Gloria Gray, Robin Felder - Zurück nach Übertreibling

  • Gloria Gray Robin Felder Zurück nach Übertreibling Vicci Victorias erster Zwischenfall dtv 2022



    1111 statt 32168


    Vikki Victoria ist eine etwas verrückte, farbenfrohe Person. Als Toni Besenwiesler aus dem Gefängnis ausbricht, muss Sie aus München fliehen. Von da an wird die Story total rasant und ständig passiert irgendetwas.


    Lesezeichenfees Meinung:

    Als ich das Buch anfing zu lesen, hatte ich ständig Andreas Schröfl mit seiner Sanktus Serie vor Augen.


    Dieses Buch ist noch übertriebener noch verrückter, noch witziger, noch spannender, als die Sanktus Serie und das will was heißen. Auf 345 Seiten wird der Leser ständig in einen Lachanfall, samt atemloser Spannung gehetzt. Klischees mit Klischeenamen (am Schluss noch mal aufgelistet) wechseln sich ab.


    Der Lokalkolorit ist hier aufs Höchste übertrieben und so herrlich-genial, dass keine Langeweile aufkommt und man als Leser dankbar für eine Pause ist. Denkt man. Aber ich glaube, die wenigsten kommen los von dem Buch, so dass man das Buch nicht im Urlaub lesen sollte. Am besten samstagnachmittags (wenn übers Wochenende nix mehr aussteht) anfangen zu lesen. Und dann bis zum verrückt-lustig-makabren Ende durchmachen.


    Es ist alles in dem Buch zu finden, was so IN ist. Auch Influenzer (Insta darf keinesfalls fehlen, schon gleich zu Anfang, Reality pur, sag i bloß) , LGBQT (wobei Vikki das Anführer*in/Star ist ;-) ) (und Dicke sind ja so gemütlich) und natürlich die C-Umstände. Nichts wird ausgelassen. Die oberflächlich erscheinenden Untiefen-Tiefsten Abgründe der Menschen, alles wird angesprochen. Verschiedene Sichtweisen inklusive, sag ich da nur.

    Die Protas sind alle schillernd-verrückt und schräg ohne Ende. Ja, und es ist auch spannend, immer wieder unterbrochen, von witzig-schrägen Gegebenheiten. Luft holen kann man nicht wirklich. Alle verrückten Gedanken, die die Leit hamn, sind natürlich eingefügt.


    Lauf, Jane (äh Vikki) lauf, auf gut bayrisch: Schau, dass d’weiterkommst und MMMM – maximale Mimik mit Maske dank Kathi

    waren ganz oben auf der Rangliste für die Überschrift. Auf Seite 252 hab ich dann die schlichte Überschrift gefunden. Allerdings hab’ ichs dann doch mit der Spider Murphy Gang aufgepeppt.


    Mein- Lesezeichenfees – Fazit:

    Wer den Sanktus verschlungen hat, mag auch „die Vikki“ und „den Toni“. Das Ganze ist so fix, schrill, verrückt, farbenfroh, völlig überdreht und übertrieben, genial, influencerisch, genderisch und einfach hammerhart, so dass man viel Lesespaß hat. Für mich war’s trotzdem etwas to much, nix hat gfehlt, so dass ich mir den Sanktus zurück gesehnt hab (wo is der eigentlich abgeblieben?). Und jetzt würd’ mich interessieren, wer denn hinter den/dem Autor(en) steckt.


    ASIN/ISBN: 978-3423220095

    Jeder Tag den man ohne in einem Buch zu lesen verbringt ist ein verlorener Tag. Außer du triffst dich mit Freunden. :-)

  • Schrill, queer und unterhaltsam
    Transfrau Vicki Victoria steht nicht nur fest im Leben, sie bewältigt es auch auf Stiletto-Absätzen - egal ob sie als V-Frau der Münchner Polizei unterwegs ist oder als Unterhaltungskünstlerin. Doch nun droht Ungemach in der Münchner Dachgeschosswohnung, wo Vicki sich nach einer eher freudlosen Jugend in der niederbayrischen Provinz neu erfinden konnte. Denn Toni Besenwiesler, der sie in der Schule, damals noch äußerlich ein Junge, grausam drangsalierte, ist aus dem Gefängnis ausgebrochen - und er schwört Vicki Rache. Sie, so glaubt er, hat dafür gesorgt, dass er einen Mord verurteilt wurde, den er nicht begangen hat.

    Ich-Erzählerin Vicki, die Protagonistin in Gloria Grays schräg-ironischem Cozy Krimi "Zurück nach Übertreibling" weiß: Mit dem Besenwiesler Toni kann man nicht diskutieren. Bleibt also nur die Flucht, doch schon das Treffen mit Clan-Chef Ahmet, mit dem der Geflohene ebenfalls eine Rechnung offen hat, endet exklusiv. Und dann wird auch noch die befreundete Nachbarstochter und Social Media-Influencerin Kathi entführt. Um das geplante Rache-Feuer zu löschen, bleibt Vicki nur eines übrig: Zurück nach Übertreibling, in das Heimatkaff, in dem alles begann.

