wie er vor seinem Waggonfenster zwischen Felsen und Bäumen zum ersten Mal die Adria erblickt. Wie er mit der Schmalspurbahn die Wälder im Harz erkundet. Und wie er in vierzig Stunden auf so vielen Verbindungen wie möglich durch ganz Deutschland fährt.
Rudiš widmet sich dabei den schönsten Bahnhöfen, den Kathedralen des Verkehrs. Erklärt, was Krokodile und Brigitte Bardot mit Lokomotiven zu tun haben. Und verwebt die Historie der Eisenbahn mit den Geschichten der Menschen, denen er begegnet.
Er verrät, warum die schnellste Strecke selten die schönste ist und weshalb der Eisenbahngott ganz sicher eine Göttin sein muss. Er erzählt von der Freude darüber, den Anschluss zu verpassen, von »singenden« Lokomotiven und Haltestellen, die »Güterglück« und »Herzberg« heißen. Und verführt uns mit seinen brillanten und mitreißenden Erzählungen, wieder öfter und achtsamer Zug zu fahren.
Steigen Sie ein, und lassen Sie sich von dieser literarischen Reise durch Europa tragen!
Über den Autor:
Jaroslav Rudiš, geboren 1972 in Turnov (Nordböhmen), arbeitet als Schriftsteller, Drehbuchautor, Dramatiker und Musiker.
Nach einem Studium der Germanistik und Geschichte in Liberec, Zürich und Prag kam er über ein Stipendium nach Berlin.
Dem deutschen Publikumist Jarolav Rudis als Autor der Romane "Grandhotel", "Vom Ender der Punks in Helsinki" und "Nationalstraße" sowie durch die Comicfigur Alois Nebel bekannt.
Jaroslav Rudiš ist mehrfacher Preisträger (Chamisso-Preis, Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland, Karel-Čapek-Preis) und schreibt sowohl in tschechischer als auch
deutscher Sprache.
Meine Meinung:
Sommer 2022. Während Corona, der Ukraine-Krieg, Energiekrise und Inflation uns im Griff haben,
verkündet die Bundesregierung die Einführung eines 9 Euro Tickets.
Ob Geschenk oder Ablenkungsmanöver sei dahingestellt, für nur 9 Euro pro Monat ist der Reiselust
innerhalb Deutschlands nur eine Grenze gesetzt: die der Zeit in langsamen Zügen.
Als hätte Jaroslav Rudiš es mit großer Weitsicht geahnt, kommt seine Gebrauchsanweisung zur rechten Zeit.
Deutschland ist im Bahnfieber und einer erklärt uns, wie Bahnfahren funktioniert.
Auch wenn ich eine große Freundin der Reihe "Gebrauchsanweisung für..." aus dem Hause Piper bin, hätte ich dieser Anleitung keine Chance eingeräumt. Weder habe ich schlechte Erfahrungen mit der Bahn noch bin ich eine Zugenthusiasthin, mein Verhältnis zur Fahrt auf Schienen hätte ich eher als neutral bezeichnet.
Warum ich dieses wundervolle, warmherzige und kluge Buch dennoch gelesen habe, liegt allein in der Tatsache begründet, dass ich im Sommer vor drei Jahren den Autor in einer Lesung erlebt habe, die mich nicht nur nachhaltig beeindruckte, sondern mich bereits damals Überlegungen anstellen ließ,
eine Zugreise - am liebsten über eine der alten osteuropäischen Strecken - zu machen.
Dazu ist es bisher nicht gekommen und auch in diesen Sommer bin ich bislang nur literarisch herumgekommen, doch dafür ziemlich weit.
Der Titel verspricht eine Anleitung zum Bahnfahren und wird dem Inhalt doch nur unzureichend gerecht.
Zwar erzählt Jaroslav Rudiš kenntnisreich von Brillenschlange und Bardotka, plaudert über die schönsten Ausblicke aus dem Zugfenster und von prächtigen Bahnhöfen.
Doch die Bahn wäre nichts ohne ihre Mitarbeiter und während in Deutschland das Unternehmen Bahn bis an seine Grenzen rationalisiert wurde, findet der Reisende sein Glück im Ausland an jeder noch so kleinen und unbedeutenden Haltestelle, beim motivierten Personal und sogar in der Bordküche eines Zugs.
Neben den unzähligen technischen und historischen Fakten macht dieses Buch jedoch aus mehreren Gründen Spaß:
Die Menschen, die jahrzehntelang auf den gleichen Strecken arbeiten und fahren, wachsen dem Leser ebenso ans Herz wie Jaroslav Rudiš selbst, der über das entschleunigte Reisen genauso lustvoll plaudert wie über unbekannte Orte und wer immer schon mal zu Sten Nadolny greifen wollte, wird jetzt wissen, welches Buch er lesen muss.
Was die Geschichten und das Reisen mit der Bahn über Ländergrenzen hinweg so eindrücklich macht, ist die Gabe des Autors, Europa neu zu kartieren. Jaroslav Rudiš denkt, fühlt und schreibt in Bahnlinien und stößt am Ende doch auf die Grenzen des Schengenraums.
Mit "Gebrauchsanweisung fürs Zugreisen" hat Jaroslav Rudiš eine leidenschaftliche und humorvolle Sammlung von Essays ums Zugreisen in bester Schwejkscher Manier vorgelegt,
die ich in diesem Sommer uneingeschränkt und mit gut gekühltem Bier empfehlen möchte.
ASIN/ISBN: 3492277497 |