Das Fundbüro der verlorenen Träume , von Helen Frances Paris

  • Das Fundbüro der verlorenen Träume, von Helen Frances Paris


    Cover:

    Schön nostalgisch, die Farben gefallen mir und es passt zum Inhalt.


    Inhalt und meine Meinung:

    Dot hat im Londoner Fundbüro eine Aufgabe gefunden in der sie ganz und gar aufgeht. Von ihrer Familie und ihrem Umfeld hat sie sich ganz zurückgezogen.

    Warum ? Das erfahren wir in der zweiten Hälfte des Buches erst so richtig.


    Ist in der ersten Hälfte der Fokus noch auf das Fundbüro und alles drum herum gerichtet (was mit der Zeit ein bisschen zäh wird), macht es mich dann immer nachdenklicher.

    Dann wird es meiner Meinung nach sogar dramatisch.

    Es geht um die traurigen und ernsten Themen: Demenz und Suizid.

    Da ich mit beidem in der Familie zu tun habe, war ich im ersten Moment wirklich geschockt, da ich nach dem Klappentext eher von einem heiteren Buch mit verschiedenen emotionalen Geschichten über die Fundstücke ausgegangen bin. Wie auch die Geschichte mit der verlorenen Tasche, des älteren Herren, vom Klappentext im Grunde gar nicht so wichtig ist.


    Zum Glück gibt es dann ein wunderschönes Happy End das mich dann hier in diesem Fall wieder versöhnt hat.


    Weiterhin hat das Buch auch gut aufgezeigt wie es manchmal in Familien so läuft. Man lebt nebeneinander her, steckt den anderen in Schubladen und (wenn man Glück hat) erkennt man rechtzeitig, dass diese Schubladen nur Fassaden sind.


    Der Schreibstil gefällt mir gut. Dot ist eine sympathische Protagonisten deren Denk und Handlungsweise ich gut nachvollziehen konnte, wenn sie mich auch an manchen Stellen überrascht hat.


    Autorin:

    Helen Frances Paris ist künstlerische Leiterin des Londoner Theaters Curious. Sie hatte fast zehn Jahre lang eine Professur für Theaterwissenschaft an der Stanford University in Kalifornien inne und lebt jetzt wieder in Großbritannien.


    Mein Fazit:

    Ein Buch von dem ich etwas ganz anderes erwartet habe, das mich nach einigen Längen zu Beginn, dann total überrumpelt und überrascht hat.

    Von mir 4 Sterne.

    ASIN/ISBN: 3423263177

  • Von Verlusten und dem (sich) Wiederfinden


    "Das Fundbüro der verlorenen Träume" von Helen Frances Paris erschien (Paperback, 2022) im dtv-Verlag und umfasst 366 Seiten.

    Dot, eigentlich Dorothea, ist die Hauptfigur in diesem warmherzig und wirklich sehr menschlich, zeitweise auch poetisch geschriebenen Roman, der in einem Londoner Fundbüro verortet ist, in dem Dot arbeitet.

    Nachdem der geliebte Vater von Dot gestorben ist, begräbt sie erst einmal ihre Pläne und ihr Vorhaben, nach ihrem Auslandssemester in Paris Sprachen zu studieren, Dolmetscherin zu werden (und am liebsten für die UN zu arbeiten), was sie mit ihrer Liebe zu Reisen verknüpft. Stattdessen nimmt sie eine Stelle im Fundbüro in London an, wo sie ihrer Arbeit, mit Akribie und Gewissenhaftigkeit dafür zu sorgen, dass verlorene Dinge, die abgegeben werden, ihren urtümlichen Besitzern wieder ausgehändigt werden können. Unterstützt wird sie dabei von Anita und einer weiteren Kollegin sowie Big Jim, der im Untergeschoss für die Sachen zuständig ist, die zum Auktionshaus Snagby's gehen, da sie nach Ablauf der Abholfrist nicht abgeholt wurden. Dot erscheint stets in Uniform und ist für einen akkuraten Ablauf des Tagesgeschäfts. Ihre größte Freude besteht darin, Sache und EigentümerIn wieder zusammenzubringen, Verlorenes zurückgeben zu können.

