Julie Heiland - Wellen des Schicksals

  • Verlag: Ullstein Taschenbuch

    Bindung: Taschenbuch

    Seitenzahl: 624 Seiten

    ET: Mai 2022



    Meine Meinung:


    *** Gelebter DDR-Alltag aus Sicht dreier junger Frauen ***


    "»Es ist die Liebe, egal ob romantisch, familiär, freundschaftlich oder auch religiös, die dem Leben einen Sinn gibt.«"


    Da es noch gar nicht lange her ist, dass ich ein anderes, ebenfalls bei Ullstein erschienenes Werk der Autorin begeistert verschlungen habe (ihre mitreißende Romanbiografie "Diana - Königin der Herzen"), freute ich mich riesig, als ich den Auftakt der Müggelsee-Saga entdeckte - zumal die Geschichte in meiner alten Heimat spielt und daher ohnehin ein Must-Read für mich gewesen wäre. Dass nun solch eine wunderbare Erzählerin wie Julie Heiland mit ihrem feinsinnig-emotionalen, fesselnden Schreibstil die Story um die drei Freundinnen Martha, Betty und Clara zum Leben erweckt, war sozusagen die Kirsche auf dem Sahnehäubchen.


    Meine Oma pflegte immer zu sagen "Drei sind einer zu viel", allerdings könnte dieser Spruch im Hinblick auf die sympathischen Hauptfiguren kaum weiter von der Wahrheit entfernt sein: So unterschiedlich die Mädchen in puncto Charaktereigenschaften und Gesellschaftsschichten sind, so sehr brauchen sie einander und geben einander Halt.


    "Eine Blonde, eine Rothaarige, eine Brünette - ihre Leben waren in unterschiedlichen Bahnen verlaufen, doch von einer Sekunde auf die andere hatte das Schicksal sie zusammengeworfen."

    Ob Schulalltag, erste Liebe, Familienprobleme und -geheimnisse, Verlust geliebter Menschen oder Karriereträume, alles erleben sie zusammen. Ihre aufrichtige Freundschaft und Loyalität - in einem Land, das linientreue Ergebenheit einfordert, Andersdenkende ausgrenzt und seine Bürger:innen gegeneinander aufstachelt - empfand ich als sehr rührend.


    Es sind die letzten Jahre vor dem Mauerbau. Die hübsche Betty träumt von einer Zukunft als berühmte Hollywood-Schauspielerin; die hochbegabte Clara greift ebenfalls nach den Sternen: sie möchte ins Weltall fliegen. Allerdings werden ihr bewusst Steine in den Weg gelegt, da ihre Familie nicht Mitglied in der Partei ist und es wagt, eine eigene Meinung zu vertreten. Und FDJ-Anhängerin Martha weiß exakt, was von ihr erwartet wird, würde jedoch am liebsten einen gänzlich anderen Weg einschlagen.


    Viele Entwicklungen und Verstrickungen habe ich recht früh erahnen können, dennoch verblüffte mich auch der ein oder andere Twist (Stichwort: Marthas Bruder Ronny - ein übrigens tatsächlich weit verbreiteter Name im Osten) und ich konnte das Buch nicht aus der Hand legen.


    Obwohl ich selbst in der DDR aufgewachsen bin, befällt mich die sogenannte Ostalgie eher selten, maximal wenn es um Figuren aus der Ost-Version der TV-Kindersendung "Das Sandmännchen" geht. Wenn im Zusammenhang mit der DDR in den Medien oder in Gesprächen mit Bekannten dann der Satz "Es war nicht alles schlecht." fällt, schüttelt es mich. - Familien wurden grausam auseinandergerissen, Träume zerstört. Menschen mussten Angst haben, dass jedes in den eigenen vier Wänden gesprochene Wort vom Staat belauscht und gegen einen verwendet werden könnte. Niemand traute niemandem mehr, nicht mal Familienmitgliedern oder dem (Ehe-)Partner. Personen 'verschwanden', einfach so - flüchteten, wurden weggesperrt oder ermordet. Müsste ich die DDR in einem Wort beschreiben, wäre es 'unmenschlich'. In ihrem Roman zeichnet die Autorin mehrere Extremfälle. Natürlich ereigneten sich solche Dinge nicht in jeder Familie - aber es gab zahlreiche solcher Fälle. Viel zu viele. Insbesondere Marthas Backgroundstory bewegte mich enorm … und machte mich furchtbar wütend auf das gnadenlose DDR-Regime, ebenso die Ungerechtigkeit, die Clara wieder und wieder erdulden muss.


