'Klara und die Sonne' - Seiten 061 - 132

  • Das Buch fängt an, sehr beklemmend zu werden. Deshalb bin ich auch nur ganz langsam vorwärtsgekommen, denn zu lange mag ich mich in dieser erdrückenden Atmosphäre gar nicht aufhalten. Auch wenn mir das Buch an sich gut gefällt.


    Das "Interaktionsmeeting" war schon seltsam, aber der Wasserfeld-Ausflug war ja wirklich "strange". Nicht nur, dass die Mutter auffordert, Klara solle Josie spielen (ich habe auch den Eindruck, sie möchte sich eine "Erstatz-Tochter" heranziehen - das hat sich ja beim Kauf schon etwas angedeutet), schon vorher. Warum redet die Mutter Josie krampfhaft ein, sie sei zu krank um zum Wasserfall zu fahren??? Und macht ihr dann auch noch ein schlechtes Gewissen? Das empfinde ich als sehr unmenschlich, ich kann mir nicht vorstellen, dass die Mutter Gefühle für Josie hat. Josie tut alles, um ihrer Mutter zu gefallen und wird dann so in die Ecke gestellt.


    Rumpelstilzchen schrieb:

    Ich hatte den Eindruck, die Mutter fürchtet den baldigen Tod der zweiten Tochter und hat diese Szene deshalb inszeniert.

    Das Gefühl der Inszenierung hatte ich auch - ich unterstelle der Mutter, sie wollte Josie nie beim Ausflug dabeihaben. Große Anzeichen ihrer Krankheit hat sie nämlich nicht gemacht und was wäre so schlimm daran gewesen, es einfach auszuprobieren und ich schlechtesten Fall wieder umzukehren? Ich habe das Gefühl, die Mutter will ihrer Tochter die Krankheit unbedingt einreden - warum auch immer. Von daher weiß ich nicht, ob sie ihren Tod wirklich fürchtet oder hat sie ganz was anderes vor im Leben und Josie ist ihr ein Klotz am Bein?


    Die Mutter finde ich wirklich furchtbar!

    Warum bekommen Kinder gehobener Stellung sie als Begleiter, während sieben Gleichaltrigen scheinbar soweit getrennt werden, dass sie vor dem College soziale Interaktionen mit anderen Kindern üben müssen (Interaktionsmeeting)?

    Ist diese Entwicklung nicht heute schon im Gang? Wenn Schule und evtl. noch Vereine als Ort der Begegnung wegfallen - was bleibt etlichen Kindern/Jugendlichen denn noch? Ihr Alltag ist oft mit Schule und sonstigen Freizeitaktivitäten, die von Erwachsenen ausgehen wie Musikschule oder (Einzel)Sport durchgetaktet und Interaktion mit Gleichaltrigen findet häufig über elektronische Geräte statt. Dazu kommt eine Gesellschaft mit immer weniger Kindern und zunehmend überbesorgten Eltern, die ihre Kinder gar nicht aus den Augen lassen wollen. Die Leute mit Geld haben noch mehr Möglichkeiten, die sie dann auch ausnutzen - nur vermeintlich zum Wohl der Kinder/Jugendlichen.


    Leider weiß man nicht, wann die Geschichte spielt und auch nicht wo sie spielt. Home-Schooling ist ja in den USA durchaus üblich, ich denke, isolierte Kinder sind da keine Seltenheit. Josies Krankheit kommt dann noch obendrauf.


    Ich auch, ich bin total neugierig und hibbelig, weil man so wenig Details über diese seltsame Welt erfährt. Aber ich befürchte auch, dass der Leser einfach nicht alles erfahren wird. Weil er ja auch alles nur durch die Augen von Klara sieht.

    Das fürchte ich bei dem Autoren allerdings auch ;). Ishiguro ist ja ein Meister darin, dem Leser großen Interpretationsspielraum zu lassen. :grin


    Ach ja, die Augen von Klara sind ein gutes Stichwort. Ich hab mich ja schon im letzten Abschnitt über die seltsame "Sehweise" von Klara gewundert. Auf die Idee, dass es für eine KI ganz normal sein könnte, da ja Sehen, vor allem dreidimenional, eine sehr komplexe Fähigkeit ist, bin ich gar nicht gekommen. Aber das macht auf alle Fälle Sinn! Anscheinend versucht ihre Programmierung Klara immer das zu zeigen, was gerade wichtig erscheint und vor allem das Gegenüber auf alle möglichen Gefühlsregungen zu "untersuchen".


    Ist euch aufgefallen, dass Klara fast keine direkten Fragen stellt, sondern meistens nur mit "Ich frage mich, ...." versucht, etwas zu erfahren? Interessanterweise hat sie - soweit es mir aufgefallen ist - nur Rick einmal eine direkte Frage gestellt. Hat sie zu ihm eine ganz andere Beziehung als zu den anderen? Es gehen aber auch alle anderen auf diese indirekte Frage ein, also sind sie anscheinend gewohnt, so "gefragt" zu werden.

