'Klara und die Sonne' - Seiten 305 - Ende

  • Was für ein Ende! Ishiguro hat mich damit noch einmal völlig überrascht, damit habe ich wirklich nicht gerechnet. Aber es ist sehr stimmig so, nach einer außergewöhnlichen Zeit geht dann doch alles seinen "normalen" Gang. Den letzten Abschnitt konnte ich dann sogar in einem Rutsch lesen (bin nur nicht zum Schreiben gekommen).

    Ich finde es so traurig, wie es mit Klara zu Ende geht. ...


    Aber andererseits ist Klara ja anscheinend mit allem sehr zufrieden und glücklich. Ich habe das Gefühl, Klara empfindet ihr Ende auf diesem Hof selbst gar nicht als traurig. ...

    Ich finde das Ende grandios! Ishiguro ist ein Meister darin, Gefühlswelten zu erzeugen und Atmosphären zu schaffen. Das ist ihm hier außergewöhnlich gut gelungen. ...

    Vielen Dank für die tollen Ausführungen Rouge und Regenfisch , ihr habt verschiedene Gedanken zum Schluss wunderbar in Wort gefasst! :* Ich war auch zuerst sehr traurig und dachte: "Finden denn die nicht irgendwo eine Ecke, damit Klara - nach allem was sie getan hat - in der Familie bleiben kann???", aber mittlerweile denke ich, dass es so wahrscheinlich besser für alle ist. Klara hat ihre Aufgabe getan und kann jetzt stolz und glücklich ihren Weg zu Ende gehen. Und wahrscheinlich ist sie lieber da, wo sie hingehört und wo andere KF in der Nähe sind, als vergessen in irgendeiner Abstellkammer. Auch wenn es sich für uns "unmenschlich" anfühlt, wenn Klara da so alleine herumsteht - für sie passt es wohl sehr gut!


    Regenfisch schrieb:

    Sehr erleichtert gelesen habe ich, dass die KFs wohl eine Modeerscheinung waren und sich nicht auf dem Markt gehalten haben.

    Das würde ich durchaus differenzierter betrachten. Natürlich ist es besser, wenn Menschen sich um Menschen kümmern und die KF überflüssig sind. Nur - sind sie das nun? Oder bleiben die Jugendlichen alleine mit ihren Rechtecken und Haushälterinnen?


    Das ist wieder das Problem, das wir viel zu wenig wissen von der Welt, in der die Geschichte spielt. Ja, mich würde ein größerer Rundumblick sehr interessieren, aber Ishiguro erzählt uns sehr geschickt nur Klaras Ausschnitt. Er ist ein Meister im "offenlassen" und so bin ich letztlich froh, dass wir Klaras Geschichte so detailiert und bis zum Ende erzählt bekommen.


    Für mich geht es darum, wie menschlich können Maschinen sein oder besser gesagt: wie viel Menschlichkeit interpretieren wir in sie hinein und tun wir ihnen damit nicht furchtbar unrecht? Was ist die Grenze zwischen Mensch und Maschine? Und je länger ich darüber nachdenke, umso deutlicher tut sich diese Abtrennung für mich auf und so "liebt" Klara nicht, denn Liebe ist eine Freiwilligkeit und kein Resultat von Programmierung.


    Also sind Roboter dann vielleicht doch die besseren Menschen?

    Nein. Roboter sind Maschinen und Menschen sind ... Menschen. Mit allen Fehlern und Schwächen. So unzulänglich wir auch sind und so furchtbar die (falschen) Entscheidungen mancher Menschen sich auf andere auswirken - würden wir wirklich in einer "perfekten" Roboterwelt leben wollen? In der es nur noch richtig und falsch, aber keine Grautöne mehr gibt?


    Auch wenn ich es teilweise sehr anstrengend zu lesen fand, empfinde ich es als sehr gelungenes Buch! Es ist genau richtig, wie es ist, auch aus der (beschränkten) Sichtweise Klaras. :thumbup: Genau so wünsche ich mit gute Bücher: sprachlich gut lesbar, aber mit vielen Anregungen für eigene Gedanken!

    "Alles vergeht. Wer klug ist, weiß das von Anfang an, und er bereut nichts." Olga Tokarczuk (übersetzt von Doreen Daume), Gesang der Fledermäuse, Kampa 2021

  • Herr Palomar schrieb:

    Eins habe ich immer noch nicht ganz verstanden.

    Ist Josie so krank, weil sie "gehoben", als genmodifiziert wurde?

    Und ist schon ihre ältere Schwester daran gestorben?


    Wenn dem so wäre, hätte Josies Mutter ziemlich leichtfertig und verantwortungslos gehandelt, nur um den Standard zu halten.

    Ich hab das schon so gelesen, vor allem, weil ja das Thema immer wieder darauf kommt und sich Josies Mutter an verschiedenen Stellen bei verschiedenen Leuten erkundigt, ob sie richtig gehandelt hat. Das mag es aus ihrer Sicht (sie will ja nur das Allerbeste für Josie) sein, mein Kind aber so einer Gefahr auszusetzen kann ich persönlich überhaupt nicht nachvollziehen. Aber mehr noch schockiert mich die Reaktion der anderen: sowohl Rick und seine Mutter und sogar Josie selber sagen, diese Genmodifizierung sei trotz der Gefahr (wie hoch diese ist, steht ja leider nicht im Buch) richtig gewesen. Gibt es nicht einmal in so einem Extremfall ein Einsehen, dass dieser Einsatz zu hoch ist und man ganz sicher auch anders ein erfolgreiches und erfüllendes Leben haben kann????? Das finde ich am furchtbarsten an dieser Welt.

