Carsten Henn - Der Geschichtenbäcker

  • "Der Geschichtenbäcker" von Carsten Henn; der Nachfolger zum "Buchspazierer" sozusagen, dem wir auch anfangs kurz in diesem warmherzigen und berührenden Roman begegnen, erschien (HC, geb., 2022) im Piper Verlag. Dieses Mal begleiten wir eine frühere Tänzerin auf ihrem Weg, sich selbst so lieben und annehmen zu können, wie sie ist:


    "Brot backen ist fast wie ein Tanz. Teig wird rhythmisch geknetet, die Drehung der Hände, der Schwung der Hüfte geben ihm Geschmeidigkeit. Fasziniert beobachtet die ehemalige Tänzerin Sofie den italienischen Bäcker Giacomo bei seiner Arbeit. Eigentlich wollte sie den Aushilfsjob in der Dorfbackstube gleich wieder kündigen. Zu sehr hat das Ende ihrer Karriere ihr Leben aus der Bahn geworfen. Wer ist sie, wenn sie nicht tanzt? Doch überraschend findet Sofie in er kleinen Bäckerei viel mehr als nur eine Beschäftigung: die Weisheit eines einfachen Mannes, das Glück der kleinen Dinge und den Mut zur Veränderung".

    (Quelle: Buchrückentext des Verlages)


    So einige sehr sympathische Figuren "bevölkern" diesen Roman von Carsten Henn, der es stilistisch zauberhaft versteht, seine Leser schon zu Beginn in seine Geschichte; hier dem kleinen Dorfbäckerladen, literarisch zu "entführen". Nicht ohne Grund, denn 'unterwegs' gibt es Vergleiche und Weisheiten zu entdecken, über die man staunt - und auch gelegentlich schmunzelt:

    Giacomo Botura, aus Kalabrien stammend, sehnt sich nach seiner Heimat (besonders wenn er Orangen aus dem nahegelegenen Hofladen riecht) und braucht dringend Verstärkung: Als Aushilfe verdingt sich die seit Kurzem arbeitslose frühere Tänzerin Sofie, die nach Meinung Giacomo's Rhythmus hat (was der Teig mag) und so beginnt Sofie ihren nächtlichen Dienst in der Backstube, wobei sie denkt, dass sie wohl nach drei Tagen wieder kündigen wird - doch es sollte anders kommen.


    Florian, Choreograf und Ehemann von Sofie, merkt, wie sich seine Frau von ihm entfernt und hat Angst, sie zu verlieren: Er hatte sich nicht in ihren Tanz verliebt (sie war die Beste), sondern in ihre dunkelbraunen Augen. Marie, Nachbarin der beiden und seit Langem in Florian verliebt, nutzt die Gunst der Stunde und versucht, Florian für sich zu gewinnen. Sehr nahe steht Sofie Franziska, ihre Schwester und deren kleine Tochter Anouk, die nicht nur ihre Tante davon überzeugt, dass sie Maria ist und daher alles 'segnen' muss, was ihr begegnet (Menschen, Pflanzen und Tiere). Eines Tages benötigt Franziska eine Kinderfrau und Sofie nimmt sie kurzerhand mit in die kleine Bäckerei, wo sie der griesgrämigen Elsa im Verkauf helfen darf - unter der Voraussetzung, dass sie nicht alle Kunden segnen sollte.... Wie durch ein Wunder (Freude war schon lange nicht mehr im Leben von Elsa) bringt das kleine Mädchen Elsa zum Lachen...


    So geschieht Wundersames und im Vordergrund stehen immer Giacomo, sein liebevoll gebackenes Brot (incl. Geheimzutat, die Sofie dann doch unbedingt herausfinden möchte), Sofie und ihr Scheitern sowie ihr Wieder-Aufstehen: Sie schafft es in einem gelungen beschriebenen Prozess, ihr altes Leben abzulegen und sich in ihrem neuen Leben wohlzufühlen! Dies ist auch das Hauptthema des Buches: Veränderungen anzunehmen; Altem nicht hinterherzuhängen und Neues positiv aufzunehmen, denn das ganze Leben ist Veränderung und Menschen sollten sich nicht alleine durch ihren Beruf definieren: Genial fand ich die Vergleiche zwischen dem Zubereiten des Teiges und Menschen in ihrer Entwicklung:


    Für gutes Brot und auch für eine positive Entwicklung eines Menschen benötigt man (fast) das Gleiche: Gutes Mehl und Zeit und Liebe!


    Fazit:


    Eine wunderschön choreografierte "Wohlfühlgeschichte" mit Tiefgang; die Wandlungen, Entwicklungen, Veränderungen (im Leben und auch in Beziehungen) zum Thema hat; aber auch andere menschliche Themen nicht ausspart; für Toleranz wirbt und das Annehmen der eigenen Persönlichkeit. Denn nicht nur Katzen haben 7 Leben, wie es heißt, sondern auch wir Menschen; wenn wir es erkennen - und es annehmen! Eine absolute Empfehlung dieses warmherzigen und gefühlvoll, sensibel geschriebenen Romans nicht nur für TänzerInnen und BäckerInnen. 4,5 *


    ASIN/ISBN: 3492071341

  • Sofie steht vor dem Nichts. Ihre Karriere als Tänzerin ist vorbei, sie weiß nicht, wie es in ihrem Leben weitergehen soll. Und dann will das Arbeitsam auch noch die Bezüge kürzen, weil sie sich nicht bewirbt. So geht sie zu der ersten Stelle, die ihr angeboten wird, in der Bäckerei nebenan. Bei Giacomo lernt sie die Kunst des Backens, auch wenn sie sich anfangs dagegen sträubt. Und nach und nach öffnet sich ihr eine Zukunft, in der andere Dinge wichtig sind.