    Der Ortsname Übertreibling ist hier Programm: Krimi-Realisten mögen sich die Haare raufen, Logik und Stringenz vermissen. Hier übertreibt die Autorin nach Herzenslust, eine Figur ist schräger und exzentrischer als die nächste, kein Klischee, das nicht genüsslich ausgereizt und auf die Spitze getrieben wird.

    Nicht genug, dass zum Personeninventar außer derb-rustikalen Niederbayern die Mitglieder einer tierliebenden Motorradgang, einer türkischen Clanfamilie mit ausgerechnet griechischem Nachnamen, teils faule, teils korrupte Polizisten und eine alternde Diva gehören. Vicki Victoria kommentiert alle Geschehnisse gewissermaßen in Dauerschleife, schweift dabei gerne mal ab zu philosophiert nebenbei über Gendersternchen und die Absonderlichkeiten der social media-Kultur. Meinungsstark ist sie allemal und niemals auf den Mund gefallen, selbst wenn das Fehlen einer Perücke eine mittlere Daseinskrise auslösen kann.

    Eigentlich klar, dass bei Vickis Hobby-Ermittlungen jede Menge Verwicklungen auftauchen und nichts ohne viel Drama geschehen kann, sozusagen mit Glitzereffekt und high heels Staccato. Je nach Gemütszustand des Lesers kann so eine Plaudertasche wie Vicki anstrengend sein oder erheiternd. Mit einem offensichtlichen Augenzwinkern geschrieben, sollte es auch so gelesen werden. Bei aller Exaltiertheit hat sich Vicki eine bajuwarische Offenheit bewahrt und das Herz stets auf dem rechten Fleck.Ich habe mich köstlich amüsiert und hoffe auf ein Wiedersehen mit Vicki Victoria. Immerhin: Im Oktober soll ein Folgeband erscheinen.

  • Gloria Gray: Zurück nach Übertreibling. Vikki Victorias erster Zwischenfall. Krimi, München 2022, dtv Verlagsgesellschaft, ISBN 978-3-423-22009-5, Klappenbroschur, 344 Seiten, Format: 12,3 x 2,89 x 19,1 cm, Buch: EUR 11,95 (D), EUR 12,30 (A), Kindle: EUR 9,99, auch als Hörbuch lieferbar.


    „Vikki, hör zu, der Toni ist ausgebrochen. Gestern Nacht, aus Stadelheim. Ich hab’s gerade erfahren. Großfahndung.“ – Oh. [...] Ganz klar, ich bin in Gefahr.“ (Seiten 8/9)


    Künstlerin Vikki Victoria, 41, lebt seit Jahren glücklich und zufrieden in München. Ihre Jugend in Übertreibling, einem Kaff im Bayerischen Wald, hat sie erfolgreich verarbeitet – oder vielleicht auch nur verdrängt. Leicht hat sie’s nicht gehabt. Sie ist im Körper eines Jungen geboren worden, hat sich aber immer schon als Mädchen bzw. Frau gefühlt. Und Anderssein ist in einem stockkonservativen Dorf echt kein Spaß! Besonders ihr Schulkamerad Toni Besenwiesler hat ihr damals das Leben schwer gemacht.


    Jahre später laufen sich Vikki und Toni in München wieder über den Weg. Toni arbeitet dort für den türkischen Clanchef Achmet und legt eine steile kriminelle Karriere hin. Vikki ist mit Achmet und dessen Familie bekannt, ohne in dessen ungesetzliche Machenschaften verwickelt zu sein. Und so haben die Feinde aus Kindertagen zwangsläufig immer wieder Kontakt.


    Raus aus dem Knast ...

    Irgendwann kommt Toni für 13 Jahre in den Knast für ein Delikt, das er nicht begangen haben will. Aus unerfindlichen Gründen glaubt er, dass Vikki und Achmet ihm die Tat angehängt haben und terrorisiert die beiden aus dem Gefängnis heraus mit Drohbriefen und Drohmails.


    Jetzt ist der Toni also raus aus dem Knast und Vikki muss um ihr Leben fürchten. Auf die Schnelle fällt ihr und ihrem Kumpel Wolf, einem belesenen Antiquitätenhändler und Boss einer Motorradgang, nichts Besseres ein, als Vikki in ihrem Heimatort Übertreibling zu verstecken. Stimmt schon: Da wird Toni sie nicht vermuten. Andererseits stammt er ja selber aus dem Ort. Womöglich schlägt er bei seiner dortigen Verwandtschaft auf und Vikki läuft ihm direkt in die Arme.


