Wunderkind Erjan - Hamid Ismaliov

  • Friedenauer Presse, 2022

    152 Seiten, Hardcover gebunden



    Kurzbeschreibung:

    Durch die Weite der Steppe Kasachstans fährt ratternd ein Zug. In ihm begegnen sich ein Reisender und Erjan, das Wunderkind. Der Knabe spielt mitten in dieser vom Zug durchquerten Einöde so virtuos auf seiner Violine, dass nicht nur dem Erzähler Hören und Sagen vergeht. Doch die Musik bleibt nicht das einzige Wunder. Denn der Junge, der aussieht wie zehn oder zwölf, ist in Wahrheit bereits ein Mann von 27 Jahren; als Kind tauchte er allen Warnungen zum Trotz in einen nuklear verseuchten See. Hamid Ismailov versetzt damit das Blechtrommel-Motiv des Immer-Kind-Bleibenden in die Einöde des von 486 Atombombentests verseuchten Kasachstan und gibt ihm eine herbe Intensität von tiefer Schönheit. Zwei Welten prallen darin aufeinander: die Weite und Einsamkeit der Steppe Kasachstans und die moderne Welt außerhalb davon – der Zug, der diese wie stehen gebliebene Welt täglich durchfährt, die Atomtests, die wie eine unsichtbare Macht die Natur und die Menschen verändern, die Musik, die einen anderen Rhythmus in Yerzhans Leben bringt.


    Über den Autor:

    Hamid Ismailov, 1954 geboren in Tokmok im Norden Kirgisistans, an der Grenze zu Kasachstan. Als junger Mann ging er nach Usbekistan, wo er die Militärschule absolvierte; 1992 musste er das Land aufgrund seiner politischen Überzeugungen verlassen. Seit 1994 lebte er in London, wo er bis 2019 als Journalist für den BBC World Service arbeitete. Anfang der 1990er Jahre begann er, zusammen mit dem französischen Komponisten Michel Karsky mit musikalischer Musik zu experimentieren. 2019 gewann er den EBRD Literaturpreis für Wunderkind Erjan. Seine Bücher sind vielfach ausgezeichnet und in viele Sprachen übersetzt, in Usbekistan sind sie bis heute verboten. Heute lebt Hamid Ismailov in Prag.


    Über den Übersetzer:

    Andreas Tretner, 1959 in Gera geboren, übersetzt aus dem Russischen, Bulgarischen und Tschechischen u. a die Bücher von Michail Schischkin, Vladimir Sorokin und Viktor Pelewin. Für seine Übersetzungen erhielt er den Paul- Celan-Preis und den Internationalen Literaturpreis des Hauses der Kulturen der Welt.


    Mein Eindruck:

    Ein kurzer Roman, in dem doch viel steckt. Von einem Autor aus Usbekistan, den man bisher in Deutschland nicht kannte, obwohl sein auf russisch geschriebenes Werk nicht gerade klein ist.


    Die Erzählweise erinnert mich an Joseph Conrad. Es wird auf einer Reise durch Kasachstan im Zug vom Icherzähler, der sonst keine Rolle in der Handlung hat, berichtet, wie ein Junge ihm sein Leben erzählt. Dabei ist Erjan, der als musikalisches Wunderkind galt, kein Kind. Er hat nur den Körper eines 12jährige,m ist aber schon 27.

    Doch als Kind hat er in einem verseuchten Fluß gebadet. Seitdem ist er nicht mehr gewachsen. Auch Verwandte sind krank, denn sie leben in einer Gegend, in der Atomwaffentests stattfinden.


    Das Erzählen ist wichtiges Element des Romans. Es gibt sowhl poetische wie komische, aber auch tragische Momente.

    Und so glaubt man Erjans Erzählungen von seiner fast paradiesischen Kindheit, die er in der Steppe an der Seite seines Großvaters reitend und musizierend verbringt. Und es gibt die Großmutter, eine schweigsame Mutter, ein Onkel und die über alles geliebte Nachbarstochter Aysulu.

    Doch dieses Paradies wird immer wieder gestört und zerstört durch wiederholende Atombombentests.


    Die Idylle und das Grauen kommen zusammen und machen die Geschichte zum Menschheitsdrama.



    ASIN/ISBN: 3932109988