    Die Hauptfiguren, aus deren Perspektive abwechselnd erzählt wird, sind facettenreich gestaltet worden. Dank zeitgemäßer Wortwahl und nachvollziehbarem Verhalten wirken sie vollkommen glaubwürdig, und obgleich ich alle drei Freundinnen gerne mochte, war es die zielstrebige Clara, mit der ich besonders mitfieberte. Die Dialoge zwischen ihr und ihren Eltern bewiesen stets, dass in der ärmlichen kleinen Wohnung der Vogels viel mehr Liebe herrschte als z.B. in der noblen Villa von Bettys Familie, deren vermeintliches Glück nur Fassade ist.


    "»Weißte, det Leben ist ein Chaos und furchtbar schnell vorbei. […] Det, was uns den Kopf oben halten lässt, det is nich unsere Arbeit oder Erfolg, det is unser Glaube und die Liebe.«"


    Zu Beginn der Handlung herrscht Sommer-Feeling pur, genau wie es auf dem passend gestalteten Cover suggeriert wird. Ich wähnte mich aufgrund der bildreichen, atmosphärischen Beschreibung des Settings selbst im Strandbad, lauschte dem ausgelassen Kreischen der im Wasser tobenden Kinder, dem herrlichen Berliner Dialekt, dem Radio, das irgendwo leise dudelt … roch die Sonnencreme auf meiner Haut und spürte die heiße Sonne im Gesicht. Mit gleicher Intensität widmete sich die Autorin den Lebensumständen der Protagonisten und ließ mich mühelos in die damalige Zeit eintauchen. Die unzähligen feinen Details, die in die Geschichte eingeflochten worden sind - von gängigen Modetrends, Musikhits und beliebten Gerichten der ostdeutschen Küche bis hin zur Inneneinrichtung der Wohnung - machen deutlich, dass hier gründliche Recherchearbeit geleistet worden ist.


    Sehr erfreulich fand ich, dass die Autorin bewusst darauf verzichtet hat, Intrigen zwischen den Mädchen zu spannen, (wie es leider oft in Romanen über Freundesgrüppchen der Fall ist). Dieses Fehlen von Konkurrenzdenken und Missgunst war erfrischend, zumal es durchaus Situationen gab, in denen es naheliegend gewesen wäre.


    Nach und nach wurde der Ton ernster, die Ereignisse dramatischer, ohne dass es in Hektik ausartete. Es ist ein insgesamt ruhiger, aber dennoch spannender Roman, der mich von Anfang bis Ende überzeugt hat. Apropos Ende: Die Autorin ließ die Story zum Teil offen enden, sodass man gespannt sein darf, was das Schicksal für Martha, Betty und Clara noch bereithalten wird.


    Abschließend noch ein paar Worte zur Aufmachung. Die drei DDR-Rezepte im Anhang waren eine tolle Überraschung; Soljanka gab es tatsächlich hin und wieder in meiner Familie. Dass bereits eine Leseprobe aus dem Folgeband inkludiert war, gefiel mir sehr, ebenso die geriffelte Oberflächenstruktur des Einbandes.


    Fazit: 5 Sterne!

    Mich hat das Werk prächtig unterhalten und ich freue mich schon auf die Fortsetzung, die im Juli 2022 erscheinen soll.


    ASIN/ISBN: 3548065597

  • Meine Meinung zum Buch:


    Titel: Eine Freundschaft für immer?


    Als Fan von Büchern mit historischem Hintergrund stieß ich auf dieses Exemplar und begann gespannt zu lesen.


    In der Geschichte geht es um die Mädchen Martha, Clara und Betty, die durch einen Badeunfall im Juli 1956 zu besten Freundinnen werden. Je unterschiedlicher sie sind, desto mehr sind sie sich eine Stütze und genießen die Sommer zusammen im Freibad. Doch wird das immer so sein oder stören die heraufziehenden dunklen Wolken diesen Bund?


