'Klara und die Sonne' - Seiten 211 - 304

  • Nein, das hat sie sicherlich nicht. Interessant finde ich aber, dass wir bei Klaras Verhalten sofort an Religion und religiöse Riten denken. Sind (manche) Religionen vielleicht sogar so entstanden? Wir wissen ja, wie Klara auf die Schlussfolgerungen mit der Sonne kommt, aber wenn es jemand nachahmt, der dieses Wissen nicht hat. Geht es dann in Richtung Religion?

    Gute Frage. Ich frage mich, ob dieses Aushandeln mit der Sonne typisch ist für eine christliche Vorstellung oder gibt es das in anderen Religionen auch?

    Ich komme darauf, weil ich gerade gestern mit einem Moslem diskutiert habe, ob Gottes Wille immer gilt, auch wenn man selbst nicht von der Richtigkeit des Tuns überzeugt ist.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Gute Frage. Ich frage mich, ob dieses Aushandeln mit der Sonne typisch ist für eine christliche Vorstellung oder gibt es das in anderen Religionen auch?

    Ich komme darauf, weil ich gerade gestern mit einem Moslem diskutiert habe, ob Gottes Wille immer gilt, auch wenn man selbst nicht von der Richtigkeit des Tuns überzeugt ist.

    Ich denke, die Sonne ist etwas ganz zentrales und ja auch für uns Menschen - nicht nur für Klara - Lebens- und Energiespender. Bei deinem zweiten Satz musste ich spontan denken, dass das erste Problem ja schon darin besteht, nicht genau zu wissen, was Gottes Wille ist. Auch alle Bücher, auf die sich Religionen beziehen, sind letztlich "Menschenwerk".

    "Alles vergeht. Wer klug ist, weiß das von Anfang an, und er bereut nichts." Olga Tokarczuk (übersetzt von Doreen Daume), Gesang der Fledermäuse, Kampa 2021

  • Doch, die Sonne wurde schon lange als Gottheit verehrt. Denkt nur an Griechen und Römer und die steinzeitlichen Ringheiligtümer, die immer etwas mit Sonne und Sternen zu tun hatten.

    Das stimmt natürlich. Wie konnte ich das vergessen? :bonk

    Ich meinte eher, ob der Verhandeln mit Gott eher christlich ist. :gruebel

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Bei deinem zweiten Satz musste ich spontan denken, dass das erste Problem ja schon darin besteht, nicht genau zu wissen, was Gottes Wille ist. Auch alle Bücher, auf die sich Religionen beziehen, sind letztlich "Menschenwerk".

    Das sehe ich auch so. Ich diskutiere gerade relativ viel mit Menschen islamischen Glaubens, die sich manchmal wundern, wie viel ich mit Gott streite. Das ist ihnen sehr fremd.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Du hast Recht: Das ist ganz fürchterlich! Es ist für Josie fürchterlich, für den Vater, für Rick, falls er es überhaupt erfährt. Und ich finde es fürchterlich für Klara.

    Ja, ich weiß, sie ist ein künstliches Wesen. Sie fände es sicher auch gar nicht schlimm, weil sie einfach dazu gemacht ustvzu helfen, sich anzupassen, zu gehorchen, aber alles in mir als Leserin sträubt sich dagegen.

    Das geht mir genauso, und ist sehr interessant an dem Buch : Ishiguro liefert uns eine Perspektive, die wir hinterfragen und uns selber dabei reflektieren. Wie viel Mensch steckt in der Maschine?


    Jetzt lese ich noch eure anderen Antworten, aber deinen Ausspruch mit dem sträuben finde ich so passend!

  • Ich habe genau das Gegenteil von Lese-rina : Ich käme gerne in den Lesefluss, den ich am Anfang hatte, es passt aber momentan nicht. Insbesondere den vierten Abschnitt musste ich in vielen kleinen Etappen lesen, die mich nicht haben Eintauchen lassen. Daher freue ich mich sehr über eure vielen Gedanken und Ideen. Den letzten, fünften Abschnitt lese ich hoffentlich noch am Stück, der ist ja nicht so lang.

  • Das geht mir genauso, und ist sehr interessant an dem Buch : Ishiguro liefert uns eine Perspektive, die wir hinterfragen und uns selber dabei reflektieren. Wie viel Mensch steckt in der Maschine?


    Jetzt lese ich noch eure anderen Antworten, aber deinen Ausspruch mit dem sträuben finde ich so passend!

    SciFi begleitet mich schon fast nein Keben lang, und gerade dort wird diese Frage immer mal wieder aufgegriffen. Wie viel Mensch in der Maschine steckt, ist für mich gar nicht so die entscheidende Frage, denn die Existenz künstlicher "Menschen", ich möchte lieber von künstlichen Lebensformen sprechen, führt zwangsläufig, wenn sie auf so einem hohen Niveau sind wie Klara, zu der Frage, ob sie Rechte haben. Wenn sie fähig sind, sich zu entwickeln, eigene Entscheidungen zu treffen, brauchen sie dann nicht auch Rechte, nicht nur Pflicht.

