'Klara und die Sonne' - Seiten 001 - 060

  • . Daher ist vielleicht auch der Status, der an der Kleidung abgelesen wird, keine direkte Kennzeichnung (beim ersten Lesen dachte ich an Uniformen), sondern die Klassifizierung, die eine künstliche Intelligenz vornimmt, die ihr einprogrammiert wurde. Wie ich Ishiguro kenne, bekommen wir darauf aber auch keine klare Antwort und behalten viel Interpretationsspielraum :)

    Interessante Idee, könnte natürlich auch Teil der Programmierung sein, so dass es den eigentlichen Status gar nicht gäbe.

  • Was meinst du mit dem verändertem Blick? Die Taxifahrer? Was übrigens sehr interessant ist - wurde Rosa so programmiert, dass sie Gewalt nicht wahrnimmt? Hatte sie schon ein traumatisches Erlebnis, dass sie Gewalt nicht mehr wahrnimmt und die Beobachtungen anders interpretiert? Können sich die KFs so stark selber umerziehen? Oder meintest du was ganz anderes?

    Nein, wobei dieser Gedanke mit Rosas fehlende Fähigkeit, Gewalt als solche wahrzunehmen, auch sehr interessant ist. Anscheinend werden manche KFs darauf programmiert, nur das "Gute" zu sehen und alle anderen Ereignisse dementsprechend zu interpretieren. Interessant, dass Klara da anders "tickt".


    Ich meinte eigentlich die tatsächliche Sehmöglichkeit von Klara, als sie auf S. 37 (dt. Hardcover) von ihrem Podest stiegen: "Wir standen jetzt so, dass wir das ganze Geschäft im Blick hatten, ich konnte bis zu dem Glastisch am hinteren Ende sehen, aber der Raum hatte sich in zehn Kästchen segmententiert, sodass sich mir kein vollständiges, einheitliches Bild mehr bot." Und dann sieht sie alles in diesen Kästchen, verschiedene Ausschnitte und auch verschiedene Größen. Das kann ich mir überhaupt nicht erklären.


    Und dadurch wirkt die Welt vielleicht auch so oberflächlich, da sie durch eine Maschine interpretiert an uns weitergegeben wird. Wirkliche, zwischenmenschliche Interaktion bekommen wir ja nur bei Verkaufsgesprächen mit, und auch da nur durch Klaras Sichtweise. Daher ist vielleicht auch der Status, der an der Kleidung abgelesen wird, keine direkte Kennzeichnung (beim ersten Lesen dachte ich an Uniformen), sondern die Klassifizierung, die eine künstliche Intelligenz vornimmt, die ihr einprogrammiert wurde. Wie ich Ishiguro kenne, bekommen wir darauf aber auch keine klare Antwort und behalten viel Interpretationsspielraum :)

    Das ist ein ganz wichtiger Gedanke! :thumbup:Ich gestehe, ich habe Klaras Blick viel zu sehr als menschlichen Blick wahrgenommen, weil sie wie ein Mensch denkt und zum Teil auch fühlt. Aber natürlich hast du recht: Klara sieht die Welt mit ganz anderen Augen und so müssen ihre Interpretationen nicht zwingend auch für uns Menschen passen. Vielleicht hätte ein Mensch in der gleichen Wahrnehmnung etwas ganz anderes interpretiert, weil sicher auch Klara bestimmte Dinge nicht sieht oder ganz anders wahrnimmt (siehe Rosa und der Taxifahrerstreit).


    Ein Schritt weiter wäre dann die Überlegung, inwieweit unterschiedliche Menschen Dinge unterschiedlich wahrnehmen und interpretieren und wie das unser Verhältnis zur Welt prägt. Gerade momentan ja eine sehr, sehr aktuelle Thematik. Ich weiß nicht, ob Ishiguro in diese Richtung gedacht hat, aber für mich drängt sich das gerade auf.


    Ich bin gerade sehr, sehr froh über die Leserunde :*, weil es das Lesen gerade eine solchen Buches ungemein bereichert! Vielen Dank für den tollen Vorschlag Rouge !


    Für mich hörte sich das nach einer Art Dampfwalze an.

    Das finde ich eine sehr interessante Idee!:thumbup:Zeitgemäße Straßenbaumaschienen aller Art habe ich für mich eigentlich ausgeschlossen, da sie zwar Lärm, aber nicht soviel Rauch/Abgase machen, dass sich tagelang die Sonne verdunkelt. Aber eine dampfbetriebene Maschine macht natürlich sehr viel Rauch und Russ! Und wenn sie aus irgendeinem Grund längere Zeit an einer Stelle steht, könnte das durchaus Sinn machen.