    "Alles vergeht. Wer klug ist, weiß das von Anfang an, und er bereut nichts." Olga Tokarczuk (übersetzt von Doreen Daume), Gesang der Fledermäuse, Kampa 2021

  • Das Buch habe ich ja schon einige Zeit fertig und dieses Mal geschafft auch im Rezi-Thread etwas dazu zu schreiben.


    Jetzt veruche ich mal noch ein paar Gedanken zum Buch hier zu schreiben. Ich schreibe alles im letzten Abschnitt hier, damit ich nicht versehntlich spoiler.


    Ich fand es richtig gruselig, als Klara die künstliche Josie entdeckt hat. Wie sie da so gehangen hat. Ich finde, dadurch hat der Autor richtig gut dargestellt, wie furchtbar das eigentlich ist, was Josies Mutter da vor hat. Die künstliche Josie hätte ja auch einfach z. B. nur dastehen können.


    Ich fand es richtig spannend, wie Klara ihren Plan umgesetzt hat, Hilfe von der Sonne für Josie zu bekommen.

    Im nachhinein würde ich sagen, dass die Spiritualität und Religion(?) hier ein wenig gewürdigt wurde, wenn auch offen bleibt, ob die Sonne nun wirklich einen Einfluss auf Josies Genesung hatte. Ich kann mir zumindest nicht recht erklären, was da eigentlich mit Josie passiert ist. Aber ich bin froh, dass sie wieder gesund geworden ist. :-)

    Aber falls die Sonne wirklich einen Einfluss gehabt haben sollte, fand ich es ganz interessant, dass es nicht durch ein Opfer geschah, sondern aufgrund der Zusage durch Klara, dass etwas Gutes daraus werden soll.


    Mir hat das Buch sehr gefallen. Ich habe mir vorgenommen, ein weiteres Buch von ihm zu lesen.

    Sasaornifee :eiskristall

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    "Ich habe nicht mehr Ambitionen zum Fliegen als ein verdammter Strandlöper!" - Die Insel der Tausend Leuchttürme - Walter Moers

  • Ich fand es richtig spannend, wie Klara ihren Plan umgesetzt hat, Hilfe von der Sonne für Josie zu bekommen.

    Im nachhinein würde ich sagen, dass die Spiritualität und Religion(?) hier ein wenig gewürdigt wurde, wenn auch offen bleibt, ob die Sonne nun wirklich einen Einfluss auf Josies Genesung hatte.

    Gerade für eine künstliche Intelligenz fand ich es eine erstaunliche Idee.


    Ishiguro schildert Josies Krankheit und ihre Heilung. Erklären muss sich das Jede und Jeder selber.

  • Ich fand es richtig spannend, wie Klara ihren Plan umgesetzt hat, Hilfe von der Sonne für Josie zu bekommen.

    Im nachhinein würde ich sagen, dass die Spiritualität und Religion(?) hier ein wenig gewürdigt wurde, wenn auch offen bleibt, ob die Sonne nun wirklich einen Einfluss auf Josies Genesung hatte. Ich kann mir zumindest nicht recht erklären, was da eigentlich mit Josie passiert ist. Aber ich bin froh, dass sie wieder gesund geworden ist. :-)

    Gerade diese offene finde ich so toll an Ishiguro. Er stellt etwas vor und lässt es uns Leser*innen vollkommen frei, wie wir damit umgehen und was wir lesen. Das finde ich eine große Kunst :anbet. Es ist eine große Versuchung "so leicht" anderen Menschen die eigene Überzeugung aufzudrücken. Dass Ishiguro das gerade nicht tut mag ich an seinen Büchern!


    Ganz persönlich fand ich es hier auch schön, dass Klaras Überzeugungen auf so ungewöhnliche Weise überraschend doch bestätigt wurden. :thumbup: sasaornifee ich gebe dir recht, dass Spiritualität und Religion hier zumindest nicht abwertend beschrieben wurden (wie so oft), wenn man es denn so lesen möchte. Und darüber hinaus kann jede und jeder es selber interpretieren :).

    "Alles vergeht. Wer klug ist, weiß das von Anfang an, und er bereut nichts." Olga Tokarczuk (übersetzt von Doreen Daume), Gesang der Fledermäuse, Kampa 2021

  • Ganz persönlich fand ich es hier auch schön, dass Klaras Überzeugungen auf so ungewöhnliche Weise überraschend doch bestätigt wurden.

    Ja, ich persönlich fand das auch sehr schön. :-)



    Was mir noch eingefallen ist:

    Ich war ja ein wenig überrascht, dass die Worte 'Jesus' und 'Maria' gefallen sind. Wär ja eigentlich nicht nötig gewesen. Da gibt es neutrale Alternativen. Josies Vater hatte beide Worte benutzt. Und dann auf jeden Fall noch eine weitere Person in Josies 'Welt' das Wort 'Jesus'. Wenn ich mich recht erinnere, war es ihre Mutter. Aber auch hier kann man wieder interpretieren: Kennen die Menschen Jesus und Maria? Oder ist es für sie einfach ein überlieferter Ausruck. So wie man heute z.B. sagt: "Oh mein Gott." Aber ihn eigentlich gar nicht wirklich im Gedanken oder Herzen anspricht.


    Ich muss auf jeden Fall noch ein Buch von Ishiguro lesen.


    Und ich wollte mal noch Danke sagen, dass ich hier so einfach in die Leserunde reinschneien durfte. Also: Danke! :-)

    Sasaornifee :eiskristall

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