    Ich muss immer wieder an Data denken aus Star Trek-Next Generation.


    Ich hoffe, baro , du findest dir Zeit zum Weiterlesen! Spannendes Buch!

  • künstlichen Lebensformen sprechen, führt zwangsläufig, wenn sie auf so einem hohen Niveau sind wie Klara, zu der Frage, ob sie Rechte haben. Wenn sie fähig sind, sich zu entwickeln, eigene Entscheidungen zu treffen, brauchen sie dann nicht auch Rechte, nicht nur Pflicht.

    Ich muss immer wieder an Data denken aus Star Trek-Next Generation.

    Das finde ich ebenfalls eine wichtige Frage. Und eine, die am besten beantwortet sein sollte, bevor es solche Lebensformen gibt.

  • SciFi begleitet mich schon fast nein Keben lang, und gerade dort wird diese Frage immer mal wieder aufgegriffen. Wie viel Mensch in der Maschine steckt, ist für mich gar nicht so die entscheidende Frage, denn die Existenz künstlicher "Menschen", ich möchte lieber von künstlichen Lebensformen sprechen, führt zwangsläufig, wenn sie auf so einem hohen Niveau sind wie Klara, zu der Frage, ob sie Rechte haben. Wenn sie fähig sind, sich zu entwickeln, eigene Entscheidungen zu treffen, brauchen sie dann nicht auch Rechte, nicht nur Pflicht.

    Ich muss immer wieder an Data denken aus Star Trek-Next Generation.


    Ich hoffe, baro , du findest dir Zeit zum Weiterlesen! Spannendes Buch!

    Grundsätzlich stimme ich dir zu, die Frage ist natürlich zentraler, und dem haben sich einige gewidmet. Aber ich finde, die Art, wie Ishiguro schreibt, die Perspektive, die wir durch Klara bekommen, dreht diese Frage in diesem speziellen Fall stark in die Richtung, wie viel Mensch ist, oder kann, in Klara.


    Und die Zeit für die letzten beiden Teile habe ich mir genommen!

  • Grundsätzlich stimme ich dir zu, die Frage ist natürlich zentraler, und dem haben sich einige gewidmet. Aber ich finde, die Art, wie Ishiguro schreibt, die Perspektive, die wir durch Klara bekommen, dreht diese Frage in diesem speziellen Fall stark in die Richtung, wie viel Mensch ist, oder kann, in Klara.

    Da hast du vollkommen Recht. Hier geht es wirklich eher darum, wie menschlich Klara schon ist.

    Meine Gedanken gingen trotzdem in diese Richtung. Klara hat so eindeutig die Fähigkeit zu lernen, aus ihren Beobachtungen Schlüsse zu ziehen. Sollte sie dann nicht auch das Recht haben über ihr eigenes Schicksal zu entscheiden? Darüber wie sie ihre Aufgabe ausführt?

    Hat sie ein eigenes Bewusstsein entwickelt? Ein bewusst sein ihrer selbst?

  • Ich finde eure Gedanken sehr interessant, kann mich aber in diese Welt nur bedingt reindenken, wie ich feststelle. Da bin ich doch zu wenig science-fiction-affin.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Ich finde, dieses Buch tatsächlich wenig Sci-fi mäßig. Natürlich gibt es diese künstlichen Freunde in der Form noch nicht, aber wir sind auf dem besten(?) Weg dahin, wenn man die aktuellen Nachrichten ein wenig verfolgt. Leider ist es wie so oft - zuerst baut und konstruiert man etwas und nachher überlegt man dann, welche Folgen das hat und ob man die will.

  • Auch für mich hat dieses Buch nichts von SciFi. Es sind nur die Gedanken, zu denen es mich anregt, die mich an meine früheren Überlegungen aus dieser Richtung erinnern.

    Ich beziehe mich ja auch nur auf eure Gedanken bei meinem letzten Post, nicht auf das Buch. Ich kenne eigentlich kaum SciFi und kann somit nicht vergleichen. Für mich ist der Gedanke, einer Maschine Rechte zuzugestehen, neu. Mehr wollte ich nicht ausdrücken.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Sollte sie dann nicht auch das Recht haben über ihr eigenes Schicksal zu entscheiden? Darüber wie sie ihre Aufgabe ausführt?

    Hat sie ein eigenes Bewusstsein entwickelt? Ein bewusst sein ihrer selbst?