    ... und rein ins Chaos

    Aber vielleicht ist es eh gescheiter, dass sie ihn findet, bevor er sie findet. Überraschungsmoment, verstehst? Toni ist nicht gerade ein Superhirn. Da hat die Vikki schon deutlich mehr auf dem Kasten. Außerdem hat sie Wolfs Motorradgang, die „Switch Blades“, auf ihrer Seite sowie Achmet und dessen Leute, obwohl auf die nur bedingt Verlass ist. Toni hat nur seine einfältige Sippschaft.


    Entführung! Vikki ermittelt

    Und nun jagen die verschiedenen Parteien einander gegenseitig ums Karree. Vikki organisiert das ganze, ohne genau zu wissen, was überhaupt läuft. Da bleiben Fehlentwicklungen nicht aus. Achmets Gurkentruppe kriegt Händel mit der Rockergang, eine Kneipe fliegt in die Luft, die Polizei mischt mit und das Chaos tobt. Natürlich haben alle den Besenwiesler Toni als Drahtzieher in Verdacht. Dann werden auch noch Vikkis junge Nachbarin und Achmets Tochter entführt.


    Weil Vikki nicht viel von der Polizei hält – und der Achmet schon gleich gar nicht – ermitteln sie in diesem Entführungsfall selber.


    Vom Irrsinn überfordert

    Der Irrsinn zieht immer größere Kreise.


    Diese Amateurliga stolpert so überfordert durch das Geschehen, dass es eine wahre Pracht ist – und sehr lustig. Zimperlich sind sie ja nicht, sonderlich effektiv aber auch nicht. Wenn jetzt nicht schleunigst ein Wunder geschieht, schaut’s für die beiden Entführungsopfer finster aus ...


    Haarsträubende Krimikomödie

    Ein bisschen hatte ich die Befürchtung gehegt, ich könnte hier platten Klamauk erwischt haben. Dem ist aber nicht so. ZURÜCK NACH ÜBERTREIBLING ist eine Krimi-Komödie mit, zugegeben, haarsträubender Handlung. Die Figuren/Typen sind sehr gut beobachtet. Die eine oder andere Beschreibung /Formulierung wird sicher bei mir hängenbleiben. Man hat öfter mal den Eindruck: O ja, genau so jemanden kenn’ ich! Und gelegentlich bemerkte ich peinlich berührt: Autsch, so führe ich mich auch mitunter auf!


    Das ganze ist ein bisschen wie eine Bühnenshow angelegt. Vikki erzählt uns, ihrem Publikum, von diesen unerhörten Begebenheiten. Ich sehe sie förmlich im Scheinwerferlicht herumstöckeln. Dabei wendet sie sich immer wieder direkt an uns: „Verstehst?“ – „Das kennst du doch auch, oder?“ Dadurch entsteht eine Art Komplizenschaft, selbst wenn man nicht immer mit ihren Aktionen und Ansichten einverstanden ist.


    Ohne Filter


    Manchmal schnappt man schon nach Luft, wenn man liest, was die Protagonistin da so raushaut. Die prominente Schauspielerin Ch. N. aus M. wird nicht gerade Luftsprünge machen, wenn sie erfährt, dass Vikki eine Klage erwogen hat, als Frau N. sie in einer Verfilmung der geschilderten Ereignisse verkörpern sollte. Und aus welchem Grund. :-D


    Skurrile und spaßige Mischung

    Es gibt offensichtlich ein paar Ähnlichkeiten zwischen der Biographie der Heldin und jener der Autorin. Vielleicht haben auch ein paar der Nebenfiguren reale Vorbilder - oder ich bilde mir das nur ein. Wie dem auch sei: Mir hat diese skurrile Mischung aus Krimi, Witz und Lebensklugheit gefallen. Klar, das ist jetzt nix Hochgeistiges – das ist einfach nur ein Heidenspaß. Muss ja auch mal sein, nicht? Beim nächsten Vikki-Victoria-Zwischenfall möchte ich auf jeden Fall wieder dabei sein.


    Die Autorin

    Gloria Gray ist in Zwiesel im Bayerischen Wald geboren und aufgewachsen. Mit 18 flüchtete sie von dort, um sich als Frau und Künstlerin verwirklichen zu können. Über 27 Jahre in München wohnhaft und international als Performerin tätig, kehrte sie 2010 in ihre alte Heimat zurück und ist seither im Landkreis Regen u.a. als Unternehmerin, Kreisrätin und Botschafterin tätig. Als Entertainerin ist sie jedoch weiterhin aktiv und überregional unterwegs. Mit ›Zurück nach Übertreibling‹ legt sie ihr fulminantes Debüt vor. http://www.gloriagray.com


    Der Co-Autor

    Robin Felder lebt und arbeitet in München als Komponist, Texter und Schriftsteller. Bislang sind von ihm vier Romane erschienen. www.robinfelder.com


    ASIN/ISBN: 3423220090

    Und was die Autofahrer denken,
    das würd’ die Marder furchtbar kränken.
    Ingo Baumgartner