    Die Handlung wird von einem beobachtenden Erzähler geschildert, der immer abwechselnd eines der Mädchen und deren Umgebung beleuchtet. Dadurch bekommt man einen guten Überblick über die jeweiligen Figuren und ihre Lebensumstände.


    Der Autorin gelingt es eine tolle Freundschaft vor historischem Hintergrund aufzuzeigen, denn es wird deutlich wie das Leben unter Stasibeobachtung ist, wie die Trennung zwischen Ost- und Westsektor langsam voranschreitet bis der Bau der Mauer startet.


    Die dargestellten Schicksale und Probleme der Mädchen berühren den Leser. Zunächst beginnt alles gemächlich bis das Drama immer mehr seinen Lauf nimmt und der Band regelrecht in einem Showdown endet, der Lust auf den zweiten Band macht.


    Etwas schade fand ich, dass der Autorin einige Schnitzer passiert sind, die beim genauen Leser nicht ganz logisch erscheinen. Es wird so manches erwähnt, was die Geschichte nicht wirklich voranbringt, sowie kaum von Belang sind und eben kleine Logikfehler. Das ist ärgerlich, hat aber den Genuss der Geschichte nur ein wenig geschmälert.


    Die Schreibe vom Julie Heiland lässt sich ansonsten angenehm lesen, dass man nach einem harten Arbeitstag gut abgelenkt wird und sich mal etwas wegträumen kann.


    Fazit: Eine gelungene Geschichte über Freundschaft im Wandel der Zeit. Ich habe das Buch gern gelesen und sehne das Erscheinungsdatum des zweiten Bandes herbei.


    Bewertung: 8/ 10 Eulenpunkten

  • „Pack' die Badehose ein...“


    …nein, an den Wannsee fahren wir mit Julie Heiland in ihrem Roman „Die Freundinnen vom Strandbad – Wellen des Schicksals“ nicht, sondern an den Müggelsee. Der Titel des ersten Bandes der Müggelsee-Saga ist gut gewählt, denn das Strandbad ist der Dreh- und Angelpunkt der drei Freundinnen Clara, Martha und Betty.

    Wir lernen sie 1956 als 13-jährige kennen, sie leben in Ostberlin. Wir begleiten sie bis 1961, bis kurz nach dem Mauerbau. Die drei Mädchen kommen aus vollkommen unterschiedlichen Elternhäusern und dementsprechend verschieden sind ihre Hoffnungen, Ziele, Träume und auch ihre Lebensauffassungen. Martha stammt aus einem streng regimetreuen Elternhaus, Claras Vater ist eigentlich Pastor, darf aber den Beruf nicht mehr ausüben und verdient nun seinen Lebensunterhalt als Straßenbahnfahrer in Nachtschicht und Bettys Vater betreibt eben das Strandbad, Bettys größter Wunsch ist es, Schauspielerin zu werden.... Und trotzdem (oder gerade deshalb) werden sie „ziemlich beste Freundinnen“ und gehen gemeinsam durch die nächsten Jahre.

    Wir erleben den Alltag mit allen Höhen und Tiefen, sorgen uns um Schulprobleme, zittern bei Wissenswettbewerben mit, regen uns über Ungerechtigkeiten auf, nehmen teil am ersten Kuss, der ersten Liebe – bis hin zu einer wirklich sehr gelungenen Beschreibung der Ereignisse um dem 13. August 1961 (Tag des Mauerbaus).

    Der Schreibstil der Autorin ist durchgängig flüssig und angenehm, mit gewissen Spannungselementen (ich war manchmal so vertieft, dass ich die Zeit vergessen habe), sie hüpft gewissermaßen mit leichter Feder zwischen den drei Protagonistinnen hin und her, da wir deren Gedanken, Ängste, Freuden immer in einzelnen Kapiteln aus deren jeweiliger Perspektive erfahren. Die unterschiedlichen Charaktere der einzelnen Personen sind gut herausgearbeitet.

    Aber die Autorin kann sich steigern: die Beschreibung der Szenen auf dem Berliner Ostbahnhof am Morgen des 13. August 1961 sind eindrucksvoll und berührend beschrieben, so dass ich zwischendurch das Gefühl hatte, selbst auf dem Bahnsteig zu stehen – und keinen Zug fahren zu sehen... Natürlich kennen wir die historischen Ereignisse, aber es ist schon etwas anderes, die Sorgen und Nöte (aber teilweise auch Genugtuung) zu „spüren“...