    Das sind total interessante Fragen und ich hab die letzten Tagen immer wieder darüber nachdenken müssen. So wie uns Klara geschildert wird, hat sie durchaus ein "Bewusstsein" ihrer selbst. ABER: dieses Bewusstsein ist nicht "natürlich", sondern ist ihr einprogrammiert. Sie weiß, sie ist eine KF, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass sie sich als KF fühlt. Maschinen können nicht "fühlen", sie können nur das nachempfinden, was sie vorgegeben bekommen bzw. was in ihnen angelegt ist.


    Eine enorm schwierige Gradwanderung, weil man natürlich in niemanden, weder Mensch noch Maschine hineinschauen kann. Trotzdem: ich denke, das Buch kann man auch als Warnung verstehen, Maschinen zu sehr zu vermenschlichen. Der gleiche Fehler passiert uns doch bei Bücher mit Tieren als Protagonisten - auch da werden andere "Wesen" vermenschlicht und wir vergessen, dass sie ganz anders ticken und andere Bedürfnisse haben. Dazu aber im letzten Abschnitt mehr.


    Das finde ich ebenfalls eine wichtige Frage. Und eine, die am besten beantwortet sein sollte, bevor es solche Lebensformen gibt.

    Das wäre natürlich sinnvoll, allerdings glaube ich nicht, dass wir Menschen uns so eine Lebensform tatsächlich in der Realität vorstellen können, bevor sie "erschaffen" wird. Diese Vorausschau schaffen wir shcon bei einfacheren Situationen und Fragen nicht. Und Klara, Data und R2D2 sind immer noch Erfindungen von kreativen Köpfen. Ob es wirklich so weit kommt - das bleibt abzuwarten.

    "Alles vergeht. Wer klug ist, weiß das von Anfang an, und er bereut nichts." Olga Tokarczuk (übersetzt von Doreen Daume), Gesang der Fledermäuse, Kampa 2021

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    Das sind total interessante Fragen und ich hab die letzten Tagen immer wieder darüber nachdenken müssen. So wie uns Klara geschildert wird, hat sie durchaus ein "Bewusstsein" ihrer selbst. ABER: dieses Bewusstsein ist nicht "natürlich", sondern ist ihr einprogrammiert. Sie weiß, sie ist eine KF, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass sie sich als KF fühlt. Maschinen können nicht "fühlen", sie können nur das nachempfinden, was sie vorgegeben bekommen bzw. was in ihnen angelegt ist.

    Hm, ist ihr "Bewusstsein" einprogrammiert? Die anderen KF scheinen bei weitem nicht so das Potenzial ihrer Programmierung auszuschöpfen wie sie.:gruebel

  • Ihre "Eigenständigkeit" muss ja irgendwoher kommen. Und nachdem sie eine programmierte Maschine ist, die sich zwar durch künstliche Intelligenz weiterentwickelt, aber immer nur auf das zurückgreifen kann, was in ihr angelegt ist, ist meine Interpretation, dass es zum einen an Klaras Programm, zum anderen an ihren individuellen Beobachtungen liegt.


    Klara ist zumindest unter den KF im Laden einzigartig (ob es nicht doch andere "Klaras" gibt, wissen wir ja nicht). Es wird ja mehrfach auf die verschiedenen Baureihen der KF hingewisen z. B. der B2S, der alles "viel besser" kann. Für mich hat Klara eine besondere Entwicklungsgabe, weil ihre Baureihe darauf angelegt ist, viel zu beobachten, daraus zu lernen und empathisch zu handeln. Andere KIs ihres Typs haben die gleiche Ausgangssituation, kommen aber zu ganz anderen Schlussfolgerungen, weil sie andere Beobachtungen machen und diese anders verknüpfen. Klara ist damit individuell, weil sie durch die Art ihrer Programmierung und ihre eigenen Beobachtungen und Interpretationen (die Wichtigkeit der Sonne, die Erholung von Bettelmann und die "Umweltverschmutzung") zu etwas "Besonderem" wird. Trotzdem ist und bleibt sie (für mich) eine programmierte Maschine.


    Für mich drängt sich hier auch ganz dringend eine andere Frage auf: Wer kontrolliert die Maschinen in ihrem Lernen??? Klara "lernt" ja auch etwas, was für uns unsinnig ist. Das richtet (zumindest bislang) keinen Schaden an, aber sie hätte ja durch andere Beobachtungen auch schlussfolgern können, Rick oder die Mutter oder Melanie Haushälterin seien an Josies Krankheit "schuld" oder verhindern ihre Heilung und was wäre dann?


    Jetzt könnte man natürlich unterstellen, die Maschine Klara hat wirklich (wie auch immer) ein eigenes Bewusstsein entwickelt und ist dadurch "menschlich" oder zumindest "menschenähnlich" geworden. Dann wäre das Buch für mich aber "Fantasy" und nicht mehr "Sciene-Fiction" ;).

    "Alles vergeht. Wer klug ist, weiß das von Anfang an, und er bereut nichts." Olga Tokarczuk (übersetzt von Doreen Daume), Gesang der Fledermäuse, Kampa 2021