Kurzbeschreibung (Quelle: Verlagsseite)
Zusammen sind sie in Berlin aufgewachsen: die Freunde Robert, Johannes, Ilse und Ella. Bis der Krieg sie trennte. Nun herrscht Frieden, doch die Wunden sind tief. Auch der Bahnhof Friedrichstraße wurde teilweise zerstört. Eines ist zum Glück geblieben: Johannes’ Kiosk, der Fixpunkt der Freunde, die längst zu einer Familie geworden sind. Vor allem für Roberts Tochter Lilli ist er immer wieder Zuflucht. Hier lernte sie ihre große Liebe Michael kennen – doch er verschwand von einem Tag auf den anderen aus ihrem Leben. Und nun muss Lilli ihre Zwillingsmädchen Anne und Cornelia allein großziehen. Dabei merkt sie, dass es vor allem die Frauen sind, die in diesen ersten Nachkriegsjahren fest zusammenhalten, um zu überleben. In einer zunehmend geteilten Stadt wird der Zusammenhalt wichtiger als je zuvor. Und ausgerechnet der Bahnhof Friedrichstraße mit dem angrenzenden Tränenpalast wird zum Symbol der deutsch-deutschen Trennung.
Autorin (Quelle: Verlagsseite)
Ulrike Schweikert arbeitete nach einer Banklehre als Wertpapierhändlerin, studierte Geologie und Journalismus. Seit ihrem Romandebüt «Die Tochter des Salzsieders» ist sie eine der bekanntesten deutschen Autorinnen historischer Romane. Beide Bände ihrer Erfolgsreihe «Die Charité» standen in den Top 10 der Bestsellerliste und verkauften sich insgesamt über 200.000-mal. Zuletzt begeisterte die Verfilmung ihrer Jugendbuchserie «Die Erben der Nacht» zahlreiche Zuschauer.
Allgemeines
Zweiter Band der zweiteiligen Friedrichstraßensaga
Erschienen am 17.05. 2022 bei Rowohlt als TB mit 560 Seiten
Gliederung: Prolog – 31 Kapitel – Epilog - Nachwort „Dichtung und Wahrheit“ – Danksagung – Auszug aus der verwendeten Literatur – Quellenangaben
Erzählung in der dritten Person aus wechselnden Perspektiven
Handlungsort und -zeit: Berlin, 1938 (Prolog) bis 1989 (Epilog)
Inhalt
Der zweite Teil der Friedrichstraßensaga setzt die Geschichte der Protagonisten aus „Novembersturm“ sowie ihrer Kinder und Enkelkinder fort und sollte erst im Anschluss an den ersten Band gelesen werden.
Die Handlung des Hauptteils setzt im letzten Kriegsjahr ein, Lilli Wagenbach ist 1944 Mutter der Zwillingstöchter Anne und Cornelia geworden; als Alleinerziehende mit der Verantwortung für zwei Kleinkinder leidet sie besonders unter den Luftangriffen der Alliierten sowie der Nahrungsmittelknappheit, die auch nach Kriegsende noch lange anhält. Während in Westberlin und den Gebieten, die später zur Bundesrepublik Deutschland gehören, die Versorgungslage relativ schnell besser wird, geht in den Ostgebieten unter Kontrolle der Russen nichts voran. In der 1949 gegründeten Deutschen Demokratischen Republik, dem sozialistischen Staat der Arbeiter und Bauern, errichtet die Einheitspartei SED ein diktatorisches Regime, das die Bürger ausspioniert, jegliche freie Meinungsäußerung unterdrückt und unter Strafe stellt – ebenso wie „Republikflucht“ von Menschen, die das Land verlassen wollen. Im Jahr 1961 wird die Mauer als „antifaschistischer Schutzwall“ errichtet, was zur Trennung von Familien und Freunden führt und viel Leid und zahlreiche Todesfälle an der Grenze nach sich zieht. Erst nach 28 langen Jahren fällt die Mauer.
Beurteilung
Der überaus gründlich recherchierte und aus sehr umfangreichen Quellen gespeiste Roman schildert das Leben einer fiktiven Familie und ihrer engsten Freunde vor dem Hintergrund der deutsch-deutschen Geschichte von 1944 bis 1989. Die politische Situation in der DDR und das Alltagsleben ihrer Bürger, das von massiver Unterdrückung, Bespitzelung und Warenknappheit geprägt ist, wird sehr eindrücklich geschildert. Lillis Töchter, die Zwillinge Anne und Cornelia, die in der Schule im Sinne des Sozialismus erzogen werden, sind zunächst stolz darauf, ab Schuleintritt zu den Pionieren zu gehören und haben Freude an den Gemeinschaftsaktivitäten. Ihre Mutter Lilli, die mehr von den wahren Verhältnissen im Land wahrnimmt, muss jedes Wort den Töchtern und auch anderen Menschen gegenüber auf die Goldwaage legen, da eine im privaten Kreis geäußerte Kritik an der Regierung bereits zur Inhaftierung führen kann, wenn man dem MfS gemeldet wird. Mit zunehmender Reife erwacht auch bei Anne und Cornelia der Widerstand, als ihnen die Repressalien und das Unrecht in ihrem Land zunehmend bewusst werden. Das Fass läuft über, als Anne, eine sehr gute Schülerin, kein Abitur machen darf, weil sie nicht in der „richtigen“ Jugendorganisation ist und mit „missliebigen“ Menschen (Christen) verkehrt.
Die Autorin hat die Charakterisierung ihrer Figuren differenziert ausgearbeitet, besonders Lilli und ihre beiden Töchter sind jeweils auf ihre eigene Art starke Persönlichkeiten.
Auch wenn die Geschichte der DDR bekannt ist, rüttelt dieser anschauliche Roman mit seinen schockierenden Einblicken in das Leben der DDR-Bürger den Leser zutiefst auf, nicht zuletzt anhand der unfassbaren Zustände in der sogenannten Justiz: unrechtmäßige Verhaftungen, unmenschliche Haftbedingungen etc.
Der ebenso bedrückende wie auch fesselnde Roman wird durch ein Autorennachwort zu Fakten und Fiktion sowie durch ein äußerst umfangreiches Quellenverzeichnis (Bücher, Magazine, Filme) abgerundet.
Fazit
Ein sehr eindrücklicher Einblick in die politische Situation und das Leben der Bürger in der DDR, gut recherchiert und bedrückend anschaulich geschildert, fesselnd und informativ!
10 Punkte
ASIN/ISBN: 3499000105 |