Stefanie H. Martin - Die Liebenden von Bloomsbury - Virginia und die neue Zeit

  • Klappentext

    London, 1903. Während ihre Schwester Vanessa Kunst studieren möchte, will die hochintelligente Virginia nur eines: schreiben – und zwar in einer neuen Form, der modernen Welt angemessen. Mit ihren Brüdern gründen sie eine Wohngemeinschaft in Bloomsbury, die schon bald zum Hort geistiger Freiheit und Inspiration wird. Doch die Gesellschaft ihrer Zeit sieht für unverheiratete Frauen kein Leben in Freiheit vor, und immer wieder verlangt man von Virginia, sich einen Ehemann zu suchen.


    Über die Autorin

    Stefanie H. Martin ist das Pseudonym von Stefanie Hohn, die als Übersetzerin und Dozentin für literarisches Übersetzen arbeitet und über Charlotte Brontë promoviert hat. Schon als Studentin faszinierten sie die »Bloomsberries« mit ihrem schillernden Einfluss auf den Wandel zur Moderne, aber auch als Gruppe junger Menschen, die gegen die engen Moralvorstellungen ihrer Zeit aufbegehrten. Ihr Interesse an den oft konfliktreichen Lebensläufen von Künstlerinnen und Schriftstellerinnen führte sie schließlich selbst auf den Weg zum Schreiben. Stefanie H. Martin lebt und schreibt in Düsseldorf.


    Mein persönliches Fazit

    Das Buch ist der Auftakt einer Trilogie über - ja über wen nun eigentlich genau? Im Klappentext wird mit einer Romanbiografie über die berühmte Schriftstellerin Virginia Woolf geworben. Letztlich ist es aber eher die Geschichte der Entstehung des Bloomsbury-Zirkels, in dem das Leben von Virginia und ihrer Schwester Vanessa mit erzählt wird. Das ist ganz gut gelungen, die beiden Handlungsstränge passen gut in- und zueinander.


    Wenn ein Buch aber mit einer bestimmten Person beworben wird, dann möchte ich auch über diese Person lesen. Ich habe absolut nichts dagegen, wenn das Umfeld dieser Person mit in die Geschichte einbezogen wird, ganz im Gegenteil! Aber mir persönlich stand hier Vanessa oftmals zu sehr im Vordergrund. Lange Auslassungen über die Eheprobleme mit Clive Bell, über ihre Anmut, Schönheit, Witz und Charme. Da kommt Virginia schlecht weg und sie erscheint dem Leser als missgünstige und sehr unsympathische Figur. In den Passagen, in den dann wirklich Virginia im Vordergrund steht, kann man sich durchaus ein umfassenderes Bild über sie machen. Woher ihre Ängste stammen, ihre Rastlosigkeit und Sprunghaftigkeit, die Suche nach dem eigenen Lebensweg, der Prozess mit Worten auf dem Papier das auszudrücken, was sich in ihrem Kopf bereits geformt hat. Aber auch der Spagat zwischen den anerzogenen alten Moralvorstellungen und ihrem Wunsch nach einem freien und selbstbestimmten Leben.

    Die Geschichte hat für mich einige Längen und irgendwann hat wirklich jeder Leser verstanden, dass die Teilnehmer des Zirkus zum größten Teil homosexuell sind.


    Ich kann nachvollziehen, warum das Buch vom Verlag auf diese Weise beschrieben wird. Aber als Leser fühle ich mich ein kleines bisschen "beschummelt", wenn in einem Roman über Virginia Woolf diese eben fast schon zu einer Nebenfigur degradiert wird.


    ASIN/ISBN: 3746639042

  • Anders als erwartet...


    Seit ich das erste Mal ihren experimentellen Roman "Mrs Dalloway" gelesen habe, bewundere ich die feministische Autorin Virginia Woolf; ihr für die damalige Zeit revolutionärer Schreibstil ist einzigartig, und ob man sich nun für die von häufigen Perspektivwechseln geprägte Komposition begeistern kann oder nicht, der Roman ist und bleibt ein Klassiker der Weltliteratur. Im Rahmen meines Studiums bin ich immer mal wieder über Details aus Virginias Woolfs Lebenslauf gestolpert, wusste daher bereits von dem ihr widerfahrenen familiären Missbrauch sowie ihrer Bipolaren Störung, die sich in manischen Episoden und Depressionen bemerkbar machte, von ihrer Ehe mit Leonard Woolf und ihrem Freitod. Viele dieser Themen begegnen uns auch im vorliegenden Roman bzw. werfen ihre Schatten voraus.


    Vom Auftakt der Bloomsbury-Saga, einer historischen Trilogie aus der Feder von Stefanie H. Martin, hatte ich mir eine fesselnde, emotionale Romanbiografie über das Leben und Schaffen von Woolf, gebürtige Stephen, erhofft, die mir die große Erzählerin auf menschlicher Ebene näherbringen würde - ein liebevoll gezeichnetes Porträt. Leider ließ mich das in ein wunderschönes, passend zum Genre gestaltetes Cover gehüllte Werk diesbezüglich jedoch enttäuscht zurück.