    Ist natürlich die Frage: wieso Dampfbetrieb? Nicht unbedingt eine Energieform, an die man in einen Sience Fiction denkt. Aber ich traue es Ishiguro durchaus zu, dass er mit solchen Überraschungen aufwartet und es kann ja durchaus sein, dass in dieser Welt Erdgas/-öl/Kohle als Energieträger komplett rausgefallen sind und wieder auf Dampf, hergestellt durch erneuerbare Energieen, zugegriffen wird. Zumindest bei Maschinen, die viel Power benötigen. Bei den KF bin ich eurer Meinung: die arbeiten mit Photovoltaik.


    Habt ihr eine Ahnung, worum es sich bei dem Hochhaus handelt?

    Nein. Ich gestehe, das Hochhaus war für mich einfach ein Hochhaus - wahrscheinlich Büro-/Geschäftsgebäude. Mehr Gedanken habe ich mir dazu nicht gemacht - könnte natürlich aber durchaus auch wichtig sein.

    "Alles vergeht. Wer klug ist, weiß das von Anfang an, und er bereut nichts." Olga Tokarczuk (übersetzt von Doreen Daume), Gesang der Fledermäuse, Kampa 2021

  • Ich glaube auch nicht, dass es irgendwie wichtig ist, das Hochhaus. Klara hat es nur so häufig erwähnt.


    Das mit Klaras Wahrnehmung in "Kästchen" halte ich für eine ganz gute Darstellung, wie schwierig das Sehen und Erkennen für KIs ist. Eine äußerst komplexe Sache, auch wenn sie uns so selbstverständlich erscheint.

  • Das ist ein ganz wichtiger Gedanke! :thumbup:Ich gestehe, ich habe Klaras Blick viel zu sehr als menschlichen Blick wahrgenommen, weil sie wie ein Mensch denkt und zum Teil auch fühlt. Aber natürlich hast du recht: Klara sieht die Welt mit ganz anderen Augen und so müssen ihre Interpretationen nicht zwingend auch für uns Menschen passen.

    Die Gefahr besteht, und ich denke, dass ich sie auch zu sehr vermenschliche. Dabei will sie das ja auch gar nicht sein - ein Mensch. Sie will eine gute KF sein, lernen, sich verbessern, mehr nicht.

  • Ein Schritt weiter wäre dann die Überlegung, inwieweit unterschiedliche Menschen Dinge unterschiedlich wahrnehmen und interpretieren und wie das unser Verhältnis zur Welt prägt. Gerade momentan ja eine sehr, sehr aktuelle Thematik. Ich weiß nicht, ob Ishiguro in diese Richtung gedacht hat, aber für mich drängt sich das gerade auf.

    Interessant. Daran habe ich gestern tatsächlich auch beim Lesen gedacht, aber nicht gepostet, weil ich dachte, das sei doch zu weit hergeholt. Tatsächlich "programmiert" jahrelange intensive Propaganda auch menschliche Gehirne. Die Folgen sind fatal.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Ist natürlich die Frage: wieso Dampfbetrieb? Nicht unbedingt eine Energieform, an die man in einen Sience Fiction denkt. Aber ich traue es Ishiguro durchaus zu, dass er mit solchen Überraschungen aufwartet und es kann ja durchaus sein, dass in dieser Welt Erdgas/-öl/Kohle als Energieträger komplett rausgefallen sind und wieder auf Dampf, hergestellt durch erneuerbare Energieen, zugegriffen wird. Zumindest bei Maschinen, die viel Power benötigen. Bei den KF bin ich eurer Meinung: die arbeiten mit Photovoltaik.

    Mir war gar nicht bewusst, dass gar keine Dampfwalzen mehr betrieben werden. Zumindest meinte mein Mann das. Uppsi! Da hat sich ein Bild aus meiner Kindheit ganz nach oben gedrängt. Ich bin zeitlich noch etwas verloren. Deshalb vermischen sich bestimmt alle möglichen Zeitebenen in meinem Kopf.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Die Walzen mögen heute weniger Dreck machen, aber die Fertiger, die Asphalt auf die Straße machen, machen gehörig Dampf und Gestank, allein durch die Hitze. Vielleicht war es sowas.