    Es wurde auch durchgängig deutlich, dass die Autorin über diese frühen Jahre der DDR intensiv recherchiert hat – ich bin zwar nicht in der DDR aufgewachsen, aber die Geschwister meiner Eltern lebten dort, so dass ich vieles entweder in frühen Kindertagen selbst erlebt oder aus Berichten kannte.

    Aber bei allem Lob für die Autorin muss ich leider bemerken, dass anscheinend das Lektorat nicht sorgfältig gearbeitet hat: es waren einige „Patzer“ enthalten, z.B. dass einmal eine Biografie mit den beschriebenen Daten absolut nicht übereinstimmen konnte, dies nur als „Spitze des Eisberges“... So etwas stört den Lesefluss leider erheblich, da ich als Leserin lange gegrübelt habe, wie die Daten doch evtl. in Einklang zu bringen wären... wirklich schade für dieses Buch!

    Es ist ein leichter, locker-flockiger Sommerroman, der die Stimmung sehr gut einfängt – aber wir erfahren quasi „nebenbei“ sehr viel über den damaligen Zeitgeist, über eine Zeit, über die es m: E. noch nicht so sehr viele Bücher gibt.

    Also klar eine Leseempfehlung, aber versehen mit einem kleinen Warnhinweis über einige Ungenauigkeiten, die hoffentlich in der zweiten Auflage verbessert werden!

  • Clara, Martha und Betty sind beste Freundinnen, seit sie an einem Tag das Leben eines Ertrinkenden gerettet haben. Sie gehen gemeinsam durch dick und dünn, auch wenn es für die drei nicht immer einfach in der jungen DDR ist.


    Clara möchte Kosmonautin werden, aber sie ist nicht in der FDJ und ihre Eltern zu systemkritisch. So werden ihr immer wieder Steine in den Weg gelegt. Martha möchte gerne Journalistin werden, aber die Eltern, insbesondere der Vater traut ihr das nicht zu. Auch scheint es, als ob Martha die Erwartungen der streng kommunistischen Eltern nie erfüllen kann. Betty kommt aus einer angesehenen Familie, ist ihr Vater doch der Leiter des Strandbades Müggelsee. Doch auch hier verbirgt sich hinter geschlossenen Türen so manches Geheimnis.


    Die Geschichte wird immer aus wechselnden Perspektiven der drei Mädchen erzählt. Dabei lernt man als Leser die drei gut kennen und ahnt auch bald, wie es in den Familien wirklich zugeht. Gerade bei Martha und Betty liegen da Schein und Wirklichkeit teilweise weit auseinander. Die Autorin nutzt die drei unterschiedlichen Charaktere um viele Dinge, die in der DDR damals Realität waren aufzuzeigen. Manchmal war mir das schon fast ein bisschen zu viel des Guten. Trotzdem schafft sie es Spannung aufzubauen und den Leser neugierig zu machen, auf das was kommt.


    Das Buch endet mit dem Mauerbau und lässt die Geschehnisse im zweiten Band weitgehend offen. So möchte man doch gleich mit dem zweiten Band starten, um zu erfahren, wie es den drei Mädels denn weiter ergehen wird.


    8 von 10 Punkte

  • Mir hat dieser Roman super gefallen. Die drei Freundinnen und ihr Umfeld sind interessant geschildert, ich habe mit ihnen mitgefiebert und mich gefreut, wenn ihnen etwas gelungen ist und mitgelitten, wenn ihnen etwas verwehrt bliebt, weil sie nicht dem Staatsgedanken folgen konnten.


    Die Zeit Mitte der 50er bis zum Mauerbau im Jahr 1961 war wirklich eine spannende Zeit. Die drei Mädels kannten sich zwar vom Sehen aus der Schule, doch erst, als sie einen älteren Herrn im Strandbad am Müggelsee das Leben retteten, begann ihre Freundschaft, die näher war als alles andere und Jahre bestehen bleiben sollten, auch wenn Clara, Betty und Martha sehr unterschiedlich waren.


    Ich hab der Autorin alles geglaubt, ich fand die Schreibweise sehr spannend und atmosphärisch, so dass ich in den Osten Berlins abgetaucht bin und die jungen Frauen begleitet habe, als wäre ich dabei.