    "Alles vergeht. Wer klug ist, weiß das von Anfang an, und er bereut nichts." Olga Tokarczuk (übersetzt von Doreen Daume), Gesang der Fledermäuse, Kampa 2021

  • Heute im Zug habe ich den zweiten Abschnitt gelesen. Und als ich auf Toilette war und der Zug stark bremsen musste, hatder Service vom Board Bistro Kaffee übers Buch verschüttet ;(


    Naja. Irgendwie passend zum Abschnitt. Bedrückend, blöde Szenen. Insbesondere natürlich das Meeting und die Wasserfälle, da habt ihr viel zu geschrieben. Aber auch das allgemeine Verhalten der Mutter.


    Auf der anderen Seite die Lichtblicke - sowohl Melanie als auch Rick kommen nach Anfangsschwierigkeiten mit Klara gut zurecht. Sie hatten sicherlich Angst, durch die KF verdrängt zu werden.


    Auffällig, wie ihr auch schon geschrieben habt, ist in dieser Blase, in der Josies lebt, keine männlichen Erwachsenen vorkommen - im ersten Abschnitt waren aber schon Väter im Laden, und ja auch andere Erwachsene. Also scheint es weniger mit der Gesellschaft oder der gesellschaftlichen Schicht zu tun haben (auch Rick hat ja scheinbar keinen Vater im Haushalt), sondern eben die besondere Blase, aus der Josie nicht herauskam. Am Wasserfall warne ja glaube ich wieder Väter im Hintergrund beschrieben.

  • Auffällig, wie ihr auch schon geschrieben habt, ist in dieser Blase, in der Josies lebt, keine männlichen Erwachsenen vorkommen - im ersten Abschnitt waren aber schon Väter im Laden, und ja auch andere Erwachsene. Also scheint es weniger mit der Gesellschaft oder der gesellschaftlichen Schicht zu tun haben (auch Rick hat ja scheinbar keinen Vater im Haushalt), sondern eben die besondere Blase, aus der Josie nicht herauskam. Am Wasserfall warne ja glaube ich wieder Väter im Hintergrund beschrieben.

    Stimmt, sowohl im Laden als auch am Wasserfall kamen Väter vor. Und wenn man in unserem Schul- oder Kindergartenalltag guckt, kommen auch nicht sooo viele Väter vor.

  • Kurze Anmerkung zu Beginn: Ich habe die Beträge von euch im 1. Abschnitt, die nach meinem Betrag kamen, gelesen. Nur damit ihr Bescheid wisst. :-)


    Mittlerweile kann ich nun etwas mit dem Buchcover anfangen. Da soll wohl eines der Kästchen sein, von denen immer wieder die Rede ist. Und dann (vermutlich) ist da natürlich die lebenswichtige Sonne. Und dass man die Sonne nicht ganz sehen kann, soll wohl zeigen, dass Klara die Welt da draußen erst noch kennen lernen muss. Geleichzeitig ist es deshalb für mich auch eine Art Fenster zur Außenwelt.


    Also, ich fand die Kinder nicht ungewöhnlich gruselig oder so. Aus meiner Erfahrung, als ich selbst noch klein war, würde ich sagen: Kinder können oft (unbeabsichtigt) grausam sein. Ich hatte eher den Eindruck, dass unterbunden wurde, dass Eltern einschreiten, wenn sie merken, dass es kritisch wird. Die Kinder sollen selbst daraus lernen. Ich bin gespannt, wie es in dieser Thematik wohl weitergeht.


    Als es zu diesem Interaktionsmeeting kam, habe ich mich gefragt, ob hier der Autor die Digitalisierung kritisch betrachten will. Und durch die Coronazeit bzw. den Lockdown die Idee dazu kam, mögliche Folgen aufzuzeigen. Allerdings hätte er das Buch dann in einer sehr kurzen Zeit geschrieben. :gruebel Aus euren Beiträgen lese ich allerdings heraus, dass Homeschooling vor Corona nichts unbekanntes war.

    Wenn ich das Buch durch habe, will ich mal im Internet nach Informationen zu dem Buch suchen. Jetzt mache ich das noch nicht, da ich erst einmal das Buch ohne Informationen von außen auf mich wirken lassen will.


    Ich finde es ja merkwürdig, dass Klara sich erschrecken kann bzw. zeigt, dass sie sich erschrickt. Wozu soll das wohl gut sein? :gruebel


    Dann ist mir noch die Kleinigkeit aufgefallen, dass Klara jetzt 'Auto' sagt und nicht mehr 'Taxi'. Möglicherweise dazugelernt?


    Wo wohl Josies Vater ist. Als die Mutter erklärt hat, dass Josies Vater in dieser Firma gearbeitete hatte und am Ende ersetzt wurde, ist mir gar nicht aufgefallen, dass da ja noch der Vater in der Geschichte fehlt. Ich dachte ja dann zunächst, dass der Vater nur auf der Arbeit ersetzt wurde. Aber ja, ihm sind wir noch nicht richtig begegnet. Sollte ich schlimmes befürchten? :staunAussortiert? Tot? Eine Maschine?