    Mir hat die Geschichte gut gefallen, die Figuren sind liebevoll gestaltet und alle sehr eigen. Giacomo und Elsa verbindet eine Art Geheimnis, das im Laufe der Geschichte vorsichtig gelüftet wird. Besonders originell fand ich Sofies Nichte Anouk, die in ihrer Rolle als Maria total aufgeht. Irgendwie nervig, aber doch sehr liebevoll gezeichnet. Und auch Elsa, die brummige Verkäuferin der Bäckerei lernt man im Laufe des Buches näher kennen.


    Am Charakter von Sofie werden sich die Geister scheiden, sie ist sehr ich-bezogen und setzt ihre Ehe recht leichtfertig aufs Spiel. Sie braucht fast zu lange, bis sie in der Lage ist auch anderes als ihr eigenes Leid zu erkennen. Das macht sie als Charakter recht anstrengend, für mich aber auch glaubhaft.


    Ich hätte gerne noch mehr über die Stammkunden der Bäckerei erfahren, ähnlich wie beim Buchspazierer. Giacomo macht sich ja doch recht viele Gedanken über sie, da hätten sie gerne auch mehr Raum einnehmen dürfen.


    Giacomos Lebensweisheiten mögen manchen Lesern zu viel sein, mir hat es gut gefallen. Die Sprache ist sehr bildhaft und man hat sowohl die Backstube vor Augen als auch in der Nase. Ich habe das Buch an einem Nachmittag gelesen und mich dabei gut unterhalten gefühlt.


    Von daher durchaus eine Leseempfehlung von mir.

    8 von 10 Punkte

  • Bei dem Hörbuch „Der Geschichtenbäcker“ wusste ich zunächst nicht so genau, was mich da erwartet. Denn ich hatte weder von dem Buch noch von dem Autor bisher etwas gehört. Das Cover hat mich aber auf Anhieb angesprochen, so dass ich mir dann auch noch die Kurzbeschreibung durchgelesen habe. Und dann war für mich klar, dass dies das nächste Hörbuch für mich sein wird. Und ich wurde auch nicht enttäuscht. Es war eine richtig tolle Story mit Tiefgang.


    Der Werdegang von Sophie, vom gefallen Sterns des Balletthimmels zur echten Bäckerin fasziniert und bewegt zugleich. Man fiebert richtig mit Ihr mit.

    Gelungen ist auch die zweite Hauptperson des Romans der italienischen Bäcker Giacomo. Seine Weisheiten, die er vom Teig auf das echte Leben überträgt sind einfach nur wunderbar.


    Das ganze Hörbuch über hat man das Gefühl, dass unter der Oberfläche von Giacomo noch etwas schlummert, was er nicht preisgeben möchte. Dieses Gefühl hat mich auch nicht getrübt und am Ende wird es zum Glück auch aufgeklärt. Ein bisschen überraschend, aber durchaus passend.


    Reinhard Kuhnert als Vorleser hat mir auch sehr gut gefallen. Es gelingt ihm super, den leicht italienischen Akzent von Giacomo rüber zu bringen. Aber auch die anderen Charaktere gibt er eine gute Stimme.


    Von mir gibt es auf jeden Fall eine Leseempfehlung. Aber Vorsicht, man bekommt beim Hören des Buches irgendwie total Appetit auf ein ganz frisch gebackenes Brot oder Brötchen. Und am liebsten aus ganz genau dieser Bäckerei.


    Ich werde mich auf jeden Fall auch mal nach dem „Buchspazierer“ umschauen. Ob als Buch oder als Hörbuch, weiß ich noch nicht so genau.

  • Gerade in der kalten Jahreszeit kann man Geschichten gebrauchen, die sich warme-Decke-gleich wohlig um einen schmiegen. „Der Geschichtenbäcker“ von Carsten Henn erfüllt genau dieses voll und ganz.


    Sofie ist eine gefallene Tänzerin. Durch eine Verletzung wird sie regelrecht gezwungen, ihren geliebten Beruf an den Nagel zu hängen. Sie ist verbittert, schließlich wird ihr nun ihr großer Traum verwehrt. Zu allem Übel droht ihr das Arbeitsamt mit Sanktionen, sollte sie sich nicht bald um eine neue Anstellung bemühen. So kommt es, dass sie in der benachbarten Bäckerei vorstellig wird und nicht nur einen ganz neuen Beruf, sondern auch ihr neues Ich lieben lernt.


    Anfangs ist Sofie noch sehr mit sich selbst und ihrem Schicksal beschäftigt. Sie ist für andere Personen und das Leben um sie herum nicht zugänglich. Ich fand sie zunächst ein wenig anstrengend und konnte mir kaum vorstellen, dass sich das im Verlauf der Geschichte ändern würde. Aber das hat es, denn je mehr sich Sofie mit ihrem neuen Wirken in der Backstube auseinandersetzt umso zugänglicher wird sie auch wieder. Mit Giacomo Botura wurde ihr ein wunderbarer Gegenpol an die Seite gestellt. Seine Liebe zum Brot und zum Bäckerhandwerk ist auf jeder Seite spürbar.


    Es hat ein wenig gebraucht, bis ich vollends in die Geschichte eingetaucht bin. Aber irgendwann konnte ich das Buch nicht mehr aus der Hand legen. Manches mag vielleicht nicht logisch sein und neben dem Mehl zieht sich eine leichte Puderzuckerspur durch den Roman – aber das habe ich nicht anders erwartet und das darf ab und an gerne mal sein. Natürlich wartet die Geschichte zuguterletzt mit einem (nur einem?) Happy End auf – ein runder Abschluss, der mich das Buch zufrieden hat zuklappen lassen. Daher verdiente 9 Eulenpunkte.