    Eines Tages erscheint ein älterer, sympathischer Herr im Fundbüro, um sich nach der honigfarbenen Tasche zu erkundigen, die er im 73er Bus hat liegen lassen: Eigentlich geht es ihm um das fliederfarbene Portemonnaie seiner verstorbenen Frau. Dot recherchiert, muss aber leider feststellen, dass die Tasche bisher nicht im Fundbüro abgegeben wurde. Sehr viel später kommt Mr. Appleby nochmals vorbei und vernimmt, dass die Tasche noch immer nicht aufgetaucht ist: Sicherheitshalber hinterlässt er seine neue Adresse an der Küste, da er Sohn und Familie dort besuchen will.... An diesem Tag gibt es einen Chefwechsel und zu Anita's und Dot's großer Bestürzung wird Neil Burrows "NB" genannt, der neue Chef: Die Formalitäten der neuen Adresse Mr. Applebys nimmt daher die Kollegin auf, deren Farbe ihrer Fingernägel ihr wichtiger sind als die Dinge möglichst exakt aufzunehmen, die Menschen im Fundbüro abgeben. Wird es Dot, der viel daran gelegen ist, dem alten Herrn zu helfen, gelingen, ihm die verlorene Tasche wiederzugeben?


    Meine Meinung:


    Dot ist mir von Anfang an sympathisch: Sie ist sensibel, verrichtet ihre Arbeit mit großer Sorgfalt und hilft gerne Menschen, ihr Eigentum zurückzuerlangen: Sie hat einen Blick fürs Detail und ist sehr freundlich zu ihren Kunden. Dennoch ist sie nach dem Verlust des Vaters sehr introvertiert, ihr Leben verläuft nicht so, wie sich das ihre Schwester Philippa für sie ausgedacht hat: Diese ist gänzlich anders geartet, liebt Sauberkeit über alles und beginnt heftig, mit ihren Armen zu wedeln, wenn sie eine Situation überfordert. Sie versucht, Dot einen Mann (am besten mit großem Haus, gutem Einkommen und großem Ego) zu "vermitteln", wovon Dot jedoch nichts wissen will: Nach und nach erfährt man mehr aus dem Leben der Familie; die Mutter lebt im Pflegeheim "Schattige Pinie", wo wir auch Dr. Chang, der heilende Hände hat, kennenlernen und von ihren Töchtern besucht wird. Während Philippa mehr zur Mutter tendierte, war Dot in ihrer Kindheit ein richtiges "Vater-Kind": Wir lernen ihren Vater als abenteuerlustigen, erzählenden, Krimis erfindenden und wirklich guten Vater kennen, der jedoch offensichtlich nicht sehr glücklich ist mit seinem Leben. Einzig mit Dot hat er an den Wochenenden Freude, wenn beide Platten hören, Spiele erfinden und Abenteuer bestehen. Dies ändert sich, als Dot zum Auslandsstudium nach Paris zieht. Dort lernen wir Louise kennen, mit der sich Dot gut versteht und Émile, der Dot liebt. Manche Sätze, die die Autorin in den wirklich warmherzigen Roman einflicht, sind in meinen Augen wie Perlen; manche Sätze poetisch und doch klar und voller Weisheit. Einiges jedoch ist sehr ausufernd beschrieben, plätschernd und etwas nebensächlich. Dot ganz besonders und ihre Familie sind sehr authentisch und gut vorstellbar beschrieben; bei anderen Nebenfiguren hätte ich mir mehr "Tiefgang" gewünscht; so z.B. bei Big Jim, der durch seine Empathie Dot gegenüber zu einer meiner Lieblingsfiguren wurde. Die Autorin versteht es, Emotionen sehr nahegehend und warmherzig zu beschreiben, ebenso die Schuldgefühle von Dot, die man erst später begreifen kann.

    Eine Kostprobe so einiger sprachlicher "Perlen" ist z.B. der Satz:

    "Verlust (....) ist der Preis, den wir für die Liebe zahlen" (Zitat S. 259)

    Der Roman ist in der Ich-Form geschrieben und als LeserIn bekommt man die allmähliche Wandlung Dots dadurch sehr gut mit, wie sie langsam aber stetig aus ihrem Schneckenhaus, in das sie sich lange zurückgezogen hatte, befreit; auch die Orte der Handlungen sind gut vorstellbar beschrieben und am Ende reist man mit Dot an einen Ort, der sie zu ihrer eigentlichen Bestimmung im Leben führen sollte. Schön fand ich auch, dass ich meine eher negative Meinung ihrer Schwester gegenüber am Ende in einigen Punkten revidieren musste und dass es eine Aussprache des "ungesagten Wissens" in der Familie gab, das die beiden Schwestern einander näher brachten. Dots Vorlieben (Sprachen und Reisen) teile ich absolut und die Hauptprotagonistin war aufgrund ihres Charakters und auch ihrer Handlungen eine große Sympathieträgerin, die am Ende noch eine sehr schöne Idee parat hatte, die "Schattige Pinie" betreffend.