    Bei dem Ausflug habe ich gedacht, dass ich mir einen künstlichen Menschen eigentlich genauso wie diese Mutter vorgestellt hätte. Erschreckend, dass eine KF einfühlsamer ist als die eigene Mutter.

    Manchmal habe ich auch gedacht, Josies Mutter könnte glatt eine Maschine sein. Sie wirkt manchmal so unflexibel. Aber andererseits darf ich nicht vergessen, dass ich alles nur durch Klaras Augen sehen kann.

    Ich war auch ziemlich erschüttert darüber, wie die Mutter Josie angegangen ist, als sie feststellte, dass Josie doch noch nicht fit genug für einen Ausflug wäre.

    Auch hier frage ich mich wieder, was Josie wohl für eine Krankheit hat.

    Was mich ja auch die ganze Zeit irritiert ist, dass Klara die Menschen immer in der Dritten Person anspricht. Wenn sie mit Josie redet sagt sie zu ihr nicht "Du" sondern immer nur Josie. Das finde ich irgendwie seltsam.

    Voraussetzung für ein ICH und ein DU ist, dass sie sich ihrer selbst bewusst ist, und das ist sie scheinbar nicht. Ich ertrappe mich dabei, dass ich vielleicht zu viel bei Klara voraussetze, möglicherweise auch ein Resultat dessen, dass sie die Erzählerin ist.

    Das ist eine interessante These, dass Klara vielleicht gar kein Bewusstsein hat.

    Allerdings denkt Klara sich selbst als 'Ich' und nicht 'Klara'. :gruebel


    Dass Klara Rick einmal mit 'Du' anspricht, ist mir glatt entgangen.


    Weiter geht's :schnellweg

    Sasaornifee :eiskristall

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    "Ich habe nicht mehr Ambitionen zum Fliegen als ein verdammter Strandlöper!" - Die Insel der Tausend Leuchttürme - Walter Moers

  • Edit: Ich frage mich, ob die Kinder eigentlich in die Schule gehen? Josie hat ja wohl eine Art Online-Unterricht. Ich dachte zunächst wegen ihrer Krankheit. Aber vielleicht sind Lehrer ja auch durch KIs ersetzt worden?

    Ich glaube nicht. Denn Josie sagt auf Seite 72 (Zeile 1f): "[...]ich habe ihn schwitzen sehen.".

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  • Also, ich fand die Kinder nicht ungewöhnlich gruselig oder so.

    Ich fand auch nicht die Kinder gruselig, sondern die Veranstaltung an sich, dieses Interaktionsmeeting.

    Man veranstaltet ein Treffen und lädt verschiedene Kinder, die sich sonst nie begegnen, dazu ein, damit sie den Umgang mit anderen üben können. Das ist gruselig.

    Interaktion mit Anderen sollte man durch häufige Kontakte und die entstehenden Konflikte lernen als Kind.

  • Achso. Entschuldigung. Ich habe das falsch aufgefasst.


    Meiner Meinung nach sind die Interaktionsmeetings ungewöhnlich, ja. Aber gruselig kann ich es nicht finden. Ich selbst habe es in Form von Therapie erlebt. Da war man aber über mehrere Wochen zusammen. Kann sehr hilfreich sein. Ich sehe mich aber nicht als Opfer der Digitalisierung. Das hatte ganz andere Gründe.


    Wie oft diese Interaktionsmeetings wohl stattfinden werden? Einmal wird bestimmt nicht reichen.

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  • Ich hatte den Eindruck, dass sie sich nur von solchen Treffen kennen.

  • von einer Therapiesitzung unterscheidet sich das Meeting schon dadurch, dass kein Therapeut dabei ist, der im Notfall eingreift bzw die Truppe ein wenig lenkt.

    Ok, ja, da ist ein Unterschied.


    Ich fand daran gruselig, dass diese relativ großen "Kinder" so halb unter der Aufsicht ihrer Mütter bleiben. Wie bei 6-7 jährigen.

    Jetzt ist mir auch wieder eingefallen, dass ich mir bisher schwer mit Josies Alter getan habe. Jetzt weiß ich warum. Ich habe noch einmal die Stelle gesucht, bei der Klara Josie das erste Mal begegnet. Ich habe statt vierzehneinhalb nur viereinhalb gelesen. Daher hatte ich immer ein ganz kleines Mädchen im Kopf. Aber irgendwann musste ich feststellen, dass sie mir nicht immer wie eine Viereinhalbjährige vorkam. Das wirft jetzt doch noch einmal ein ganz anderes Licht auf das Meeting. Ich habe es noch einmal gelesen.

    Ja, es ist schon merkwürdig, wie die Erwachsenen sich verhalten.

    Und Dannys Mutter ist ganz schön gemein zu Rick.

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