    Mindestens die Hälfte der Story handelt nicht von Virginia, sondern von ihrer für die Malerei schwärmenden Schwester Vanessa – deren Eheschließung, bzw. deren Eheproblemen mit Clive, deren Mutterschaft, deren Kunst etc.


    Erzählt wird aus mehreren Perspektiven. Wir lesen von der Gründung der Bloomsbury Group, einem Grüppchen junger Intellektueller, deren Zusammenschluss von Virginias und Vanessas Bruder Thoby (der bald an Typhus verstirbt) initiiert wird. Die beiden fortschrittlich denkenden, freiheitsliebenden Schwestern trotzen den gesellschaftlichen Konventionen; normalerweise war es keinesfalls üblich, als Frau (obendrein als unverheiratete), an solchen von 'undamenhafter' Wortwahl und 'unweiblichen' Themen geprägten Diskussionen teilzunehmen, wie sie in der ungewöhnlichen Wohngemeinschaft gang und gäbe sind. So gehört beispielsweise die homophobe Bezeichnung A****f***er "[…] in ihrem Kreis zum guten Ton".


    Obgleich sie einander lieben, herrscht zwischen Virginia und Vanessa in gewisser Hinsicht eine unschöne, von Missgunst geprägte Rivalität. Überhaupt ist die Dynamik in der Familie recht komplex. Leider wirkte Virginia - ihr Verhalten, ihre Gedanken - in diesem Roman, der doch eigentlich hauptsächlich von ihr handeln sollte, recht unsympathisch auf mich.


    "Vanessa presste die Lippen zusammen und blickte zur Seite. Dann hob sie das Kinn und sah Virginia wieder an. »Für dich gibt es nur Schwarz und Weiß. Tinte und Papier. Ich aber bin Malerin, und ich werde alle Farben nutzen. In der Kunst die im Leben.«"


    Mit Vanessa konnte ich mich noch eher anfreunden, auch wenn ich bis zum Schluss zu keiner der Figuren, die durchaus authentisch wirken und über Ecken und Kanten verfügen, eine Bindung aufbauen konnte.


    Der Fokus lag für mich zu sehr auf dem Privatleben der Stephen'schen Familie, Virginias literarisches Schaffen wurde in meinen Augen zu nebensächlich behandelt. Erzähltechnisch überwiegt trotz umgangssprachlicher Dialoge ein nüchterner, emotional entrückter Ton; der gesamte Roman hatte irgendwie eine schwermütige, deprimierende Aura - was sicherlich zum melodramatischen Verhalten Virginias passt, aber nicht meine Art von bevorzugter Lektüre ist. Tiefgründig darf (und soll) es gerne sein, langatmig-zäh aufgrund unsympathischer Figuren und unterschwellig düsterer Grundstimmung (wie es hier in einigen Passagen der Fall war) bitte nicht. Für etwas Abwechslung sorgen allerdings diverse eingeflochtene Briefe.


    Fazit: 3 Sterne.

    Es wird deutlich, dass dem Werk eine gründliche Recherche zugrunde liegt, insbesondere die damals vorherrschende, noch von veralteten Moralvorstellungen geprägte Gesellschaftsordnung ist glaubwürdig dargestellt worden; doch insgesamt war das Buch nicht so mitreißend wie erhofft und inhaltlich anders als erwartet: Ich war davon ausgegangen, dass jeder Band der Reihe von einer anderen Bloomsbury-Dame handeln würde, beginnend mit Virginias Geschichte in Band 1, welche sich jedoch stattdessen über die gesamte Trilogie zu erstrecken scheint. Von mir gibt es eine bedingte Leseempfehlung für eingefleischte Woolf-Fans.

  • Beindruckende Romanbiographie über die Bloomsbury Gruppe

    Das Buchcover zeigt eine Fotographie von der berühmten Schriftstellerin Virginia Woolf, geborene Stephen und gefällt mir sehr gut. Im ersten Buch dieser Trilogie geht es hauptsächlich um die beiden Schwestern Virginia und Vanessa, die zusammen mit ihren leiblichen Brüdern nach dem Tod ihres Vaters aus dem Elternhaus im Londoner Stadtteil Kensington ausziehen und in den Stadtteil Bloomsbury ziehen. Ihr ältester Bruder Thoby lädt seine Cambridge-Freunde regelmäßig ein und daraus entsteht dann die Bloomsbury Gruppe. Vanessa, die bis zu ihrer Heirat mit Clive Bell, eine Art Mutterersatz für Virginia ist, bezeichnet die psychisch labile Viriginia als „delikate Pflanze“, auf die man aufpassen muss.

    Dieses Buch bot mir nicht nur sehr interessante historische Fakten, es hat mich außerdem auch sehr gut unterhalten. Im Nachwort erläutert die Autorin Stefanie H. Martin, dass sie nur ganz selten von den historischen Gegebenheiten abgewichen ist.

    Fazit:

    Dies ist eine leicht und flüssig lesbare historische Romanbiographie, die ich sehr gerne weiterempfehle.