    Nein. Glaubt mir. :grin Mein Mann bedient so ein Ding. Rumpelstilzchen hat schon gut erklärt, der Fertiger ist die Maschine, die den Asphalt auf die Straße bringt. Gestank ja durch den Asphalt, Dampf nur wenig vom heißen Asphalt. Sicher nicht so viel, dass die im Buch beschriebenen Effekte eintreten würden, vor allem steht so ein Fertiger niemals länger an einer Stelle (wäre sehr schlecht für die Straße).


    Die Walzen sind die Geräte, die mit großen Rädern hin und her flitzen und den heißen Asphalt plattdrücken. Die machen Lärm (vor allem die mit den Eisenwalzen), aber keinen Gestank und auch keinen Rauch. Ich hab sogar schon gegoogelt, aber da komme ich bei dem Ausdruck auch immer wieder nur zu dem Buch - es bleibt also ein Rätsel.

    "Alles vergeht. Wer klug ist, weiß das von Anfang an, und er bereut nichts." Olga Tokarczuk (übersetzt von Doreen Daume), Gesang der Fledermäuse, Kampa 2021

  • Nein. Glaubt mir. :grin Mein Mann bedient so ein Ding. Rumpelstilzchen hat schon gut erklärt, der Fertiger ist die Maschine, die den Asphalt auf die Straße bringt. Gestank ja durch den Asphalt, Dampf nur wenig vom heißen Asphalt. Sicher nicht so viel, dass die im Buch beschriebenen Effekte eintreten würden, vor allem steht so ein Fertiger niemals länger an einer Stelle (wäre sehr schlecht für die Straße).


    Die Walzen sind die Geräte, die mit großen Rädern hin und her flitzen und den heißen Asphalt plattdrücken. Die machen Lärm (vor allem die mit den Eisenwalzen), aber keinen Gestank und auch keinen Rauch. Ich hab sogar schon gegoogelt, aber da komme ich bei dem Ausdruck auch immer wieder nur zu dem Buch - es bleibt also ein Rätsel.

    Ist vielleicht auch gar nicht so wichtig, was genau es für eine Maschine ist. Ich denke, dass das Gefühl wichtig ist, das in der Szene transportiert wird. Dass es ein Gerät gibt, dass die Sonne verdeckt/vernebelt.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Ist vielleicht auch gar nicht so wichtig, was genau es für eine Maschine ist. Ich denke, dass das Gefühl wichtig ist, das in der Szene transportiert wird. Dass es ein Gerät gibt, dass die Sonne verdeckt/vernebelt.

    :thumbup:Ja, da hast du recht. Ist vielleicht auch nicht gut, sich zu viele Gedanken zu machen, denn das lenkt letztlich nur vom Wesentlichen ab.

    "Alles vergeht. Wer klug ist, weiß das von Anfang an, und er bereut nichts." Olga Tokarczuk (übersetzt von Doreen Daume), Gesang der Fledermäuse, Kampa 2021

  • Ist vielleicht auch gar nicht so wichtig, was genau es für eine Maschine ist. Ich denke, dass das Gefühl wichtig ist, das in der Szene transportiert wird. Dass es ein Gerät gibt, dass die Sonne verdeckt/vernebelt.

    Vielleicht ist die Maschine auch einfach bei miesem Wetter, Nebel, Nieselregen, unterwegs und Klara kannes nicht richtig einordnen.

  • Ich liebe es :love:


    Die Ich Perspektive finde ich ja eh immer toll und ich finde, Klara ja einen ganz besonderen Erzählstil. Ein Mix aus Naivität und Begreifen. Ich mag es, dass Ishiguro ihr diese Sensibilität und Neugier gegeben hat und bin sehr gespannt wo das noch hin führt.


    Glaubt ihr, dass die „Roten Regale“ zum Beispiel ihr Name für sie sind, quasi als Eigenname, weil „Roten“ groß geschrieben ist.


    Ein wenig gruselig ist es aber schon, dass so ein künstliches Ding einen Menschen ersetzen soll.
    Was meint ihr, warum sie geschaffen wurden? Das kam ja noch nicht so richtig raus.

  • Glaubt ihr, dass die „Roten Regale“ zum Beispiel ihr Name für sie sind, quasi als Eigenname, weil „Roten“ groß geschrieben ist.

    Es kommen auch die "Interessanten Zeitschriften" vor, macht schon Sinn, dass es für sie Eigennamen sind.


    Ich glaube, ich spoilere nicht, wenn ich verrate, dass wir auch nach der Lektüre von weiteren Abschnitten über viele Dinge noch nicht wirklich mehr wissen. :lache