    Fazit:


    Warmherzige und authentische Charaktere bevölkern diesen lesenswerten Roman, der viele Themen in sich birgt: Im Vordergrund stehen Verluste, die zu jedem Leben gehören, aber auch des sich Wiederfindens; die eigentlichen Lebenspläne wieder angehen zu können und sich nicht entmutigen zu lassen; ja auch loslassen zu können. Weitere Themen sind Trauer, Familienbeziehungen und -konflikte, Demenz, Übergriffigkeit. aber auch Liebe und Respekt - gegenüber Menschen und auch Dingen. Trotz einiger Längen, die das letzte Drittel des Romans dann auch wieder wettmachen konnten, gebe ich sehr gerne eine Leseempfehlung bei 4* und dem Eindruck, dass Helen Frances Paris noch "Potential nach oben" hat.


    ASIN/ISBN: 3423263172

  • Darum geht’s

    Ein schwerer Schicksalsschlag zieht Dot den Boden unter den Füßen weg. Ihr einziger Anker ist ihre Arbeit im Londoner Fundbüro. Es gibt für sie nichts Schöneres, jemandem einen verlorenen Gegenstand wiedergeben zu können. Sie vergräbt sich so sehr in die Arbeit, dass sie nicht bemerkt, wie sie sich immer mehr selbst verliert. Erst als ein älterer Herr verzweifelt nach seiner Tasche sucht, in der sich ein wertvolles Andenken an seine verstorbene Frau befindet, gerät ein Stein ins Rollen, der Dots Leben verändern wird.


    So fand ich’s

    Das grazil gezeichnete Cover suggeriert uns Lesern eine zarte, feinfühlige Geschichte, die man dann auch tatsächlich bekommt. Allerdings verschweigt die Kurzbeschreibung tiefgreifende Themen wie Demenz und Suizid, die den einen oder anderen in ihrer Intensität dann doch auch kalt erwischen kann. Mir ist es damit jedenfalls so ergangen und deshalb ist es mir ein Anliegen, diese Punkte gleich als Trigger Warnung zu erwähnen.


    Helen Frances Paris erzählt die Geschichte auf sehr einfühlsame, ja fast schon lyrische Weise, was mir gleich von Anfang an sehr gut gefallen hat. Der Schreibstil passt perfekt zur Protagonistin Dot, die mir sehr sympathisch war. Es gab zwar immer wieder Momente in denen ich ihr Verhalten nicht wirklich nachvollziehen konnte. Allerdings hat mich das nicht weiter gestört, da man mit der Zeit immer besser verstanden hat, warum Dot so geworden ist. Ihre weitere Entwicklung hat mir dann auch sehr gut gefallen und auch der Schluss ist der Autorin ganz nach meinem Geschmack gelungen.


    Durch die bereits erwähnten einschneidenden Themen war dies trotz aller leichten Töne im Schreibstil kein leichtes Buch für mich und ich konnte es nicht in einem Rutsch lesen. Ich musste immer wieder das Gelesene etwas sacken lassen, da sehr oft persönliche Erinnerungen geweckt wurden. Trotzdem empfinde ich jetzt im Nachhinein „Das Fundbüro der verlorenen Träume“ als ein schönes und berührendes Buch. Die Autorin findet in all der Tragik auch immer wieder Tröstendes und verliert nie ein kleines Augenzwinkern, um die Geschichte etwas aufzulockern.


    Die Autorin hat gezeigt, dass sie eine gefühlvolle und behutsame Erzählerin ist. Und da ich ja jetzt vorgewarnt bin, dass sie auch schwierige Themen in ihre Geschichten einbaut, kann ich mir gut vorstellen, ein weiteres Buch von ihr zu lesen.